FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Der kleine Grenzverkehr

Radio FM4/Ali Cem Deniz

Auf Salzburg-Tour mit Erich Kästner

In „Der kleine Grenzverkehr“ von Erich Kästner ist Salzburg die heimliche Protagonistin der Geschichte.

Von Ali Cem Deniz

„Machen Sie Urlaub in Österreich“, lautet die Botschaft, die man derzeit angefangen von Regierungspressekonferenzen bis hin zu penetranter Werbung im Internet überall wahrnehmen kann. Auch FM4 schickt euch diesen Sommer auf einen Urlaub in Österreich, mit passender Begleitlektüre. Den Anfang macht Salzburg. Und auch wenn, oder gerade weil ich in Salzburg (Stadt) aufgewachsen bin, ist es mir unmöglich diese Region zu beschreiben.

Zum Glück hat es Erich Kästner 1938 in „Der kleine Grenzverkehr“ so gut und liebevoll gemacht, dass ich einfach darauf verweisen kann. Doch bevor ich zu diesem kleinen Roman komme, gibt es noch eine kleine Geschichte von mir.

McGyver, Goehte und Kästner

Als ich mit sieben Jahren von der Türkei nach Salzburg kam, war mir nicht nur diese Stadt völlig fremd, sondern auch die Sprache, die hier gesprochen wurde. Neben dem Schulunterricht gab es nur wenige Möglichkeiten, Deutsch zu lernen.

Da war zu einem McGyver im ORF-Nachmittagsfernsehen, ein Deutsch-Türkisches Wörterbuch und zwei kleine Büchlein. Das eine war eine Reclam-Ausgabe von Goethes „Die Leiden des jungen Werther“. Wegen des gelben Umschlags und des kleinen Formats hielt ich es für ein Kinderbuch und versuchte es trotz nicht vorhandener Deutschkenntnisse so gut es geht zu lesen. Wann immer ich von einem unnötigen Weltschmerz heimgesucht werde, glaube ich, dass es daran liegt, dass dieses Buch sich in mein Unterbewusstsein eingebrannt hat.

Der kleine Grenzverkehr

Radio FM4/Ali Cem Deniz

Zum Glück gab es aber ein zweites Büchlein, das in der Weltliteratur keine so große Rolle spielt, aber für mich eines der wichtigsten Bücher ist, die ich gelesen habe. Es war eine Easy Readers Ausgabe von Erich Kästners „Der kleine Grenzverkehr“, die meine Mutter in ihrem Deutschkurs bekommen hatte. Auch hier verstand ich kaum, worum es in der Geschichte eigentlich ging. Doch eins wusste ich: Es geht hier um Salzburg und je öfter ich das Buch las, desto vertrauter wurde mir nicht nur die deutsche Sprache, sondern auch die Stadt.

Eine Stadt als Protagonistin

Im „kleinen Grenzverkehr“ sind die Orte nicht die bloße Kulisse, sondern sie sind zentralen Figuren der Geschichte. Die Romanze zwischen dem Schriftsteller Georg und dem „Stubenmädchen“ Konstanze, in die er sich auf den ersten Blick verliebt, ist nur die Dekoration dieses heimlichen Reiseführers von Erich Kästner.

„Die Harmonie der verschiedenen Farben und Farbtöne vollendet, was eigentlich keiner Vollendung bedarf. Die Dächer leuchten grün, grau und rot. Darüber ragen die Türme des Doms, das dunkelgraue und weinrote Dach der Franziskanerkirche, die altrosa Türme der Kollegienkirche mit ihren Heiligenfiguren, der graugrüne Turm des „Glockenspiels“ und andere rote und grüne Kuppeln und Türme. Man sieht eine Farbensymphonie!“

So schwärmt der Berliner Georg Rentmeister gleich zu Beginn der Erzählung von Salzburg. Aufgrund der Devisenbestimmungen darf Georg nur zehn Mark für ein ganzes Monat mit nach Österreich bringen. Weil er mit dem Geld in Salzburg unmöglich so lange überleben kann, nimmt er sich im bayrischen Bad Reichenhall ein Zimmer und überquert jeden Tag die Grenze.

Der kleine Grenzverkehr

Radio FM4/Ali Cem Deniz

In Bayern lebt er gemütlich in einem luxuriösen Hotel, in Salzburg hingegen ist er ein mittelloser Kunstbegeisterter, der durch die Unterstützung eines Freundes die Festspiele besucht. Am zweiten Tag will Georg seinen Freund im Café Glockenspiel treffen, doch der wartet im Tomaselli auf ihn. Als Georg seine Kaffeerechnung nicht zahlen kann und vergeblich auf seinen Freund wartet, hilft ihm die schöne Konstanze aus und bald werden die beiden ein Paar.

Der kleine Grenzverkehr

Angefangen von der Altstadt bis zum Schloss Hellbrunn lassen Georg und Konstanze keine einzige Sehenswürdigkeit aus. Als ich 1996 zum ersten Mal versuchte „den kleinen Grenzverkehr“ zu lesen, verstand ich vor allem die Namen dieser Orte. Und das reichte mir, um immer weiter zu blättern. Kästner verstreut überall in der Geschichte historisches Hintergrundwissen, beschreibt die Architektur und den Trubel der Festspielsaison. Als ich irgendwann genug Deutsch konnte, begann ich auch bei Georgs und Konstanzes Liebesgeschichte mitzufiebern.

„Der kleine Grenzverkehr oder Georg und die Zwischenfälle“ von Erich Kästner ist im Atrium Verlag erschienen.

Die Idee den Roman zu schreiben hatte Kästner, als er selbst 1937, ein Jahr vor dem Anschluss, zwischen Bad Reichenhall und Salzburg, „im kleinen Grenzverkehr“ hin und her pendelte, um sich die Festspiele anzuschauen. Die bürokratischen Absurditäten, die er dabei erlebt hat und die er auch in Georgs Geschichte einbaut, erinnern an Situationen, die man derzeit wieder erleben kann. So liest „Der kleine Grenzverkehr“ auch heute aktuell und bleibt der unterhaltsamste Reiseführer für Salzburg.

mehr Buch:

Aktuell: