Neues von Flirtmachine, BIBIZA & Mavi Phoenix, OSKA u.v.m.
Von Lisa Schneider
Wir haben wieder ein Festivalwochenende erlebt, in dieser seltsamen Zeit, die das Livespielen so lange unmöglich gemacht hat: Das Popfest 2020 hat, im Ausnahmezustand, aber doch, stattgefunden.
Wo sollen solche Abende besser gefeiert werden als in der Wiener Karlskirche, bei ihrer Errichtung der Pest geweiht und auch jetzt als lokalisierter Aufschrei gegen das zu verstehen, was rundherum mächtig schief läuft. Es waren, vor limitiertem Publikum und unter Einhaltung der gegebenen Abstandsregeln, Marie Spaemann, Hirsch Fisch und Voodoo Jürgens zu Gast, wobei vor allem Letzterer es wie immer geschafft hat, auch der dunkelsten Ecke - im Kopf und im Kirchenschiff - ein Schmunzeln zu entlocken. Wir haben ja noch die Musik.
Als Anja Plaschg als Soap & Skin schließlich dieses verkürzte, verkleinerte, aber nicht weniger intensive, elfte Popfest beendet, bleiben die Münder und die Herzen offen: Katharina Seidler bezeichnet den Auftritt als nichts weniger als ein „Konzert des Lebens“.
Es ist die Livemusik, aber auch die aufgenommene, die hilft und heilt und die es manchmal schafft, einen wegzuholen von allem. Weil sie etwa im Fall der jungen Salzburger Band Flirtmachine mit einer faulen und sympathischen, weil selbstverständlichen Lebensbejahung daherkommt, man möchte einige Zeit lang nichts anderes hören. Im Song „Cats in the Park“ geht es um, ja, Blödheiten des Alltags. Und dann auch wieder eigentlich um gar nichts. Das ist gut so. Slackerpop lebt nicht vom Inhalt, sondern vom Gefühl.
Die Musikvideoauswahl der Woche:
BIBIZA ft. Mavi Phoenix - "?!"
Geräte abstauben, Decke anstarren, diverse Substanzen inhalieren: auch der junge Wiener Rapper BIBIZA hat uns vor einigen Wochen schon seine Gedanken zur Quarantäne um die Ohren geworfen. Er hat aber auch noch andere Dinge getan in dieser endlosen Zeit. Zum Beispiel GTA spielen. Und wie es der Zufall will, setzt sich in besagtem Computerspiel niemand anderer als Mavi Phoenix auch gern virtuell hinters Steuer - und da hat’s auch schon klick gemacht. Was in Chats auf Instagram begonnen hat, gipfelt in einem Song, der ruck-zuck nach einer gemeinsamen Session im Kasten war. Das Ergebnis, produziert wie immer von BIBIZA-Kollegen Pengg, heißt kryptisch "!?", im Untertitel dann aber schon verständlich „Get Hyped“.
Sanfte Beats und ein bisschen Alltagsphilosophie, ganz so, wie sich das anfühlt, wenn man sich im Kopf mal weg nach Kalifornien denkt oder wie Mavi und BIBIZA in einen weißen Cadillac steigt und gemeinsam mit Produzent Pengg durch die dunklen, schön ruhigen Straßen Wiens cruist. Es ist das Auto zur EP, sie trägt den Titel „Caddy“.
Black Massiah - „Skeemerz“
Vor kurzem hat der ursprünglich aus London stammende, schon seit längerer Zeit in Wien lebende Rapper Jahson The Scientist noch Spitting Ibex und ihrem gemeinsamen Song „Illusions“ die Stimme geborgt (beste Zeile: „How real is real / I mean, really though“).
Jetzt hat er, der sonst auch mit seinen Bands Skattah Brain oder Sketches On Duality spannende Entwürfe zwischen Jazz und Hiphop schreibt, ein neues Projekt ins Leben gerufen: Black Massiah.
Hinter Black Massiah stecken Jahson The Scientist und der ebenfalls in London geborene Musiker, Komponist und Produzent K-Kanayo. „Skeemerz“ ist ihre erste Single, sie tanzt auf sommerlichen Beats dahin. Das Statement zum Song erdet die Luftigkeit: „A band created to represent black unity, empowerment and reclaim its legacy.“
OSKA - „Somebody“
Sehr früh im heurigen Jahr hat uns die junge Musikerin OSKA mit ihrer Stimme und klaren, folklastigen Liebesliedern gefangen: Sie war nicht umsonst FM4 Soundpark Act des Monats und hat kurz darauf ihre erste EP veröffentlicht. „Somebody“ heißt ihre neueste Single.
