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Roter Faden

CC0/pixabay

Buch

„Der rote Faden“ von Rosie Price zu lesen ist wie sieben Staffeln Serie schauen

Eine unverhoffte neue Freundschaft, eine ganze Reihe von verhängnisvollen Familien-Tragödien und eine traumatische Erfahrung, die sich wie ein roter Faden durch die gesamte Geschichte zieht und die Charaktere für immer miteinander verbindet, all das gibt’s im Romandebüt der Britin Rosie Price.

Von Alica Ouschan

Cover "Der rote Faden"

rowohlt

Der rote Faden ist im rowohlt Verlag erschienen, hat 352 Seiten und wurde von Stefanie Jacobs vom Englischen ins Deutsche übersetzt.

Die britische Autorin Rosie Price hat mit ihren gerade mal 27 Jahren schon einen Roman geschrieben, der Potential hat, verfilmt zu werden. Sie ist in einem kleinen Dorf in England aufgewachsen, wo der Roman hauptsächlich spielt – die Geschichte selbst ist perfekt für alle, die aufregende Leseerlebnisse lieben, denn ihr Debütroman „Der rote Faden“ fühlt sich beim Lesen so an, als würde man gerade sieben Staffeln einer total aufregenden Drama-Serie schauen.

Ein verhängnisvolles Ereignis jagt das Nächste

Kate ist Filmstudentin und weiß noch nicht so ganz, wo sie mit ihrem Leben hinwill. Dann lernt sie Max kennen und alles verändert sich zum Guten. Bereits auf den ersten zwanzig Seiten des Buchs vergeht ein ganzes Jahr, indem die beiden enge Freunde werden und alles miteinander teilen, sogar die außergewöhnlich hohe Anzahl an verhängnisvollen Familiendramen: Erbschaftsstreits, ein alkoholsüchtiger und suizidaler Onkel, die eine Mutter ist schwer depressiv, die andere eine berühmte Regisseurin. Die potentielle, romantische Entwicklung ihrer Freundschaft schwingt dabei ebenfalls mit und lädt die Handlung mit zusätzlicher Spannung auf.

Nachdem bereits einige Jahre (oder Staffeln?) vergangen sind und gerade wenn man glaubt, es kann nicht mehr ärger werden schockt die Story erneut. Diesmal ist es die eine traumatische Erfahrung, die sich fortan wie ein roter Faden durch Kates Leben zieht und das Leben aller Charaktere beeinflusst: Sie wird Opfer von sexueller Gewalt. Der Täter ist ausgerechnet ein Familienmitglied von Max. Die kommenden Jahre sind geprägt von Kates Scham und ihrem Schweigen, Selbsthass und schließlich der Suche nach dem richtigen Umgang, dem Anvertrauen und Ansprechen.

Die multiple Bedeutung des roten Fadens

Der rote Faden kommt in Rosie Price’ Debütroman eine ganze Reihe an unterschiedlichen Bedeutungen zu: Es ist der rote Faden, der sich durch die ganze Handlung zieht und der alle Charaktere für immer zusammenknotet. Gleichtzeitig ist es Kates Trigger, der sie in die schlimmste aller Nächte zurückversetzt:

„Die Zeit setzte aus. Kate wusste jetzt was rot war. Sie lag auf dem Bett, sah die Ziernaht in seinem Hemdkragen. Aber dieses rot war keine Farbe, keine Warnung und keine Herausforderung, kein Stierkampftuch; nein, Rot war der Filter, durch den sie alles wahrnahm; es löschte die Zeit zwischen der Gegenwart und jenem Moment aus, der nicht länger vergangen war, sodass sich ihr ganzes Wesen von den erweiterten Pupillen über den stoßweisen Atem bis hin zur Kälte in ihrer Brust, neu ausrichtete, um die Welt von nun an durch diesen Filter zu betrachten.“

„Der rote Faden“ erzählt von der zerstörerischen Kraft sexueller Gewalt und bleibt dabei überzeugend authentisch ohne überdramatisch oder abgekapselt zu wirken. Nicht zuletzt sendet Rosie Price wichtige und vor allem hilfreiche Botschaften übers sich-selbst-Wiederfinden, nachdem einem alles genommen wurde, von Selbstakzeptanz und Stärke und der hoffnungsvollen Perspektive, dass es trotz allem besser werden kann.

Ein Erzählstil, der einem Serien-Drehbuch gleicht

Tatsächlich fühlt sich der rote Faden beim Lesen oft mehr wie eine Serie, als ein Roman an. Mit gekonnt eingesetzten Zeitsprüngen treibt Autorin Rosie Price die Handlung voran: Auf einer Seite vergehen gut und gern mal mehrere Monate, während sich dann wiederum ein einziger Abend über vier Kapitel erstreckt.

Autorin Rosie Price

Gemma Day/rowohlt

„Der rote Faden“ ist das erste Buch der britischen Autorin Rosie Price.

Was dabei als Stilmittel besonders ins Auge sticht ist. dass (obwohl Kate ganz klar die Hauptperson der Handlung ist) man beim Lesen die Motivationen, Gedanken und Gefühle beinahe aller, zahlreich vorkommenden Charaktere erfährt. Zusätzlich bekommt man tiefe Einblicke in die verschiedenen Beziehungskonstellationen und wie die einzelnen Figuren zueinander stehen und übereinander denken. Dadurch fühlt man sich durchgehend als allwissender Teil des Geschehens und ertappt sich sogar hin und wieder dabei, wie man selbst für die zweifelhaften Charaktere einen Hauch an Empathie aufbringt.

„Das Bild der Leinwand brannte sich in ihm ein und erfüllte Max mit Selbsthass, doch bevor er es irgendwie greifen konnte, war die Szene vorbei. Aber das schlimmste kam erst noch: Es war nicht die Vergewaltigung an und für sich, sondern das, was sie anrichtete: wie sie die Wahrnehmung erschütterte, die Sinne verzerrte und unfähig machte zu vertrauen, Liebe zu geben oder zu empfangen und wie sie der Welt sämtliches Licht und sämtliche Farbe nahm.“

Rosie Price’ Debüt „Der rote Faden“ ist geschmackvoll geschrieben und gleichzeitig erschütternd zu lesen. Die Story ist hart und unterhaltsam zugleich. Ehrlich, aber vor allem lesenswert.

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