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Der Schriftsteller Benjamin Quaderer

Luchterhand Literaturverlag/ Jens Oellermann

„Für immer die Alpen“ setzt Liechtenstein ein literarisches Denkmal

Das Debüt des Liechtensteiners Benjamin Quaderer ist ein ambitionierter Hochstapler-Roman, in dem es um geheime Bankdaten, Steuerflucht und krumme Deals geht.

Von Felix Diewald

Österreich hat acht Nachbarländer. Eines, das gerne einmal vergessen wird, ist Liechtenstein. Das kleine Fürstentum zwischen Vorarlberg und der Schweiz ist nur knapp 25 Kilometer lang und maximal zwölf Kilometer breit, also einer der kleinsten Staaten der Erde. Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurde die abgelegene, bäuerliche Region zu einem sehr wohlhabenden Land. Auch dank eines lange Zeit sehr strengen Bankgeheimnisses. Der junge Schrifsteller Benjamin Quaderer hat jetzt sein erstes Buch über die jüngere Geschichte seines Landes geschrieben. „Für immer die Alpen“ beginnt scheinbar wie ein billiger Thriller aus der Bahnhofstrafik:

Mein Name war einmal Johann Kaiser. Wahrscheinlich haben Sie von mir gehört. Ich bin vierundfünfzig Jahre alt, vom Sternzeichen Widder und lebe unter neuer Identität an einem Ort, von dem ich zu meinem eigenen Schutz nicht erzählen darf.

Das Buch "Für immer Alpen"

Luchterhand Literaturverlag

„Für immer die Alpen“ von Benjamin Quaderer hat 592 Seiten und ist im Luchterhand Verlag erschienen.

Der Roman basiert auf einer wahren Geschichte: Der Liechtensteiner Bankmitarbeiter Heinrich Kieber soll vor einigen Jahren den deutschen Behörden die Daten von Steuerhinterzieher*innen verkauft haben und seitdem in einem deutschen Zeugenschutzprogramm untergetaucht sein.

Stilistisch außergewöhnliches Debüt

Benjamin Quaderer nimmt dieses einschneidende Ereignis als Grundlage für seinen Hochstapler-Roman. Der Steuer-Informant wird im Buch als Johann Kaiser verfremdet und erzählt uns seine ganze Lebensgeschichte. „Für immer die Alpen“, das wird schon bald klar, ist aber kein 08/15-Krimi, sondern ein stilistisch außergewöhnliches Debüt.

Da ist gleich einmal der gute Kniff, dass uns Protagonist Johann Kaiser sein Leben aus der Ego-Shooter-Perspektive zeigt. Und zwar vom Moment seiner Geburt an. Es ist ein merkwürdig allwissender Erzähler, der schon als Baby und Kleinkind denken kann wie ein gebildeter Erwachsener und sich moralisch-philosophische Fragen stellt.

In der Mitte des Raumes stand ein von Holzstäben umgebenes Bett, die mir bis an die Decke zu ragen schienen. (...) Es war wie in Platons Höhlengleichnis. Während die wirkliche Welt in allen erdenklichen Farben außerhalb meines Zimmers blühte, blieb mir, dem im Gitterbett gefangenen Menschen, nichts anderes übrig, als mich mit ihren Abbildern zu begnügen.

Benjamin Quaderer, 30, hat in Hildesheim und Wien Literarisches Schreiben studiert. Das merkt man dem Buch an. Immer wieder spielt der Autor mit Referenzen und Erzählformen. „Für immer die Alpen“ hat dieselbe ausufernde, abschweifende Erzählhaltung wie Thomas Mann im Hochstapler-Klassiker „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“. Und überall im Buch sind Fußnoten wie bei David Foster Wallace.

Liechtensteins Staatsfeind Nummer 1

In „Für immer die Alpen“ sind wir dabei, wie sich Johann Kaiser von klein auf durch sein, in jeder Hinsicht außergewöhnliches Leben schummelt. Er betrügt, bescheißt, spielt mit der Welt und wird schließlich zum Liechtensteiner Staatsfeind Nummer 1, und trotzdem sympathisiert man über die ganzen 592 Seiten mit dem widersprüchlichen Protagonisten, der nie so recht seinen Platz findet.

Geniale Ideen, aber über-amibitioniert

„Für immer die Alpen“ ist anstrengend zu lesen. Immer wieder bricht Benjamin Quaderer mit seinem Erzählstil, baut irgendwann sogar eine zweite Handlung auf, die im Buch dann daneben in roter Schrift verläuft. Es gibt eine Meta-Ebene, in der eine Figur eine Geschichte über die Geschichte im Buch schreibt. Immer wieder sind auch Stellen geschwärzt - es handelt sich hier ja um Geheimdokumente. Das kann man alles machen, das sind schöne Tricks. Nur hätte die Erzählung ruhig ein paar Finten und auch zweihundert Seiten weniger vertragen - das Debüt hätte mehr Wucht gehabt. So aber wirkt „Für immer die Alpen“ ein bisschen wie das über-ambitionierte Erstlingswerk eines jungen Autors, der gleich zu Beginn zeigen wollte, was er alles kann. Und er hat ja auch wirklich ordentlich was drauf!

Man kann sich angesichts dieses vor genialen Einfällen nur so strotzenden Buches schon jetzt darauf freuen, was dieser Benjamin Quaderer aus Liechtenstein in Zukunft noch alles so schreiben wird.

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