FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Wildschwimmen in Obertauern

Hansjörg Ransmayr

FM4 Draußen Spotcheck

FM4 Draußen Spotcheck: Wildseeschwimmen in Obertauern

Obertauern gewinnt auch im Sommer an Reizen. Denn die vielen Bergseen eignen sich immer besser fürs Wildschwimmen, vorausgesetzt das Wetter spielt mit.

Von Simon Welebil

„Was machst du im Sommer in Obertauern?“, bin ich gefragt worden, als ich letzte Woche ins Salzburger Land gefahren bin. Obertauern wird vor allem mit Winter-, mit Skitourismus assoziiert. Aber Obertauern und seine Umgebung scheinen auch im „Wildswimming Alpen“-Guide auf und Autor Hansjörg Ransmayr hat einen der Seen in Obertauern, der noch dazu recht einfach zu erreichen ist, ins Herz geschlossen.

Buchcover: Wildswimming Alpen von Hansjörg Ransmayr

Haffmans Tolkemitt

„Wildswimming Alpen“ von Hansjörg Ransmayr ist bei Haffmans Tolkemitt erschienen. Am 28.7. 2020 um 18.30 hält Hansjörg Ransmayr bei G-tours, 1040 Operngasse 32, Wien, einen Vortrag über Wildswimming samt Buchpräsentation.

Obertauern im Sommer wirkt ein bisschen gespenstisch. Die meisten der großen Hotelburgen, die für den winterlichen Massentourismus errichtet worden sind, sind schon seit dem frühzeitigen, coronabedingten Ende der Skisaison geschlossen. Der Sommer ist hier bislang eher die Zeit der großen Bauprojekte gewesen, die Hotels und Liftanlagen wurden dann erweitert und modernisiert. Auch heuer passiert man am Weg durch den Ort jede Menge Baustellen, doch immer mehr Beherbergungsbetriebe halten auch im Sommer offen und wollen eine zusätzliche Saison etablieren, mit Assets, die bisher brach gelegen sind.

Von der Passhöhe des Radstädter Tauernpasses weg zweigt eine Straße ins Naturschutzgebiet Seekar ab. Zu Fuß, besser aber noch mit dem Mountainbike, erreicht man von dort in nicht einmal einer Stunde den Krummschnabelsee, einen Moorsee, dessen „Schnäbel“ jeweils über 100 Meter in zwei Richtungen aufgehen.

Schwimmen mit Panorama

„Normalerweise hat man hier ein einzigartiges Bergpanorama, mit Blick auf die Hohen Tauern“, sagt Hansjörg Ransmayr. Ich muss ihm glauben, da ich davor schon die Fotos des Sees gesehen habe. Heute ist uns dieser Blick nicht vergönnt. Eine Kaltfront zieht gerade über das Salzburger Land, deren Wolken uns die Sicht auf die Bergkette gegenüber verwehrt.

Hansjörg Ransmayr wohnt in Bischofshofen, nicht sehr weit von hier entfernt, und kennt diesen See zu jeder Jahreszeit. Im Frühling, wenn die Lifte schon geschlossen haben, kommt er hier gerne noch mit den Tourenskiern rauf, weil es dann noch „eine der letzten Eisschwimmmöglichkeiten“ ist. Dann findet er eventuell noch ein Eisloch, um sich abzukühlen.

Ganz besonders schön findet er es hier heroben im Herbst, wenn „rundherum die Lerchen brennen“ und die Almböden eine rote, intensive Farbe annehmen. Zu diesen Zeiten findet er leicht einen freien Liegeplatz - ohne Corona-Bedenken. Und im Hochsommer ist der See für ihn eine herrliche Erfrischung, die er manchmal mit anderen teilen muss. Das ganze Jahr über hat der Krummschnabelsee so für ihn einen Reiz.

Den Reiz des Wildschwimmens sieht Hansjörg Ransmayr darin, dass es, im Gegensatz zum genormten 25m Becken, jeden Tag anders ist, auch wenn er immer im selben Gewässer schwimmen sollte. Manchmal regnet es, dann ist das Wasser fast schon drüber. Unterschiedliche Sensorik, unterschiedliche Lichtverhältnisse und Temperaturen machen aus jedem alpinen Schwimmtrip für ihn ein sehr sinnliches Erlebnis.

Das solltest du beim Wildschwimmen beachten

  • Naturschutz ist oberstes Gebot!

Achten muss man dabei vor allem auf die Wahl der Einstiegsstelle zum Schwimmen, dass man weder durch Brut- oder Laichgebiete stapft, durch Schilf watet oder Seerosen zerstört. Wenn man keine geeignete Einstiegsstelle findet oder das Gewässer wegen hoher Temperaturen zu kippen droht, muss man auch einmal auf das Schwimmen verzichten können.

  • Baderegel Nummer 9: Springe nie in unbekanntes Gewässer

Genauer gesagt, springe auch nie in bekanntes Gewässer, ohne unmittelbar vorher auf Unterwasserhindernisse zu checken, die auch über Nacht entstehen können. Und schon gar nicht unter Alkoholeinfluss.

  • Nie alleine schwimmen

Beim Wildschwimmen - vor allem bei längeren Schwimmtouren und in Gruppen - gilt wie beim Tauchen, dass man sich Buddys zuordnet und aufeinander Acht gibt.

  • Mit Boje schwimmen

Eine aufblasbare Schwimmboje, die an der Hüfte befestigt wird, macht einerseits sichtbarer, andererseits hat man einen Auftriebskörper parat, an dem man sich bei einem Krampf oder einem anderen Zwischenfall festhalten kann.

  • Rechtliche Aspekte

„In Österreich gilt die Regel: Wo es nicht ausdrücklich verboten ist oder naturschutzrechtliche Gründe dagegen sprechen, gilt sowas wie das Allgemeinsrecht. Das Absurde an der Situation ist, dass ich zwar im Gewässer schwimmen dürfte, aber es manchmal schwierig sein kann, da hinzugelangen, falls der See im Privatbesitz ist. Bitte immer bei den Einheimischen vor Ort erkundigen, weil sich die Rechtssituation auch schnell ändern kann.“

  • Ausrüstung

Sowohl Badehaube als auch Ohrenschutz sind in kalten Gewässern sehr zu empfehlen.

  • Körperliches Aufwärmen vorher, nachher nicht mehr

„Wenn man lang im kalten Wasser war, herumzuturnen, ist ein gefährlicher Kardinalfehler.“ Denn dann strömt das kalte Blut aus der Körperperipherie zum Herzen, was zu Bewusstlosigkeit oder Herzrhythmusstörungen führen kann. Nach dem Schwimmen soll man sich mit heißen Getränken, am besten mit Ingwertee aufwärmen. "Das mit Schnaps ist ein Mythos. Alkohol ist an sich kontraproduktiv, weil er die Gefäße erweitert und man noch mehr auskühlt.

Die Herausforderung, in einem Bergsee schwimmen zu gehen, hat sich in den letzten Jahren klimabedingt verändert. „Vor zehn Jahren war das nur was für Abgebrühte“, erzählt Hansjörg. Selbst die Einheimischen hätten lange nicht entdeckt, was für besondere Schwimmmöglichkeiten ihre Region bietet, die bis ins Lungau hinüberreichen: Der Tauernkarsee, der Twenger Almsee oder etwa der Wildsee, so dass man auch im Sommer eine kleine „Tauernrunde“ machen kann, wandernd und schwimmend von See zu See. Am Krummschnabelsee hat man sich schon mit SUP-Anlegestelle und Steg für die Wander-Schwimmer*innen gerüstet.

Wildschwimmen in Obertauern

Hansjörg Ransmayr

Am Wildsee

Der Klimawandel senkt die Challenge

Doch das Ansteigen der Temperaturen der kleinen Seen hat auch seine Grenzen. Manche von ihnen würden im Sommer schon zu hohe Temperaturen erreichen, was vor allem für die Ökologie ihre Risiken birgt, sodass man auf ein Beschwimmen sogar verzichten muss. Als „Todsünde“ für alpine Schwimmer*innen bezeichnet es Hansjörg, wenn man beschmiert mit Sonnencreme in einen Bergsee steigt. „Schon ein einzelner Badender mit Sonnencreme richtet unheimlichen Schaden in so sensiblen Gewässern an. Bitte das unbedingt vermeiden“, sagt er. Eincremen geht nur, wenn man wieder aus dem Wasser heraußen ist.

Der Krummschnabelsee hat laut Hansjörg eindeutig badetaugliche Temperaturen. Bei jemandem, der auch in Gletscherseen schwimmt, ist so eine Aussage allerdings mit Vorsicht zu genießen. „Heute wird er etwa 7/8° haben“, meint er nach kurzem Eintauchen. Im Sommer würde er aber bis zu 20°warm. Die „7/8°“ sind wahrscheinlich zu tief angesetzt. An diesem Tag ist der See eindeutig wärmer als die Luft auf fast 2.000m Seehöhe.

Beim Wildschwimmen gibt es normalerweise ein Ziel. Das unterscheidet es vom Baden, dem „Wild Dipping“, wo die schwimmerische Komponente nachrangig ist und es mehr ums Erlebnis geht. Ziel ist es, ein „Crossing“ zu machen, den See also entweder der Längs- oder der Breitseite nach zu durchschwimmen. Hier am Krummschnabelsee kann man eindeutig wild schwimmen, nur zieht sich bei mir schon beim Gedanken an ein Crossing an diesem Tag alles zusammen.

Trotz der fachmännischen Anleitung von Hansjörg - zuerst die Hände bis zu den Ellenbogen einzutauchen, sich Wasser ins Gesicht zu spritzen, langsam reinzugleiten und aufs Atmen nicht zu vergessen - muss ich etwa bei der Hälfte des Sees umdrehen und rette mich ans Ufer und in die Daunenjacke. Wär’s ein heißer Sommertag, wäre ich um die Abkühlung wahrscheinlich froh gewesen, so habe ich einen Neopren-Anzug herbeigesehnt.

Hansjörg hingegen macht noch ein paar Züge im kalten Wasser und schwärmt beim Rauskommen von anders intensiven Schwimmmomenten hier heroben, die er auch als geführte Touren anbieten will, vom Vollmondschwimmen, das eine ganz eigene Mystik habe oder vom Neujahrsschwimmen, wo sie Flöße mit kleinen Feuern hinter sich her ziehen würden, unvergessliche Erinnerungen!

Unvergesslich wird mir mein Zittern bleiben, das ich erst mit einem Tee und einer Kaspressknödelsuppe im nah gelegenen Bergrestaurant wieder loswerde. Vielleicht ist es im Hochsommer noch einen Versuch wert.

Aktuell: