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Titelbild

CC0/Pixabay

„Paul“ ist ein kurzweiliger und origineller Coming-of-Age-Roman

Das erste Buch der Berlinerin Juliane Baldy erzählt von der sommerlichen Selbstfindungsphase eines Siebzehnjährigen in der Großstadt.

Von Alica Ouschan

Endlich Sommerferien! Und was geht beim 17-jährigen Paul? Der sitzt fest bei seiner alleinerziehenden Mutter in der Berliner Großstadt und ist auch noch mitten drin in einer Selbstfindungsphase, in der er weder sich selbst noch irgendwen anders so wirklich versteht. Irgendwo zwischen den zwei Gruppen der „Loser und Gewinner“ – wie er sie nennt – bleibt Paul lieber Einzelgänger und ist auf „Anti-Konflikt“-Kurs. Auch seiner Mutter und sowieso allem, was irgendwie nach Stress oder Problemen riecht, geht er prinzipiell aus dem Weg.

Autorinnenbild

David Reisler

Die Berlinerin Juliane Baldy ist 1985 geboren, lebt in Berlin und hat bisher einige Theaterstücke und Texte veröffentlicht. „Paul“ ist ihr erster Roman.

Die erste (digitale) Liebe

Im Zentrum der Handlung steht Pauls Beziehung zu Ida, eine Beziehung auf rein digitaler Ebene. Denn als sich die beiden am ersten Tag der Sommerferien näherkommen, fährt Ida auch schon in den Urlaub nach Italien. Da sie erst Ende des Sommers wiederkommt, bleibt den beiden nichts anderes übrig, als ihre Beziehung von nun an über Chat und Webcam zu führen.

Mann, ich hätte gestern einfach mehr den Macker machen müssen, ich Trottel. Ein bisschen mehr rumknutschen wär schon cool gewesen. So schnell, wie sie ab ist. Süß. Irgendwie. Auch wenn süß an sich ein No-Go ist, doch in Kombi mit Ida geht das schon. Sie ist halt anders als die anderen. Da wars vielleicht schon genau richtig, erst mal auf locker zu machen. Also. Sich Zeit. Und so. Wir haben ja noch ein Date. Jepp.

Typische Teenie-Themen, untypisch erzählt

An die nächtelangen Chats mit Ida reihen sich nach und nach noch weitere Handlungsstränge, die die Troubles der Adoleszenz perfekt zusammenfassen: Neben Pauls Unsicherheiten Ida gegenüber (und sowieso ist diese ganze Verliebtheitssache ja eigentlich eher Mädchenkram), wären da außerdem noch der neue Freund von Pauls Mutter, sein unbekannter Vater, für den er ein plötzliches, unbändig großes Interesse entwickelt und Pauls erste echte Männerfreundschaft, die ihm irgendwie hilft, all das zu verarbeiten, was mit ihm und um ihn herum passiert, obwohl er selbst nicht so ganz versteht, wie.

Buchcover

Frankfurter Verlagsanstalt

Paul hat 180 Seiten und ist in der Frankfurter Verlagsanstalt erschienen.

Oke, vielleicht hab ich zu lange anti Konflikt geschoben. Kann ja sein. Das ist so ne Sache, wenn man sich einmal an etwas gewöhnt hat. Und dann hockt sich der Marko auf die Mauer. Vollpfosten. Sensibel wie ein Toastbrot. Das Toastbrot holt die Pulle raus: „Life is ne Bitch.“ Da nick ich mal. Das ist das Klügste seit, weiß nicht wie lange, ewig her, dass Marko mal so was auf den Punkt, so was, ja, schon, Schlaues gebracht hat.

In „Paul“ werden typische Teenie-Themen wie Liebe, Sex, Alkohol und familiäre Beziehungen humorvoll abgearbeitet, ohne dabei abgedroschen oder oberflächlich zu wirken, im Gegenteil: Bekannte Szenarien nehmen unerwartete Wendungen, die Erzählung greift zwar Klischees auf, ist aber trotzdem zu keinem Zeitpunkt vorhersehbar. Genau darum fühlt sich die Story, vor allem aber auch der Protagonist so realistisch und nahbar an.

Die Erzählung bleibt so kurzweilig, dass man das Buch locker in einem Tag verschlingen kann, und überrascht abschließend sogar mit einem ziemlich einschlägigen und erschütternden Plot-Twist, der einen nachdenklich zurücklässt.

Originell, aber gewöhnungsbedürftig

Was bereits ab dem ersten Satz ins Auge sticht und definitiv darüber entscheidet, ob man weiterliest oder das Buch doch lieber wieder weglegt, ist die originelle Sprache des Buchs. Fans von ganzen Sätzen, hochpoetischer Sprache und ausgefallenen Wortkreationen kommen hier eher weniger auf ihre Kosten. Autorin Juliane Baldy ist von der Wortwahl bis zum Satzbau nämlich total am Slang der Zeit angekommen. Die Ausdrucksweise entspringt direkt den Gedanken der Hauptfigur: „Paul“ zu lesen, bedeutet wortwörtlich seine Gedanken zu lesen, weil er Sätze oftmals nicht zu Ende denkt, geschweige denn ausformuliert.

Dafür verspricht Juliane Baldys Debütroman pure, kurzweilige Lesefreude für alle Fans von Coming-of-Age-Literatur und alle, die einen unkonventionelleren Schreibstil feiern. „Paul“ weckt Erinnerungen an die eigenen Erlebnisse aus den Sommern der Jugendjahre und ist gleichzeitig ein idealer Begleiter für alle, die sich gerade selbst in dieser wundervoll-komplizierten Phase befinden.

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