„Are you in love with a fantasy to be someone for somebody like me“, fragt OSKA im Refrain. Es ist so, wie es immer ist, die Liebe bleibt undurchsichtig. Das herzzerreißende Video überbringt die Botschaft unvermittelt: Hier werden Kostüme, Masken, Make-up und Leben getauscht, ein Kuss, ein Tanz gestohlen. „Somebody“ ist ein Song und ein Video über kostbare Unwirklichkeiten.
Und immer, wenn’s mir zu heiß wird,...
... sehe ich mir dieses Video an. Die hervorragende Abkühlung will ich euch natürlich nicht vorenthalten. Immer wieder danke, Sluff.
Auch noch gut und gut zu wissen
- Er ist der neue beste Slacker-König in Graz, und wohlwissend passt er seine Musik den Jahreszeiten an: Johnny Batard hat gerade seinen „Summer Song“ veröffentlicht.
- Eines der schönen Dinge an der Quarantäne war ja, dass unser aller FOMO auf ein Minimum reduziert war. Wer geht schon auf Parties? Siamese Elephants haben das ganz offenbar etwas anders empfunden und darüber einen Song geschrieben: Sie wollen am Sofa sitzen bleiben. Oder eben in der Fishbowl.
- Wie soll man ihr auch keinen Song widmen: Tunesmith macht der großen Joni Mitchell alle Ehre, mit so viel Groove, dass sie wohl selbst überrascht wäre.
FM4 Soundpark Weekly
In dieser wöchentlichen Rubrik servieren Lisa Schneider und Andreas Gstettner-Brugger musikalische Häppchen aus Österreich. Neue Bands und Songs, Videos und Konzerthighlights quer durch den stilistischen Gemüsegarten.
- Meno schreibt groß gedachte Popsongs in Richtung Patrick Wolf (barocke Büsten im Video inklusive), sein neuestes Lied nennt er „We Follow“.
- „Talk Less Listen More“, dazu fordern die Genre-Inselhüpfer Mickey auf und spielen Spiele mit Wörtern wie „rap“ und „wrap“. Also: „Wrap it up“.
- Mono & Nikitaman fassen die letzten Monate in einem allesbeschreibenden Song zusammen: „Wahnsinn von A bis Z“.
- Manchmal sind Musikvideos noch immer wie kleine Filme zu genießen: Für sein neuestes zum Song „Wasted (ft. Loretta Who)“ hat sich Peter Zirbs die Schauspieler Manuel Rubey und Viktoria Winter für ein intensives Kammerspiel vor die Linse geholt.
- Dass er etwas für großen Sommerkitsch übrig hat, war vorher schon klar, er will es aber wieder beweisen: Der traurige Gärtner hat gemeinsam mit GwynPlay zum Song „Skyline“ ein nostalgisches Seemannsvideo inklusive Wald-, Wiesen- und Wasserromantik gedreht.
Letzten Donnerstag im FM4 Soundpark habe ich euch neue Songs von Aux Portes, OSKA oder Yajin vorgestellt - und auch die bestbenannte Salzburger Lofi-Rockband Flirtmachine. Luca Malina, die uns mit „Don’t“ wohl den Sommerhit 2020 geliefert hat, erzählt uns, wieso sie Acts wie Amber Mark oder Two Another sehr gut findet - und der Like-Elephants-Gitarrist Martin Wührer war mit seinem Soloprojekt Comfort Kiss zum Interview da.
In der sonntäglichen Soundparknacht war ebenfalls Martin Wührer zu Gast. Wir haben uns exklusiv durch seine erste Solo-EP als Comfort Kiss gehört und er hat uns seine aktuellen Lieblingssongs präsentiert. Außerdem dabei: die ursprünglich aus Tel Aviv stammende, jetzt teilweise in Wien lebende Lofi-Garage-Punkpopband Bones Garage und ihr neues Album „Poland“ sowie Luca Malina, die erzählt, zu welchen Songs sie gerade am liebsten tanzt.
Publiziert am 28.07.2020