„Alle Anderen“: Sardinien-Urlaub auf die schirche Tour
Wie schütter Lars Eidingers Haar schon damals war, ist mir gar nicht aufgefallen. Wie hartnäckig Birgit Minichmayr die Gemeinheit, die Untiefe, die Verletzlichkeit ihrer Filmfigur auskostet, auch nicht.
In der „Sunscreen“-Serie stellen wir die Lieblings-Sommerfilme der FM4 Filmredaktion vor.
Aber woran ich mich noch genau erinnere, ist die unglaubliche Hässlichkeit der Innenausstattung dieses Ferienhauses in Sardinien, in dem Gitti und Chris ihren Sommerurlaub verbringen. Es ist das Haus von Chris Mutter, ein mit lokaler Kitschkeramik vollgestopfter Bungalow, lauter Zeug, das niemand braucht. Aber wer hier deplatziert ist, der Verzierungs-Unrat oder das junge, knackige Paar, lässt sich nicht vorschnell beantworten. Dafür, unter anderem, gehört „alle anderen“ noch immer zu einem der, vielleicht nicht schönsten, aber ehrlichsten Sommerurlaubs-Beziehungs-filme.
Prokino Filmverleih
Urlaub endet im Beziehungskampf
Die Urlaubsvorstellungen divergieren: Gitti tendiert zu Sex und Disco, Chris eher zu Lesen und Wandern. Aber mit den gemeinsam etablierten Ritualen, Albernheiten, Sticheleien geht sich das noch irgendwie aus. Es ist die Begegnung mit einem anderen, in Beruf, Urlaub und Liebe scheinbar erfolgreicher agierenden Paar, die Gitti und Chris umhaut. Dieses andere Paar lebt eine moderne Version des versorgenden Mannes und der umsorgenden Frau, Gitti und Chris können mit diesen Rollen nichts anfangen, das Modell wir-machens-anders steht allerdings auf den äusserst wackligen Beinen des andauernden Vergleichs.
Es entbrennt ein Beziehungskampf, in dem man dem anderen gegenüber nie großzügig sein darf, nichts gönnen kann, immer eine (Anti-)Rolle spielen muss.
Prokino Filmverleih
„alle anderen“ spielt zwar auf Sardinien, das Meer sieht man aber kaum. Und das jung verhärmte Paar geht auch nie schwimmen. Es ist zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Drehbuchautorin und Regisseurin Maren Ade seziert genüsslich den harten Aufprall einer Paarbeziehung in der täglich 24 Stunden dauernden Urlaubsleere, die erst mit Leben – und vor allem Erleben – gefüllt werden will. Die Sonne leuchtet hier alles aus, was hässlich ist an Urlaub: die Hitze, die Langeweile, das Nichts-Tun. Und zeigt, nebenbei, wie vermüllt das von türkisem Meer umspülte Sardinien abseits der Traumstrände ist.
Publiziert am 08.08.2020