FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Christian Bale als Patrick Bateman lacht und holt mit der Axt in seinen Händen aus

Koch Media

„American Psycho“: Ein kontroverser Film feiert ein Jubiläum

20 Jahre ist es her, seit Mary Harron den umstrittenen Roman von Bret Easton Ellis auf die Leinwand brachte. Beim Wiederansehen sind die Bezüge zur Gegenwart gruselig.

Von Christian Fuchs

FM4 Filmpodcast

Im FM4 Sommerprogramm immer dienstags von 21 bis 22 Uhr auf Radio FM4, im FM4 Player und als FM4 Podcast.

Diese Woche: Zwei American Psychos feiern Jubiläum
Bates und Bateman: Im neuen FM4 Film Podcast plaudern Pia Reiser, Christian Fuchs und Philipp Emberger über „Psycho“ (1960) und „American Psycho“ (2000).

In den 90ern Jahren des vorigen Jahrhunderts war er omnipräsent, der freundliche Serienkiller von nebenan. Mainstreamfilme und Underground-Produktionen zeigten sich fasziniert von „Natural Born Killers“ und Charakteren wie Hannibal „The Cannibal“ Lecter. In diesem kulturellen Klima wagte es die US-Regisseurin Mary Harron einen extrem angefeindeten Roman auf die Leinwand zu bringen.

Besonders feministische Kritiker*innen waren 1991 Sturm gelaufen gegen „American Psycho“, den Bestseller von Bret Easton Ellis. Dabei hatten viele Gegner*innen nicht erkannt, dass sich hinter den ausgestellten Gewaltexzessen des Buchs eine Satire versteckte. Ellis entwirft die Kunstfigur des mordenden Wallstreet-Bankers Patrick Bateman, um damit die Leere einer Ära bloßzustellen. „American Psycho“ zeigt die 80er Jahre in New Yorker Finanzkreisen als Hölleninferno aus Konsumverherrlichung und moralischer Vereisung.

Christian Bale als Patrick Bateman zieht sich eine Peel-off-Maske vom Gesicht

Koch Media

Für die ebenfalls dezidiert feministische Regisseurin Harron ist diese kritische Ausrichtung des Romans klar, sie sieht auch die geballte Frauenverachtung Patrick Batemans als abschreckendes Stilmittel.

Jahre lang bemüht sich die Filmemacherin an der Grenze von Independent-Kino und Hollywood-Karriere („I Shot Andy Warhol“) um die Rechte für den Stoff. Leonardo Di Caprio, gerade frisch seinen „Titanic“-Erfolg genießend, reißt sich um die Hauptrolle. Mary Harron findet ihn unpassend - und lässt sich auf Streit mit ihren Produzenten ein. Am Ende bekommt Christian Bale den Part, heute kann man sich niemand anderen mehr als Patrick Bateman vorstellen.

Die Tristesse von Armani und Phil Collins

Bald im Vorfeld entscheidet sich Mary Harron auf die Ultrabrutalität der Vorlage zu verzichten. Sie will die mediale Wahrnehmung ihres Films keinesfalls in die falsche Richtung lenken. Oder gar Hardcore-Splatterfreaks bedienen. Das Problem mit der Altersfreigabe stellt sich natürlich auch noch. Der Film „American Psycho“ ist nicht frei von herumspritzendem rotem Farbstoff, aber er konzentriert sich auf den sarkastischen Aspekt, auf die Auswüchse des Kapitalismus und schonungslosen Shoppingwahns, symbolisiert durch den Hyper-Yuppie Bateman.

Im Gegensatz zu den eingangs erwähnten Hollywood-Serienkillern ist der schöne junge Mann kein Outlaw, kein Existentialist, kein Superbösewicht, sondern ganz wortwörtlich das charakterlose Nichtwesen, als das er sich selbst imaginiert. Ein am Reißbrett ausgedachtes Konstrukt, um die Tristesse von keimfreien Designerwohnungen, Nouvelle-Cuisine-Essen, Armani-Anzügen und Phil Collins-CDs zu personifizieren.

Christian Bale als Patrick Bateman in Shorts beim Seilspringen in seinem Apartment

Koch Media

Weil ihm alle diese Statusobjekte keinen Kick mehr geben, weil er auf der Suche nach dem letztmöglichen Kitzel gar nichts mehr spürt – nicht mal mehr die sexistischen Aggressionen, die seine Arbeitskollegen bei gemeinsamen Diners aufblitzen lassen, interessieren ihn -, deswegen killt Patrick Bateman.

Die Banalität des Bösen

Bei der Wiederansicht von „American Psycho“ nach 20 Jahren erweisen sich Mary Harrons inhaltliche und formale Entscheidungen als richtig. Auch anno 2000 überzeugte ihre Betonung der zeitkritischen und satirischen Aspekte des Romans. Bei aller Liebe zum ewigen Provokateur Bret Easton Ellis wirkte sein Buch schon damals etwas hohl. Außer dem endlosen Repetieren der zentralen Botschaft via Mord, Konsum und Mobbing hatte der Thesenroman wenig zu bieten.

Die bitterböse Sozialsatire, die der Film präsentiert, funktioniert dagegen noch immer. Statt wie der Autor Ellis auf schockierende Abstumpfung zu setzen, verlässt sich Regisseurin Harron auf schonungslosen Witz. Legendärster Moment immer noch: Bale/Bateman nähert sich in seinem Luxusapartment grinsend einem Opfer (der sehr junge Jared Leto) mit geschärfter Axt und erklärt dabei die Vorzüge des neuen Huey-Lewis-Albums. Besser kann man die Banalität des Bösen nicht ins Bild rücken.

Sieht man sich den Film jetzt wieder an, bemerkt man voller Schauder, dass die einstigen „Masters of the Universe“ mehr denn je die Welt regieren, inklusive ihrer Ziehsöhne in diversen Buberlpartien. Donald Trump, den Patrick Bateman als Business-Vorbild anhimmelt, sitzt in einer zentralen Position am Machthebel. Tom Cruise, in den 80ies aalglatte Identifikationsfläche für Millionen Männer und Lieblingsschauspieler des Serienkillers, ist noch immer ein Star.

Schnell realisiert man bei der Betrachtung, dass unser Waren- und Bedürfnisuniversum seit der Decade of Greed noch massiver angewachsen ist. Was damals hochexklusiver Besitz von Bateman & Co war - von Sushi und Peelingmaske bis zu Home-Fitnessgerätschaften - ist heute stinknormales Middle-class-Konsumgut. Der Yuppie als Gesellschaftsmodell hat bestens überlebt, oft getarnter, gefinkelter, noch fieser.

Christian Bale als Patrick Bateman liegt rauchend auf einem Sofa und grinst

Koch Media

Als der Abspann läuft und der obligate Blick in die Internet Movie Database folgt, bleibt noch eine nachdenklich machende Tatsache zurück: Mary Harron hat nach dem umstrittenen Kinostart von „American Psycho“ kaum mehr fürs Kino gearbeitet. Sie inszenierte stattdessen etliche Episoden von Fernsehserien, um beruflich nicht unterzugehen. 2018 veröffentlichte sie den Film „Charlie Says“ - und dekonstruiert darin einen anderen Killermythos, den um die Manson Family. Aber das ist eine andere Geschichte.

FM4 Filmpodcast

Im FM4 Sommerprogramm immer dienstags von 21 bis 22 Uhr auf Radio FM4, im FM4 Player und als FM4 Podcast.

Diese Woche: Zwei American Psychos feiern Jubiläum
Bates und Bateman: Im neuen FM4 Film Podcast plaudern Pia Reiser, Christian Fuchs und Philipp Emberger über „Psycho“ (1960) und „American Psycho“ (2000). Beide Filme feiern heuer ein Jubiläum, beide sind ikonisch und nähern sich dem Thema Serienkiller auf gänzlich unterschiedliche Weisen. Es spritzt Kunstblut, unter der Dusche und im Designer-Apartment.

Aktuell: