FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Kondom auf Kaktus auf rotem Untergrund

Unsplash / Benedikt Geyer / CC0

Was ist los bei der HIV-Prävention?

Kein Life Ball mehr und weniger finanzielle Mittel für Prävention: Der Kampf gegen HIV scheint in Österreich ins Hintertreffen zu geraten.

Von Ambra Schuster

In Österreich leben derzeit rund 12.000 bis 15.000 HIV-positive Menschen. Jährlich werden 400 bis 500 Neuinfektionen diagnostiziert. 2019 waren es mit 430 neuen HIV-Infektionen (Quelle: Jahresbericht des Zentrums für Virologie der Med Uni Wien), immerhin 33 Fälle mehr als noch 2018.

Mögliche Streichung von Präventions-Geldern

Trotz konstanter bis im Vorjahr leicht steigender Infektionszahlen scheint der Kampf gegen Aids nicht mehr ausreichend im Fokus zu stehen. Finanziell wurde bei der Aids-Prävention in den letzten Jahren eher zurückgeschraubt als aufgestockt. So wollte der Dachverband der Sozialversicherungsträger Ende Juni die Förderung für Präventions-Projekte der Österreichischen Aids Hilfe streichen. Der Grund: Die Aids Hilfe habe heuer keine Projekte eingereicht. Die zur Verfügung stehenden Mittel für Präventionsmaßnahmen würden daher für andere Projekte verwendet. Birgit Leichsenring, die Leiterin der medizinischen Information der Aids Hilfe Österreich, spricht von einem Kommunikationsproblem. Man stehe trotz der Wirren der letzten Sitzung in gutem Austausch mit dem Dachverband der Sozialversicherungsträger.

Bisher gibt es keinen endgültigen Beschluss über das Budget, das Thema wird Mitte September nochmals behandelt. Bei der Aids Hilfe ist man aber optimistisch, dass auch heuer Projekte in Kooperation mit der Sozialversicherung umgesetzt werden. Und auch aus dem Gesundheitsministerium heißt es, man sei zuversichtlich, „gemeinsam bis zur nächsten Sitzung der Konferenz des Dachverbandes im September 2020 eine der Bedeutung der Angelegenheit gerecht werdende Lösung finden zu können“.

„Eine HIV-Therapie kommt im Schnitt pro Monat auf 1.500 Euro, die Schwankungen bei den Kosten sind aber groß.“

Zwar ist der Hauptfördergeber der Aids Hilfe-Vereine das Gesundheitsministerium, und der Betrag somit nicht lebensnotwendig. Gerade bei zielgruppenspezifische Projekte brauche es aber zusätzliche Kooperationspartner. Auch sind die 50.000 Euro, um die es hier geht, in Relation zu einer möglichen Folgeerkrankung und -Behandlung sehr wenig Geld. „Eine HIV-Therapie kommt im Schnitt pro Monat auf 1.500 Euro, die Schwankungen bei den Kosten sind aber groß“, sagt Birgit Leichsenring.

HIV-Tests sind nicht Teil von Vorsorge-Untersuchungen

Der Vorfall ist bezeichnend für den aktuellen Trend: Sowohl das Gesundheitsministerium als auch der Dachverband der Sozialversicherungsträger betonen die Wichtigkeit einer sinnvollen HIV-Prävention und spielen sich in schriftlichen Statements gegenseitig den Ball zu. Gleichzeitig werden Mittel in den letzten Jahren eher zurückgeschraubt als aufgestockt. Auch HIV-Tests werden nicht von vornherein von der Krankenkasse bezahlt und sind nicht Teil von Vorsorgeuntersuchungen. HIV sei schließlich keine Volkskrankheit und „allgemeine Vorsorgeuntersuchung hätten nicht zum Ziel, spezielle Maßnahmen für Risikogruppen umzusetzen“, so der Dachverband der Sozialversicherungsträger. Zu den HIV-Risikogruppen zählen für den Dachverband:

  • Männer, die Sex mit Männern (MSM) haben, mit Sexualpartnern, die HIV-infiziert sind oder unbekannten Serostatus haben
  • Drogenkonsument*innen
  • Personen, die Sex gegen Geld oder Drogen austauschen
  • Sexualpartner*innen von Personen, die HIV-infiziert, bisexuell sind oder Drogen injizieren
  • Personen, die Sex mit Partner*innen haben, deren HIV-Status unbekannt ist

Für sie ist der Test auch kostenlos zu bekommen.

„Es kommt mir schon so vor, dass es in allen Bereichen, die HIV und sexuelle Gesundheit betreffen, schwieriger wird." - Birgit Leichenring, Aids Hilfe Österreich

Der Kampf gegen HIV und andere sexuell übertragbare Krankheiten scheint nicht mehr oberste Priorität zu sein. Den Grund sieht die Mikrobiologin und Virologin Birgit Leichensring in den Therapieerfolgen. Mittlerweile ist HIV so gut behandelbar, dass eine Aids-Diagnose - zumindest in westlichen Ländern - kein Todesurteil mehr ist. Mit der Angst vor dem Tod schwindet auch die Aufmerksamkeit für das Thema. Kondom-Alternativen wie PreP und PEP, wo je vor oder nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr Medikamente zur HIV-Abwehr eingenommen werden, lassen zusätzlich leichtsinnig werden. PreP und PEP funktionieren und sind international anerkannt, schützen aber nicht vor anderen sexuell übertragbaren Krankheiten.

HIV Schleife vor dem österreichischen Parlament zum Welt-Aids-Tag 2019

AFP PHOTO / JOE KLAMAR

HIV Awareness Schleife vor dem österreichischen Parlament zum Welt-AIDS-Tag 2019

Schwindende Aufmerksamkeit

Auch der Life Ball hat eine große Lücke hinterlassen. Nicht nur als größter privater Spender der Aids Hilfe sondern vor allem, was die Aufmerksamkeit und mediale Präsenz des Themas betrifft.

Genau diese Aufmerksamkeit bräuchte es aber weiter. Aids ist im Gegensatz zu anderen Krankheiten - wie etwa Corona - nach wie vor nicht heilbar. HIV-positive Menschen müssen mit erheblichen, chronischen Einschränkungen leben. Apropos Corona – die Krise macht HIV-positiven Menschen zusätzlich zu schaffen. Nach anfänglicher Sorge um Medikamenten-Knappheit können viele ihre behandelnden Ärzt*innen nach wie vor nur eingeschränkt aufsuchen.

„Diskriminierung ist im Alltag ein größeres Problem als die Infektion selbst.“

Nicht nur in Krankheitsprävention, auch beim Thema Diskriminierung müsse man dringend in Aufklärung investieren, sagt Leichsenring. Nach wie vor erleben HIV-positive Menschen Ungleichbehandlung, Ausgrenzung und werden stigmatisiert. „Das ist im Lebensalltag ein größeres Problem als die Infektion selbst“, so Leichsenring.

Corona bremst internationalen Kampf gegen Aids

Nach 35 Jahren Aids-Forschung weiß man, dass es möglich wäre, die Aids-Epidemie zu beenden. Dafür müsste aber jetzt weiter und auf allen Ebenen investieren werden. Die Weltgemeinschaft wollte die Aids-Epidemie bis 2030 eigentlich beenden, aber die Zeichen stehen schlecht. Schon vor der Coronavirus-Krise waren viele Länder nicht auf der Zielgeraden, berichtete das Programm der Vereinten Nationen für HIV/Aids (UnAIDS) zum Auftakt der Welt-Aids-Konferenz im Juli.

Die Pandemie verschärft die Lage weiter. Menschen konnten in vielen Ländern nicht zur Behandlung in’s Krankenhaus gehen. Die Polizei habe mancherorts Corona-Verordnungen genutzt, um gegen Randgruppen der Bevölkerung wie Sexarbeiter vorzugehen, die besonders HIV-gefährdet sind. Wenn die Behandlung mit antiretroviraler Therapie nur für 20 Prozent der HIV-Infizierten für sechs Monate unterbrochen werde, führe das zu 110.000 zusätzlichen Todesfällen, so UnAIDS.

mehr Politik:

Aktuell: