FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Sebastian Janata

FM4

Sebastian Janata verbindet in seinem Roman die Jagd mit Feminismus

„Die Ambassadorin“ ist eine burgenländische Familiensaga, die sich zum feministischen Roman entwickelt. Im Interview erzählt Autor und Musiker Sebastian Janata von seinen realen Vorlagen, seinem jagenden Opa und seinem Zugang zu Feminismus.

von Michaela Pichler

Cover "Die Ambassadorin" von Sebastian Janata

Rowohlt

Der Roman „Die Ambassadorin“ von Sebastian Janata ist im Juli im Rowohlt-Verlag erschienen.

Es beginnt im Wald, mit einem Schuss, zwei toten Tieren und einem heulenden Kind. In „Die Ambassadorin“ erinnert sich Protagonist Hugo Navratil an seinen Opa Beppo, mit dem er schon als Kind gemeinsam auf der Jagd war. Für die Beerdigung des Großvaters reist Hugo von seiner Wahlheimat Berlin zurück ins Nordburgenland, ans Schilfmeer. Ins Dorf, wo viel geredet wird, aber nie wer etwas wirklich sagt, wo der süße Sturm im Buschenschank nur so fließt und die immergleichen Gesichter einen Weggezogenen misstrauisch beobachten. Der vermeintlich kurze Besuch ins Heimatdorf zieht sich für Hugo immer mehr in die Länge, als nicht nur seine Mutter ins Krankenhaus muss, sondern auch noch Beppos entfernte Verwandte aus den USA sich in die Erbschaftsangelegenheiten einmischen. Beppo hinterlässt allerdings eher Rätsel, die Hugo lösen möchte.

Reale Vorlagen und fiktive Verfremdung

Die Szenerie, die Sebastian Janata in seinem ersten Roman schildert, kennt der Burgenländer selbst nur zu gut. Auch das Jagen ist ihm kein fremdes Konzept, denn auch sein Großvater war Jäger, wie Janata im Interview erzählt: „Es gibt ja eine Szene, wo der Hugo mit drei Jahren mit Beppo riesige Jagdgewehre putzt. Das ist mir tatsächlich so passiert! Ich kann mich selber nicht erinnern, aber es gibt sehr lebhafte Schilderungen meiner Mutter. Und ich hatte so ein riesen Ding in der Hand, mit dem man wahrscheinlich Elefanten jagen kann.“

All das Blut, der dunkle Wald, der laute Knall. Es wurde zu viel. Ein derartiges Geheule schoss aus mir heraus, sodass die ratlosen Jäger der Umgebung für die nächsten Tage kein einziges Wild mehr vor den Lauf bekommen sollten.

Sebastian Janata und Hugo Navratil haben einen ähnlichen Zugang zum Jagen - zu viel Blut, zu viele tote Tiere. „Ich werde kein Jäger mehr in meinem Leben“, meint Musiker und Autor Janata. Nicht nur darin sind sich der Autor und sein Protagonist ähnlich - auch Janata ist vom Burgenland weggezogen, zuerst nach Wien, um dort mit der Diskurspop-Band Ja, Panik die österreichische Musikszene zu bereichern. Mittlerweile lebt er in Berlin. „Natürlich kann man zwischen mir und Hugo Parallelen aus unserem Leben erkennen und das ging mir natürlich am Anfang auch sehr so. Da war er irgendwie ein Verwandter für mich, eine Art Bruder oder eine Art Schwester und hat sich dann aber immer mehr entfremdet. Und am Schluss kenne ich ihn dann gar nicht mehr.“

Subtil und subversiv

Was als burgenländische Familiengeschichte mit umtriebigen Jägern und einer rätselhaften Erbschaft beginnt, entwickelt sich immer mehr zu einem subversiven Roman über Rollenbilder, Genderidentitäten und toxische Männlichkeiten.

Es ist das alte Lied, das sie singen, im dunklen Wald ihrer Ängste. Identität durch Ausgrenzung.

Sebastian Janata schafft es dabei, feministische Ansätze auf subtile Weise in der Geschichte unterzubringen, die Handlung kritisch einzufärben, bis am Ende nichts mehr so scheint, wie es war. Diesen Zugang hat er wohlüberlegt eingebracht: „Ich finde es wichtig, dass man klar über Genderrollen, toxische Männlichkeit oder Feminismus im Allgemeinen spricht, aber ich finde, da muss man wirklich gut informiert sein und ich informiere mich viel, aber ich hab’s mir jetzt nicht zugetraut, dieses Thema fester anzupacken und klarer zu umreißen im Text, weil ich da einfach noch nicht so die Skills habe.“ Mit diesem vorsichtigen, queeren Ansatz gelingt Sebastian Janata ein Debüt, das mit Erwartungshaltung spielt und überrascht. Und Heldinnen parat hat, auf die man sich beim Lesen schon freuen darf.

Open-Air-Lesungen mit Sebastian Janata

Sebastian Janata liest am 6. August aus seinem Debüt beim Usus am Wasser in Wien, mit u.a. Jennifer Fasching, Maria Muhar und Puneh Ansari. Außerdem ist er am 20. August im Museumsquartier beim Literaturfestival O-Töne neben Friederike Mayröcker auf einer Open-Air-Bühne zu sehen.

Lampenfieber und Legenden

„Die Ambassadorin“ ist Sebastian Janatas erster Roman. Als Gruppenprojekt hat er allerdings gemeinsam mit seinen Ja, Panik-Kolleg*innen Andreas Spechtl, Stefan Pabst und Laura Landergott die Band-Memoiren „Futur II“ vor vier Jahren veröffentlicht. Damals gab es eine Release-Lesung in der ehemaligen GarageX am Petersplatz in Wien, bei der Ja, Panik eine Powerpoint-Präsentation mit Foto-Archivmaterial aus den ersten Bandjahren kommentierten. Es war ein schöner Abend. Am Ende von „Die Ambassadorin“ bedankt sich Sebastian Janata unter anderem auch bei seiner Band, in einem der schönsten Danksagungs-Sätze:

Ich danke meiner Mutter und der Gruppe Ja, Panik für mein Leben.

Diesen Sommer steht Sebastian Janata allerdings erstmals alleine und ohne Band mit seinem Debüt auf einer Lese-Bühne. Dabei festhalten kann er sich aber am Text, was seine Aufregung im Vorfeld ein bisschen beruhigt. Besonders nervös wird der Wahlberliner allerdings, wenn er an seine Lesung im August beim Literaturfestival O-Töne im Wiener Museumsquartier denkt. „Da lese ich vor Friederike Mayröcker, eine 96-jährige Legende! Da darf ich gar nicht dran denken, sonst trau ich mich gar nicht hin!“

mehr Buch:

Aktuell: