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APA/dpa/Peter Kneffel

Erich Moechel

Glasfaserausbau nun auch über Bundesländergrenzen

Die Holding öGIG, eine Tochter des deutschen Allianz-Konzerns, plant nun in ganz Österreich den Bau von Glasfasernetzen zu starten. Hartwig Tauber, Geschäftsführer der öGIG im Gespräch.

Von Erich Moechel

Der Glasfaserausbau in Österreich überschreitet erstmals Bundesländergrenzen. Die Infrastrukturgesellschaft öGIG, eine Tochter des deutschen Allianz-Konzerns, will ihre Tätigkeit von Niederösterreich nun auf die ganze Republik ausdehnen. „Der Ausbaubeginn in Niederösterreich war ja nur unser erster Schritt“, sagte Hartwig Tauber, Geschäftsführer der öGIG gegenüber ORF.at.

In der bereits ausgebauten Pilotregion Thayatal im Waldviertel purzeln nach einem halben Jahr bereits die Preise. Acht vergleichsweise winzige Provider rangeln dort mit der A1 Telekom um Kunden, allerdings auf Augenhöhe, denn die Bedingungen im Netz sind für alle Provider gleich. Asymmetrische Anbindungen gibt es in der Pilotregion ebensowenig wie „bis zu“-Datenraten. 100 Mbit/sec symmetrisch kosten derzeit um die 40 Euro, ein halbes Gigabit ist bereits unter 100 Euro zu haben.

Inserate

Open-Net.at

Die Angebote der neun Provider im Glasfasernetz der noeGIG, die Liste stammt vom Betreiber Open-Net sind von den Preisen her zwar sehr ähnlich, beim Inhalt dieser Angebotspakete gibt es durchaus Unterschiede, wie fixe oder wechselnde IP-Adressen oder bei den Bindungsfristen der Verträge, E-Mail-Adressen usw. Ein Provider erlaubt sogar den Betrieb eines (privaten) Servers, was bei Privatkundenverträgen Seltenheitswert hat.

In diesen vier Pilotregionen hatte der Glasfaserausbau in Niederösterreich vor gut einem Jahr begonnen

Acht kleine Provider und die Telekom

„Die in allen Bundesländern bestehenden Ausbaubeschränkungen auf Gebiete, die von der Förderkarte des Bundes abgedeckt werden und somit weniger als 30 Mbit/sec Grundversorgung im Download aufweisen, gelten für uns nicht mehr, da wir die Kooperationen mit den Bundesländern ähnlich wie in Niederösterreich aufbauen und deshalb wie alle anderen Marktteilnehmer agieren können.“ sagte Tauber. In den anderen vier Bundesländern - zum Beispiel in der Steiermark - müssen sich die landeseigenen Breitbandagenturen für jedes neue Erschließungsprojekt auf Gebiete beschränken, die vom Bund gefördert werden. In der Steiermark und Kärnten bleiben hier nur wenige Gebiete übrig.

„Wir können unsere Erfahrungen aus Niederösterreich nun auch іn anderen Bundesländern einbringen“, sagte Tauber, „und beim Ausbau mit den jeweiligen Landesgesellschaften und bestehenden lokalen Anbietern zusammenarbeiten.“ Acht von neun Providern in der bereits ausgebauten Region an der Thaya sind denn auch kleine eingesessene Firmen, nämlich lokale IT-Dienstleister, Elektroinstallateure und Kabel-TV-Anbieter, der neunte Provider dort ist die A1 Telekom.

„300 MBit/sec“ = 300 MBit/sec

In der Steiermark gehen die ersten Netze in bisher mit Breitband unversorgten Gemeinden ab September 2020 in Betrieb.

„Wir können uns nicht beklagen, denn wir profitieren natürlich stark vom Glasfaserausbau“, sagte Christian Berger, dessen Unternehmen Speednet sozuzusagen als „Spin-Off“ aus einem (weiterhin bestehenden) Elektroinstationsbetrieb hervorgegangen ist. Seit 30 Jahren betreibt man in Waidhofen an der Thaya das lokale Kabel-TV-Netz, seit 2005 ist Elektro Berger auch der Internetprovider vor Ort. „Vom Netzwerk her sind wir technisch ähnlich aufgestellt wie die Wiener UPC (Magenta), also mit viel Glas drumherum und dahinter Koax-Leitungen“, sagte Berger, „aber unsere Datenraten unterscheiden sich erheblich.“

Text

Magenta

Im Vergleich dazu das Angebot von Magenta in Wien, die ebenfalls aus einem reinen Kabel-TV-Netz wie die kleine Firma Speednet hervorgegangen ist. Im Paket „gigakraft 250“ gibt es standardmäßig nur die halbe Bandbreite und das im 24-Stunden Schnitt, also die Nacht mit eingerechnet. Es können allerdings auch nur 35 MBit/sec sein, im Upload werden gar nur zwischen 3,5 und 12,5 MBit/sec angeboten.

Anders als bei den Telekoms gibt es im Glasfasernetz nämlich keine „bis zu“ Datenraten. „Wenn Kunden 300 Mbit symmetrisch bestellen, dann kriegen sie die auch, plus-minus zehn Prozent“, sagte Berger, „was anderes können wir uns gar nicht leisten. Neue Kunden führen als erstes immer einen Speedtest durch, um zu prüfen, ob es die angebotenen Bandbreite tatsächlich gibt.“ Und diese Kunden können jederzeit auf einen anderen Anbieter im selben Netz wechseln, gerade bei den kleinen Providern gibt es in den Verträgen nicht einmal eine Bindungsfrist.

„Wir haben keine Hotline“ als Verkaufsargument

In Kärnten wurde im Mai mit dem Ausbau begonnen. Auch dort geschieht das mit selbstentwickeltem Gerät.

Dieser Wettbewerb schlägt sich natürlich in den Margen der Provider nieder, wie auch die Rückzugsgefechte der beiden großen Telekoms, die in den neuen Ausbaugebieten mit Kampfpreisen bei mobilen Internetanbindungen dagegenhalten. „Wir sind hohe Mietkosten für Leitungen und niedrige Margen immer schon gewöhnt, während die Telekoms in ihren proprietären Netzen ihre Preise immer selbst gestalten konnten“, sagte Berger abschließend, denn Angst um seine Bestandskunden hat er nicht. „Wir haben keine Hotline und keine Wartezeiten in der Schleife, unsere Kunden haben persönliche Ansprechpartner und außerdem sind wir ja vor Ort präsent. Das macht schon einen großen Unterschied.“

Statistik

de.statista.com | OECD

Im Ranking der Organisation für ökonomische Zusammenarbeit (OECD) zu Glasfaseranschlüssen, hier in einer übersichtlichen Darstellung von statista.com, liegt Österreich derzeit weit abgeschlagen auf Platz 32. Die OECD schließt „Fiber to the Curb“ - in etwa: „Glasfaser bis zum DSL-Verteilerkasten“ explizit von ihrer Glasfaserstatistik aus.

Die eigentliche Killerapplikation, die den Wettbewerb kleiner Provider mit Riesen wie der A1 Telekom in einem Glasfasernetz überhaupt erst möglich macht, sind die leistungsstarken Backbone-Anbindungen. Dieser sogenannte „Backhaul“ also der Abtransport der Daten von der Peripherie des Netzes an einen zentralen Knoten ist hier für einen Bruchteil jener Kosten zu haben, die eine vergleichbare Standleitung der A1 Telekom kosten würde. Wie bei der Tochterfirma noeGIG, einem Joint Venture von oeGIG und dem Land Niederösterreich, werden die Kunden an der Vienna Internet Exchange an die Provider übergeben.

Österreich steht drauf, Deutschland ist drin

Hartwig Tauber

OEGIG

Hartwig Tauber, Geschäftsführer der öGIG sowie der noeGIG unterrichtet auch an der FH Krems. Davor war er elf Jahre lang Direktor des Fibre-to-the-Home Council Europe in Brüssel, der Industrielobby für die weltweiten Glasfaserbranche.

Bleibt noch, dass dieser Großausbau zwar in Österreich geplant ist, in der Gesellschaft öGIG ist - abgesehen von Unternehmensführung und Belegschaft - allerdings nicht Österreich sondern Deutschland drin. Die öGIG ist eine hundertprozentige Tochter des deutschen Versicherungskonzerns Allianz Group. Die letzte Frage an Hartwig Tauber lautete daher: Welche Garantien gibt es, dass hier nicht Ähnliches passiert wie die Übernahme der Telekom Austria durch die mexikanische America Movil und die hierzulande investierten Steuergelder plötzlich in völlig anderen Händen sind?

„Im Gegensatz zu typischen Telekom-Investoren, die vor allem auf kurzfristigen Profit und hohe Dividenden abzielen“ sagte Tauber, sei die Allianz als Versicherungskonzern und Vermögensverwalter „vielmehr an langfristigen, stabilen Infrastrukturpartnerschaften interessiert. Der Bau von zukunftssicheren und nachhaltigen Glasfaser-Netzen, die über Jahrzehnte gemeinsam mit öffentlichen Partnern errichtet und betrieben werden“ passe daher sehr gut zu diesen strategischen Zielen des Konzerns. Der Münchner Versicherungsgigant - die Allianz ist weltweit unter den Top drei der Branche - hat parallel dazu auch in französische Glasfasernetze investiert.

Im Landwirtschaftsministerium verschollen

Vor allem zu letztgenanntem Thema sollte hier eigentlich auch das Landwirtschaftsministerium ausführlich zu Wort kommen. Dorthin wurden nämlich die Kompetenzen für Breitband - davor im BMVIT ansässig - verlagert. Ob sie dort auch angekommen sind, konnte bis dato nicht in Erfahrung gebracht werden. Auf mehrere schriftliche sowie fernmündliche Anfragen von ORF.at gab es aus dem Ministerium keine Antwort.

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