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Bilder aus der Serie "Dark"

Netflix

„Dark“ schaltet auch in der letzten Staffel keinen Gang zurück

Seit Ende Juni ist die finale Staffel der Was-passiert-hier-eigentlich-Mystery-Serie zu sehen. Zeit, all die schönen und schockierenden Momente zu verarbeiten und einen spoilerfreien Blick zurück auf eine außergewöhnliche Serie zuwerfen.

Von Philipp Emberger

„Wie kompliziert darf die Serie werden?“ – „Ja!“

Irgendwie so muss wohl das erste Treffen zwischen Netflix und den Macher*innen von Dark, Jantje Friese und Baran bo Odar, abgelaufen sein. Angeblich haben selbst die Schauspieler*innen am Set nicht den kompletten Überblick über die Story behalten, sondern sich auf ihren jeweiligen Handlungsstrang konzentriert. Weise Entscheidung.

Kurzer Recap, für alle, die bisher einen Bogen um „Dark“ gemacht haben (anschauen!): Die Geschichte von Dark beginnt am 21. Juni 2019. Im Wesentlichen geht es um vier Familien mit überschaubarem genetischem Pool in der fiktiven deutschen Kleinstadt Winden. Die Geschichten der Familien wird in mehreren verbundenen Zeitebenen erzählt. Gefühlt wird die Anzahl dieser Zeitebenen von Folge zu Folge erhöht und das macht aus Dark ein nicht immer leicht zu verfolgendes Gesamtkunstwerk.

Dark

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Handlungstechnisch beginnt „Dark“ mit dem Suizid von Michael Kahnwald. Mehrere Monate später kehrt sein Sohn Jonas „Der Junge mit der gelben Regenjacke“ Kahnwald, von einem Aufenthalt in einer psychiatrischen Anstalt, in der er den Tod seines Vaters verarbeitet hat, zurück. In der Zwischenzeit wurde sein Mitschüler Erik Obendorf als vermisst gemeldet. Klingt soweit noch überschaubar, allerdings eskaliert dank Zeitreisen die Lage im verregneten Winden und emanzipiert sich in weiterer Folge vom Tatort-Feeling.

Dark als Hochleistungsdenksport

Dark ist die Art von Serie, die es einem nicht erlaubt, kurz aufs Handy zu schauen. Zu viel hat man dann wieder verpasst. Zu viele neue Enthüllungen, zu viele neue Handlungsstränge. Dark lebt vor allem in den ersten beiden Staffeln von diesen WTF-Momenten, denen Hä-Momente folgen, in denen man sich als Zuseher*in fragt, was denn jetzt eigentlich passiert ist. Ein weiterer komplexitätsfördernder Grund der Serie liegt in der Besetzung. Jantje Friese und Baran bo Odar, Ehepaar und Macher*innenvon „Dark“, haben die Entscheidung getroffen, dass nicht ein*e Schauspieler*in die Rolle in jeder Zeitebene spielt, sondern sie haben für jede Zeitebene eigene Schauspieler*innen gecastet. Das macht am Ende der Serie knapp 80 Schauspieler*innen samt ihrer Rollen, die es gilt im Blick zu behalten. Weil das alles nicht ganz so einfach ist, hat Netflix auch einen eigenen Guide mitgeliefert.

Beim Drehbuch haben Jantje Friese und Baran bo Odar von Anfang an sorgfältig gearbeitet und das „Lost“-Dilemma vermieden. Die 2010 zu Ende gegangene Mysteryserie, die einen Flugzeugabsturz thematisiert, war ursprünglich auf drei Staffeln angelegt. Nach anhaltendem Erfolg wurde die Serie aber immer wieder verlängert und hat nach sechs Staffeln ein für viele Fans unbefriedigendes Ende gefunden. „Dark“ war von Anfang an auf drei Staffeln ausgelegt, und hier wurde dieser Plan auch eingehalten und die Handlung jetzt stimmig abgeschlossen. Bei „Dark“ stimmen sehr viele Punkte - angefangen von der Story bis zur Musik (Soap&Skin!) - und das lässt die doch vorhandenen Kritikpunkte kleiner werden.

Filmpodcast

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Zum FM4 Filmpodcast samt spoilerfreien „Dark“-Nachbesprechung geht es hier entlang.

Die Handlung zeichnet sich nicht nur durch immer neue schockierende Enthüllungen aus, sondern hat auch naturwissenschaftlichen Background. Mit Begriffen wie „Bootstrap-Paradoxon“ und „Quantenverschränkung“ wird versucht, die Zeitreiserei erklärbar zu machen. An der Stelle ein Hinweis auf die Dark-Ausgabe des FM4 Filmpodcasts. Nachdem Kollege Christian Fuchs und ich im Physik-Unterricht nicht zu den 1er-Schülern gehört haben, haben wir uns mit Science Buster und Astronom Florian Freistter einen Experten eingeladen, um ein paar Knoten im Dark-Universum zu lösen und die Serie auf naturwissenschaftliche Plausibilität abzuklopfen.

International erfolgreich

Mit Dark haben die Autoren wohl für einen längeren Zeitraum die Maßstäbe und Erwartungen an eine deutsche Serie neu definiert. Bei deutschen Produktionen wird schnell über die Landesgrenze hinweg geschielt. Diesen Blick muss Dark nicht fürchten. Im amerikanischen Sprachraum, dessen Film- und Serienlandschaft eher als untertitelfaul gilt, hat sich eine große Fancommunity herausgebildet, die Dark in der deutschen Originalversion gesehen haben. Gute Entscheidung, denn nur so kommt die ganze Hoffnungslosigkeit und Düsterheit zur Geltung.

Dark

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Die Windender Höhle ist Dreh- und Angelpunkt für die vielen Zeitreisen

Zu Beginn wurde Dark oft als deutsche Version von „Stranger Things“ gesehen. Ein Vergleich, der von Anfang an nur semioptimal getroffen war. Zwar sind beide Serien im Science-Fiction/Mystery-Bereich angesiedelt und beide setzen auf kindlich- jugendliche Darsteller*innen. Das war es aber dann auch schon mit den Gemeinsamkeiten. Spätestens im Laufe der weiteren Staffel ist dieser Vergleich hinfällig, denn „Dark“ entwickelt eine ganz eigene Erzählung und Bildsprache, bei der der Serientitel Programm ist.

Dark war und ist von Anfang an ein mutiges Serienprojekt. Nach drei Staffeln ist klar, dass sich das definitiv ausgezahlt hat. Mit einer an vielen Stellen weirden, aber extrem spannenden Erzählung hat Dark eine Qualität vorlegt, an der sich wohl einige Serien in Zukunft messen lassen müssen. In diesem Sinne: Dark, du warst zwar nicht immer einfach zu verstehen und die gemeinsame Zeit war meistens ziemlich düster, aber insgesamt doch schön.

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