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Bundesliga-Vorstand Christian Ebenbauer und Kapitän Andreas Ulmer vom FC Red Bull Salzburg

APA/BARBARA GINDL

Blumenaus 20er-Journal

Mehr Sieger als Verlierer - der überraschende Saisoncheck des Ligafußballs.

Die längste Saison aller Zeiten hat ein Ende gefunden - und entgegen jeder Erwartung gibt es am Ende mehr Gewinner als Verlierer.

Von Martin Blumenau

GEWINNER

1

Vor dem doppelten Titelträger sind die governing bodies des österreichischen Fußballs zu nennen: der ÖFB und die Bundesliga. Klar haben ihnen das politische Interesse an einem positiven Wirkungs-Aushängeschild und die Popularität des Fußballs in die Karten gespielt - trotzdem war es eine im Resultat nicht zu erwartende Meisterleistung 1) die komplex (und vor allem relativ neu) strukturierte politische Entscheidungsträger-Riege auf ihre Seite zu ziehen, 2) Regulative zu erarbeiten, die theoretischen Ansprüchen genügen und auch praktisch funktionsfähig sind, 3) den Sack Flöhe, den sie zu hüten haben, sprich die von teilweise grotesken Interessenslagen von teilweise grenzwertigen Führungspersönlichkeiten gesteuerten Vereine, auf Linie zu bringen und 4) mit einem Deal zwischen Sky und ORF auch das Mindestmaß an Öffentlichkeit herzustellen, das jene Sichtbarkeit anbieten konnte, die erst die Grundlage für die Ausnahme-Erlaubnis legte. Und das alles in vergleichsweise kurzer Zeit.

Der unbegreiflichste Geniestreich: die Fortsetzung der finanzklammen 2.Liga, in der die Stimmungslage lange Zeit 2:1 für Abbruch stand, gebacken zu bekommen. Was auch immer da der Dreh für den Meinungsumschwung war. Dass drunter, ab dem ohnehin recht unübersichtlichen Regionalliga-Bereich, recht früh alles abgesagt wurde, stellte sich im Nachhinein auch als taktisch kluger Schachzug heraus - so problematisch dieser Substanzverlust auch ist.

Dass sowohl der sonst auch gern schwerfällige ÖFB und die sonst auch gern selbstgefällige Liga in dieser absolutesten aller Krisensituationen das Beste aus sich herauszukitzeln vermochten, darf einen für künftige Herausforderungen mehr als optimistisch stimmen.

2

Dritter Gewinner sind, so absurd sich das anhören mag, die Fans, also nicht ausschließlich die organisierten Ultras, sondern all jene, die sich als hörbare Stimmungskulisse an einem Match beteiligen. Alle, die sich so ein Geisterspiel angesehen haben, missen deren Beitrag in jeder einzelnen Sekunde. Wenn sich selbst Liverpool vs. Man City wie ein Badkick auf dem FAC-Platz anfühlt, weiß man was man hat. Sonst. An den Meckerern und Hecklern, die einem im Stadion, aus der Nähe, so fest auf die Nerven gehen können, die aber im Kollektiv eine Wucht entwickeln können, die ich sonst nur von grandiosen Pop-Konzerten kenne.

Dieses Mangelgefühl hat sich auf alles niedergeschlagen: Quoten, Stimmung, Leistung. Alle sehen allen alles nach, weil alle wissen, dass es sich um eine Ausnahme-Situation mit absehbarem Ende handelt. Wäre das anders, würde eine Revolte losbrechen, die sich gewaschen hat. Dann wären derbe Sexismen auf dummen Transparenten ein Micky-Maus-Problem.

3

Sportlicher Gewinner par excellence: Das Projekt Red Bull Salzburg. Wieder die Besten abgegeben und wieder alles aufgefangen mit dem riesigen Pool an Nachrückern aus dem Nachwuchs. Daka statt Haaland, Szoboszlai statt Minamino. Und Bernede, Adeyemi oder Adamu waren gar nicht groß im Einsatz. Das alles mit einem bereits einer Tradition entwachsenen Philosophie samt klugen Systemen von den Jugendteams auf. So sind sie auf Jahre hin unbesiegbar. Auch weil sich die Konkurrenz mit Potential selber im Weg steht.

4

Wolfsberg, alle Achtung. Die Kärntner Außenseiter hatten nicht nur - wie hier vorhergesagt, keine Probleme mit der Doppelbelastung, sondern auch keine mit dem unerwartet großen Aderlass im Winter: Coach Struber weg, Kapitän Sollbauer weg, Mittelfeld-Motor Ritzmaier weg und trotzdem war zuletzt kaum ein Unterschied zum Herbst und auch wenig Differenz zum Vorjahr zu erkennen. Beeindruckend. Und vor allem: es ist kein Reibungsverlust zu erkennen, es gab kein Gejammer und keine Großmannssucht. Vielleicht war das schlimme Negativ-Beispiel LASK eine gute Warnung.

5

Für Hartberg habe ich mit dem fixen, souveränen Klassenerhalt gerechnet, dass es zu Platz 5 und Europa reicht, darauf wär’ ich im Leben nicht gekommen. Weil es eigentlich denkunmöglich ist, von den Voraussetzungen her: alles eine, wenn nicht zwei Nummern zu klein. Es zeigte sich aber, dass die vier von mir zu Saisonbeginn angeführten Pluspunkte dann eben schwerer wogen als das allermeiste was die direkte Konkurrenz so aufzubieten hatte.

Ich wünsch dem großen Markus Schopp irgendwie dass er bleibt und sich eine oder gar zwei EC-Runden in einen Rausch plant/spielt; ich wünsche ihm aber genauso, dass das mit Rangnick und dem AC Milan klappt. Schopp ist, fußballerisch, Italiener, er könnte dort einen Schub bis nach ganz oben bekommen.

6

Rapid, oder: aus Scheiße Gold machen; bzw. Silber, also Platz 2. Was Kühbauers Rapid die gesamte Saison über zusammenspielt, tat richtig weh. Mit einem Dutzend Spielern über 1 Mille Marktwert so viel Topfen zu treten, das ist beachtlich. Und würde in einer Liga mit seriöser Konkurrenz mit Platz 5 oder 6 bestraft werden. Allein: die anderen „Groß“-Klubs verloren sich in der Sinnkrise und der LASK mochte nicht mehr richtig mitspielen. So geht sich das dann noch aus. Und auch, weil viele Ergebnisse mit mehr Last-Minute-Glück als Verstand zustande kamen. Das ist zwar kein Ruhmesblatt für das Coaching Team oder gar die Funktionäre, sondern verweist nur auf das Potential dieses Vereins. Wenn sich zu diesem Masel, dem Willen und der Angst vor den eigenen Fans auch noch jemals ein guter Matchplan oder gar eine echte Spielphilosophie finden würde, dann hätte der SCR sogar eine echte Agenda in Bezug auf Titelgewinne. Das wird aber nicht geschehen, und es hat nichts mit der Präsidentenwahl zu tun.

7

Die Mitstreiter im Schneckenrennen um den Abstieg: Wattens/Tirol, St.Pölten und die Admira. Weil sie es jetzt dann doch wohl alle geschafft haben drinzubleiben, wiewohl sie es allesamt nicht verdient haben. Aber dann eben doch wieder, wenn man die Mattersburger Bankenschieberei mitbedenkt.

Gut, beim NÖ-Hauptstadt-Klub war es das selbstverschuldete Transfer-Verbot, bei den Südstädtern die groteske Politik von Flyeralarm und bei den Swarovskis die merkliche Unbedarftheit und die falsche Stoßrichtung im Winter. Andererseits: sich mit so wenig Wucht und Input immer, Runde für Runde, am Leben zu erhalten, ist auch eine Leistung. Dass man in fast allen Stadien in der Corona-Zeit kaum einen Unterschied merkte, was Zuspruch/Stimmung betrifft (same: 2. Liga) erzählt auch viel über die kleinen Krabbler der Bundesliga.

8

Die 2.Liga, komplett. Weil sie durch den aktuell noch laufenden Spielbetrieb überleben kann.

VERLIERER

1

Der LASK hatte alles: die Krone im Grunddurchgang, das Momentum, die Sympathie des Publikums als Serienmeister-Durchbrecher. Dann, mit Corona, wurde es komisch: der Präsident, mit seiner Liga-Funktion überfordert, plädierte für Abbruch und war ein Störfaktor bei allen Bemühungen, die Meisterschaft zu retten.
Dann das illegale Training, dann die Posse um die Bestrafung, dann der durch den Wirbel erzeugte sportliche Rückfall, dann noch die Trainer-Intrigen und der unwürdige Abgang von Trainer Ismael.
Innerhalb von ein paar Wochen von hero to zero, blöder kann man’s nicht anstellen.

Dass sich die Linzer damit nicht nur ihren Lauf zerstört haben, sondern auch das Personal nachhaltigen Schaden genommen hat, wird auch die gute Wahl hin zu Dominik Thalhammer nicht wettmachen. Zumindest nicht kurzfristig. Zudem bleibt der Unsicherheits-Faktor des von seiner neuen Größe übermannten Präsidenten, dem jederzeit wieder eine irrlichternde Aktion zuzutrauen ist.

2

Die beiden anderen traditionellen Groß-Klubs neben Rapid. Wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.

Bei der Austria konnten weder Coach noch Sportchef Besserung bringen, wiewohl beide als Hoffnungsträger gelten, galten. Wer wissen will, woran das Spiel der Violetten krankte, sieht sich einfach die beiden Play-Off-Matches gegen Hartberg an: da ist vieles gut gemeint, aber wenig geht auf, zudem verletzt sich dauernd einer und plötzlich kippt das Zusammenspiel ins Bodenlose. Keine Maßnahme greift, egal ob sie schlau oder riskant ist, sowohl junge als auch ältere Spieler haben ihre Momente, dann aber auch ihre Momente.

Bei Sturm war es das wieder einmal hysterisch in eine andere Richtung schlagende Pendel, diesmal zum destruktiven Spiel des Nestor Jevtic aka El Maestro. Das ist/war wirklich ein witziger, verhaltensauffälliger, origineller Mann, der allerdings sein Team das Gegenteil davon spielen ließ: fantasielos, einförmig. Dass sich die Spirale in der Final-Phase soweit nach unten drehen würde, zum letzten Platz und dem großen steirischen Spott, ist wohl einer Art Corona-Drehbuch, in dem das Vorhandene noch einmal potenziert wird, zu verdanken.
Als Folge dieser Saison wird Sturm zum Schalke Österreichs, man will demütig kleine Kipferl backen und eine Zwischensaison einlegen. Hoffentlich wird dafür nicht Markus Schopp zerschlissen, Ilzer wäre die bessere Idee.

3

Mattersburg, aus diesen Gründen.

Fazit

Ja, Altach kommt nicht vor, die haben genau den Median ihres Könnens gespielt. Sind also in Anbetracht der Umstände (Lockdown) auch irgendwie Gewinner.
Sonst steht es 11:4; ein deutlicher Sieg für die Gewinner also.

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