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Mörderisches Treiben am Crusingplatz in „Der Fremde am See“

Urlaub mit den Lieblings-Sommerfilmen der FM4 Filmredaktion. Mit „Der Fremde am See“ geht es an einen französischen Badesee. Dort inszeniert Regisseur Alain Guiraudie einen packenden Erotik-Thriller in einer traumhaften Kulisse.

Von Philipp Emberger

Der türkisgrüne See ist wie in die französische Landschaft gemalt und glitzert unter der prallen Sonne während die Bäume des angrenzenden Waldstückes im Wind wehen. Abgeschieden von der Welt ist der See der ideale Cruisingspot für schwule Männer. Sie treffen sich hier um die Minuten zwischen den sommerlichen Schwimmrunden mit Sex zu füllen – oder andersrum. Bei den Filmfestspielen in Cannes hat der Film 2013 seine Premiere gefeiert und die Queer Palm gewonnen.

FM4 Sun Screen - Die schönsten Sommerfilme

Den ganzen Sommer lang stellt die FM4 Filmredaktion Filme vor, in denen der Sommer besonders schön inszeniert wird – oder in denen der Sommer eine essentielle Rolle spielt.

„Der Fremde am See“ (L’inconnu du lac) erzählt die Geschichte von Feschak Franck (Pierre Deladonchamps), der diesen Sommer zum ersten Mal am See ist. Auf dem Cruisingplatz trifft er den stets abseits sitzenden Holzfäller Henri (Patrick d’Assumçao). Bald entwickelt sich eine Freundschaft zwischen dem eigenbrötlerischen Henri und Franck. Die Gespräche der beiden über die riesengroßen Welse im See enden aber meist abrupt. Franck hat ein Auge auf den schnauzbärtigen Michel (Christophe Paou) geworfen, der locker jeden Columbo Lookalike-Contest gewinnen würde. Selbst als Henri seinen neuen Freund vor dem Mann warnt, ist die Begierde in Franck größer und er kommt ihm näher. Selbst als Franck beobachtet, wie Michel seinen bisherigen Toyboy im See ertränkt, schmälert das Francks Leidenschaft nicht.

Der Fremde am See Shot aus dem Film 2

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Regisseur Alain Guiraudie zeigt das sexuelle Treiben der Männer am Badesee sehr deutlich und explizit. Die Pornographie steht dabei aber nie im Vordergrund. Die sexuellen Handlungen dienen Guiraudie dazu, um das Beziehungskontrukt der Protagonisten zu verdeutlichen. Hin- und hergerissen zwischen Begierde und Angst spielt Pierre Deladonchamps den verliebten Franck. Als Zuseher*in beobachtet man zwischen den Büschen das mörderische Treiben auf dem Cruisingort und wird selbst zum Voyeur. Denn „Der Fremde am See“ ist auch ein Film über Blicke. Manchmal sind es versteckte Blicke, manchmal ganz Offene.

Lust, Leidenschaft, Leid

Der minimalistische Erotikthriller ist ein Film der starken Emotionen: Lust, Leidenschaft, Leid. Der nüchterne und dokumentarische Filmstil steht dazu in starkem Kontrast. Der ganze Film kommt ohne Musik aus. Die Töne kommen alle natürlich daher - vom Rauschen des Wassers oder vom wehenden Wind. Guiraudie erkundet eingebettet in die wunderschöne Sommerlandschaft, wie menschliche Identität definiert wird. Dafür spielt Guiraudie mit Nähe und Distanz. Die Kameraführung pendelt zwischen größtmöglicher Distanz zu den Protagonisten und einem sehr subjektiven und nahbaren Blick. Ein Ausdruck für das komplexe Miteinander der Männer.

Der Fremde am See Shot aus dem Film 3

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Gleichzeitig wirft „Der Fremde am See“ die Frage auf, wer denn überhaupt der Fremde am See ist. Die Männer, die hier zwischen den Büschen miteinander intim werden, kennen sich in den meisten Fällen kaum. Für Mitglieder dieser Community wirkt das wie das normalste auf der Welt, Außenstehende bringen dafür oft wenig Verständnis auf. In der „Der Fremde am See“ gilt das für den ermittelnden Inspektor, der den Mord an Michels Ex-Lover untersucht. Während er die Männer befragt, stellt er ihre Riten und die Art der Kommunikation miteinander infrage.

Guiraudie hat mit dem Film 2013 in Cannes den Preis für die beste Regie gewonnen. Mehr als verdient. Nebenbei macht er mit „Der Fremde am See“ auch Lust auf einen französischen See. Dann aber vielleicht ohne Mord.

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