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Matthew Rhys als Perry Mason

HBO, Sky

Perry Mason kommt als ramponierter Privatdetektiv zurück

Der Kultanwalt aus den 50ern kommt auf den Bildschirm zurück. In der neuen Version ist er allerdings abgefuckter denn je. Die Serie „Perry Mason“ widmet sich dessen Vorgeschichte.

Von Philipp Emberger

Aus dem großen und grobschlächtigen Perry Mason ist ein schlaksiger und unrasierter Mann mit Lebensmittelresten auf der Krawatte geworden. In acht Folgen widmet sich die neue Serie Masons Vorgeschichte im Los Angeles der 30er-Jahre. Mason ist noch kein angesehener Anwalt, sondern er lebt auf der Milchfarm seiner toten Eltern. Für den Anwalt E.B. Jonathan ist Mason als Privatermittler tätig und bekommt es mit einem brutalen Fall zu tun: Ein entführtes Baby wird grausam ermordet. Nachdem die Eltern ins Visier der ermittelnden Detektives geraten, wird Mason beauftragt, ihre Unschuld zu beweisen und die wahren Täter zu finden.

Die verliebten Großmütter von damals dürften mit der neuen Version wenig Freude haben. Die Serienschöpfer zeichnen eine düstere Welt im Noir-Stil. Die große Depression drückt auf die Stimmung und die Lebenssituation der Protagonist*innen. „Perry Mason“ ist eine komplexe Serie, verliert sich aber phasenweise in überflüssigen Nebenschauplätzen. Tatiana Maslany gibt beispielsweise eine predigende Kirchenführerin. In dieser Rolle ist sie zwar brillant und unterhaltsam, bekommt dafür aber auch viel Präsenz eingeräumt und trägt wesentlich dazu bei, die Folgen unnötig in die Länge zu sehen. Die einzelnen Episoden sind mit teilweise über einer Stunde sehr lang geraten und können nicht über die gesamte Dauer ihr Potenzial ausschöpfen.

Shot aus der Serie Perry Mason

HBO, Sky

Lili Taylor, Tatiana Maslany und Gayle Rankin (v.l.n.r.)

Oft wurde Perry Masons Geschichte neu aufgegriffen. In den meisten Fällen nicht sonderlich erfolgreich. Dieses Mal gelingt es zwar mit einem abgefuckten Perry Mason eine neue Erzählung zu schaffen, die große Krimineuinterpretation ist es aber nicht.

Brillanter Cast

Ein Highlight der Serie ist allerdings der Cast – und hier vor allem Mason-Darsteller Matthew Rhys (u.a. The Americans). Mit leerem Blick und hängenden Schultern verkörpert Rhys den ramponierten und leidenden Perry Mason. Da hilft auch Masons traumatische Vergangenheit. In Rückblenden zeigt die Serie seinen Kriegseinsatz im Ersten Weltkrieg und versucht zu erklären, wie Perry Mason zum Trinker mit familiären Problemen geworden ist.

Perry Mason Cover

HBO, Sky

Die acht Episoden der ersten Staffel sind ab heute auf Sky zu sehen.

Die weiteren Schauspieler*innen fügen sich wunderbar in den Cast ein – etwa John Lithgow (u.a. The Crown, Dexter) als Masons Mentor und Auftraggeber E.B. Jonathan. Zwei der wichtigsten Figuren neben Perry Mason fehlen auch in der Vorgeschichte nicht, wenngleich ihre Rollen verändert und auf wohltuende Art modernisiert worden sind. Juliet Rylance (The Knick) schlüpft in die Rolle von Della Street. In der Vorgeschichte ist Della Street noch nicht Masons Sekretärin, sondern für Jonathan zuständig. Perry Masons späterer Privatdetektiv, Paul Drake (gespielt von Chris Chalk), bekommt in der Serie auch seinen Platz. In dieser Version ist er ein afro-amerikanischer Polizist und hat mit Rassismus innerhalb der Los Angeles Police zu kämpfen.

Amerikanisches Kulturgut

Perry Mason war eine der Kultserien der 50er- und 60er-Jahre. Viele Krimi- und Gerichtsserien würde es ohne Perry Mason überhaupt nicht geben. Die Titelmelodie ist Kult geworden. Gespielt wurde der Original-Mason von Raymond Burr, der dieser Rolle bis zu seinem Lebensende zum Großteil treu blieb und zu den großen TV-Lieblingen in Amerika zählt. Seine Beziehung zu seinem Mann hat er während seiner Karriere stets geheim gehalten. Zu groß war die Angst, die Gunst des TV-Publikums zu verlieren.

Von 1957 bis 1966 wurde die Serie, die auf den Romanen von Erle Stanley Gardners basiert, ausgestrahlt und schaffte es auf stolze neun Staffeln mit 271 Folgen. Selbstverständlich blieb es dabei nicht, es folgten Fortsetzungen und Neuinterpretationen wie etwa eine zweite Serie aus den 70ern. Als Raymond Burr 1985 in seine wohl bekannteste Rolle zurückkehrte, stellte sich zumindest wieder der Erfolg ein. Er war bis zu seinem Tod 1993 in 26 TV-Filmen als Perry Mason zu sehen.

Raymond Burr als Perry Mason

CBS

Raymond Burr als Perry Mason

Mit „Perry Mason“ kommt auf die lange Liste eine weitere Serie dazu und zumindest der amerikanische HBO ist damit zufrieden. In den USA ist die Serie schon angelaufen und hat dem Sender einen der besten Serienstarts seit knapp zwei Jahren beschert. Und jetzt scheint sich die Geschichte zu wiederholen: Eine zweite Staffel ist bereits angekündigt worden.

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