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Metamorphosis

Ovid Works

Kafka spielen

Das First-Person-Adventure „Metamorphosis“ mixt Kafka-Versatzstücke zu einem etwas zu unterhaltsamen Trip in die Hochliteratur.

Von Rainer Sigl

Videospiele zur Hochliteratur - das gab’s bislang so gut wie gar nicht. Das soeben erschienene Game „Metamorphosis“ ist die Ausnahme, denn das widmet sich keinem Geringeren als Franz Kafka. In diesem First-Person-Abenteuer mit Puzzles und Geschicklichkeitselementen bin ich als Gregor Samsa aus Kafkas berühmtester Erzählung „Die Verwandlung“ plötzlich kein Mensch mehr, sondern wurde scheinbar grundlos in einen Käfer verwandelt - und zwar nicht in einen riesigen, wie im Original, sondern in einen insektengroßen.

Abgesehen von der Ausgangssituation ähnelt „Metamorphosis“ aber eher einem weiteren berühmten Kafka-Werk, denn ich krabble durch die Wohnung eines anderen Kafka-Helden: Josef K., die Hauptfigur des Romans „Der Prozess“, ist hier mein Freund, dem ich in Insektengestalt beim Kampf gegen die Mühlen der Bürokratie beistehe.

Krabbeln gegen den Prozess

Die Menschen, die hier wie wahre Riesen herumstehen und sich unterhalten, nehmen in „Metamorphosis“ kaum Notiz von mir, und so verbringe ich viel Zeit damit, mir Wege über Regale, durch Schubladen, hinter Wandverkleidungen und durch zunehmend bizarr werdende Örtlichkeiten im Miniaturformat zu suchen, um die Geschichte voranzubringen und vielleicht wieder meine menschliche Gestalt zurückzuerhalten.

„Metamorphosis“, entwickelt von Ovid Works und vertrieben von All In Games, ist für Windows, PS4, Xbox One und Nintendo Switch erschienen.

Das Drama um den Prozess, der gegen Josef K. seinen surreal-fatalistischen Verlauf nimmt, bildet dabei den Hintergrund, ich selbst bin im kleineren Maßstab mit meiner eigenen Odyssee durch eine seltsame Insektenhalbwelt beschäftigt. Dabei wird viel gekrabbelt, geklettert und das eine oder andere kleine Rätsel gelöst. Dank klebriger Flüssigkeiten darf ich dabei auch käfertypisch kurzzeitig die Wände hochlaufen.

Metamorphosis

Ovid Works

Kafka light

„Metamorphosis“ ist ein charmantes Spiel, doch das ist zugleich seine größte Schwäche: Für ein Spiel, das sich ausgerechnet den düsteren, surrealen Literaten Kafka als Vorbild gewählt hat, ist es trotz aller inhaltlichen Anleihen leider zu fröhlich, hin und wieder sogar etwas albern und schlussendlich eher ein Potpourri aus Kafka-Klischees denn ernsthafte Hommage - ein Problem, das im Jahr 2018 auch das „Franz Kafka Videogame“ nicht lösen konnte.

Als Versuch, anspruchsvolle Literatur in Spielform zu bringen, scheitert „Metamorphosis“ ironischerweise an seiner Unterhaltsamkeit. Wer nicht mehr als ein solides Action-Adventure mit surrealem Kafka-Flair erwartet, wird trotzdem ganz gut unterhalten.

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