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Graphic Novel Die Bombe Leseproben

Carlsen Verlag / Alcante und Laurent-Frédéric Bollée

Graphic Novel

Ein Schatten in Hiroshima

Vor 75 Jahren haben die USA zwei Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfen. Die Graphic Novel „Die Bombe“ zeigt akribisch recherchiert die Ereignisse, die zur Katastrophe geführt haben.

Von Paul Pant

Am 6. August 1945 um 8:15 Uhr bleiben die Uhren stehen in Hiroshima. Von einem Menschen, der auf den Steinstufen einer Bank sitzt, bleibt nur ein Schatten übrig. Sein Umriss wird durch die enorme Hitze eingebrannt. In 250 Meter Entfernung ist die erste Atombombe über bewohntem Gebiet gezündet worden. Diese zwei Stufen, die stehengebliebene Armbanduhr, das zerbeulte Dreirad eines Kindes, das alles sind Überreste, die man im Friedensmuseum in Hiroshima findet.

Diese Bilder und Eindrücke haben Didier Alcante schockiert und nicht mehr losgelassen. Der belgische Comicautor hat das Museum als 11-Jähriger das erste Mal besucht. Damals hat er wenig über den 2. Weltkrieg und die Atombombenabwürfe gewusst. Japan war für ihn ein Sehnsuchtsort ohne Schatten. Sein Schulfreund Kazuo Morimoto hat mit seiner Familie dort gelebt. Nach dem Museumsbesuch hat sich das verändert und Didier Alcante ist von zwei Fragen „besessen gewesen“, schreibt er im Nachwort von „Die Bombe“. Wie hat es zum Einsatz der Atomwaffen auf Hiroshima und Nagasaki kommen können. Und: Wer ist der Mensch vor dem Schatten gewesen?

Graphic Novel Die Bombe Leseproben

Carlsen Verlag / Alcante und Laurent-Frédéric Bollée

Fast 40 Jahre später hat sich Didier Alcante diese Fragen in seiner Graphic Novel zu einem guten Stück selbst beantwortet. Für das Mammutprojekt hat er den Autor Laurent-Frederic Bollée und den Zeichner Denis Rodier begeistern können. Insgesamt vier Jahre haben die Drei in Belgien, Frankreich und Kanada an dem Projekt gearbeitet. Vom Endpunkt der Geschichte – der Schatten auf den Stufen – haben sie in einer akribischen Recherche den Wettlauf um die Entwicklung der Atombombe rekonstruiert. Dabei wollten sie gewissermaßen „eine objektive Liste der Ereignisse erstellen“ , die zum Abwurf der Atombomben geführt haben. Mit der historischen Faktentreue und dem dichten Detailwissen nehmen sie eine umfassende Perspektive ein, die zeigt, wie die Welt unausweichlich auf den atomaren Massenmord zugesteuert ist.

Graphic Novel Die Bombe Leseproben

Carlsen Verlag / Alcante und Laurent-Frédéric Bollée

Der Wettlauf zur Atombombe wird durch die Geschichte der Wissenschaftler, Militärs und Politiker gezeigt. Die Schauplätze sind auf der ganzen Welt verteilt: in den USA, Nazi-Deutschland, Russland, Norwegen, Tschechoslowakei, Belgisch Kongo, Japan und viele mehr. Dort, wo die Geschichtsbücher keine Spuren hinterlassen haben, tritt die fiktive Familie Morimoto aus Hiroshima in Erscheinung. Stellvertretend für die 200.000 Opfer wird ihre Geschichte im Krieg erzählt. Die Gesichter der Familie leiht sich Didier Alcante bei der Familie seines Schulfreundes.

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Carlsen Verlag / Alcante und Laurent-Frédéric Bollée

„Die Bombe“ von Didier Alcante, Laurent-Frédéric Bollée und Denis Rodier ist im Carlsen-Verlag erschienen, in der Übersetzung von Ulrich Pröfrock.

Auch das Uran, der zentrale Rohstoff der Atombomben, kommt zu Wort. Als eigenwilliger Erzähler tritt das Metall auf, das Bindeglied in der Kettenreaktion zur Katastrophe. Mit diesen beiden fiktionalen Erzählsträngen wird auch die Faktendichte aufgebrochen, die bei diesen rund 450 Seiten Werk die LeserInnen durchaus herausfordert.

Der Schrecken in schwarz-weiß

Erdrückend wird „Die Bombe“ erst, wenn die Schwarz-Weiß-Bilder ohne Sprechblasen und Informationen sprechen. Während die US-Militärs den erfolgreichen Abwurf der Atombombe feiern, werden in Hiroshima Massengräber mit verkohlten, entstellten Leichen gefüllt. Die Bilder von Denis Rodier zeigen eindringlich den Schrecken und den grausamen Tod im Ground Zero. Sie zeigen das entsetzliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit, das bis heute verklärt wird mit der These, den Krieg schneller und mit „weniger Opfern“ beendet zu haben. Didier Alcante, Laurent-Frederic Bollée und Denis Rodier vermeiden aber einseitige Schuldzuweisungen. Sie zeigen die Fratzen und Verbrechen des Krieges auf allen Seiten. Die Bombe ist eine eindrucksvolle Chronik, wohin atomares Aufrüsten führt.

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