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Vom Twitter-Vers zum Bestseller-Roman: Ilona Hartmanns Debüt „Land in Sicht“

In ihrem Debütroman „Land in Sicht“ kombiniert Ilona Hartmann scharfsinnige Wortspielereien mit der Problematik einer schwierigen Vater-Tochter-Beziehung. Und lässt die Protagonist*innen ihre Kämpfe auf einem Donaukreuzfahrtschiff ausfechten.

Von Michaela Pichler

Vom Twitter-Vers zum Bestseller-Roman: So könnte man die Karriere der Autorin Ilona Hartmann beschreiben. In der deutschsprachigen Twitterbubble ist sie bisher unter „@zirkuspony“ für ihren Internethumor bekannt gewesen. Jetzt hat die Stuttgarterin ihren ersten Roman „Land in Sicht“ veröffentlicht, von dem Literatur-Kolleginnen wie Sibylle Berg und Charlotte Roche bereits Fans sind.

Land in Sicht - Cover

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Ilona Hartmanns Debütroman „Land in Sicht“ ist im Aufbau Verlag erschienen.

Als die vierundzwanzig-jährige Wahlberlinerin Jana Bühler eine Donaukreuzfahrt bucht, hat sie einen genauen Plan für die Reise von Passau nach Wien: Im Roman „Land in Sicht“ will die Ich-Erzählerin Jana dem Vater, den sie nie kennen gelernt hat, das erste Mal gegenübertreten. Denn ihr Vater Milan Blažek arbeitet als Kapitän auf dem Donaudampfer MS Mozart. Seit Jana davon weiß, schmiedet sie ihren Plan, borgt sich bei ihren Großeltern unter mehreren Vorwänden Geld und meldet sich für die achttägige Schiffsreise an. „Ich könnte ein ruhiges Leben führen und einen weiteren entspannten Sommer erleben und danach noch viele mehr. Stattdessen will ich, muss ich mich auf diesen Trip begeben. Einen, von dem ich entweder mit einem Vater zurückkomme oder mit der größten Enttäuschung meines Lebens.

Idealvorstellungen von Schiffen und Vätern

Über die vaterlosen Jahre hat Jana ein seltsames Idealbild ihres Vaters im Kopf entwickelt, ein Mischmasch aus allen Vätern ihrer Freundinnen. Väter müssen dementsprechend viel Zeitung lesen, immer einen Gürtel tragen und leiden öfters an Haarausfall. Janas Mutter war dabei keine große Hilfe, wenn es um Informationen über Janas Erzeuger ging. Wurde nach dem Vater gefragt, in der Schule oder bei Konzerten in der Musikschule, hat die Mutter immer mit der Floskel „Unter ferner liefen“ geantwortet. Als Kind hielt Jana diesen Ausdruck für einen Ortsnamen.

„Unterfernerliefen“. Da wohnte mein Vater, vermutlich zusammen mit allen möglichen anderen Vätern. Seine Hauptaufgabe war, sich nicht zu melden. Unter gar keinen Umständen."

Die Autorin Ilona Hartmann wählt für die Familiengeschichte einen ungewöhnlichen Schauplatz: Das Kreuzfahrtschiff MS Mozart hat wenig zu tun mit dem Prunk und Protz eines Traumschiffes, das durch die Karibik schippert. Stattdessen gibt es billigen Alkohol und eine gar nicht so blaue Donau. Nur der Altersdurchschnitt scheint bei allen Kreuzfahrten ähnlich hoch zu sein, wie die Protagonistin und absolut jüngste Passagierin an Bord schnell feststellt.

„Nach und nach muss ich auf dieser Reise vieles loslassen. Die Vorstellungen von dem Kleidungsstil von Rentnern, die Erwartungen an eine All-Inclusive-Schiffsreise und das Idealbild von meinem Vater.“

Mitten zwischen Pensionist*innen, Abendbüffet und oberösterreichischen Anlegestellen versucht Jana Tag für Tag, ihren ganzen Mut aufzubringen und sich ihrem Vater erkennen zu geben. Sie hat sich auf diesen Augenblick vorbereitet, wochenlang, vielleicht sogar schon jahrelang. In ihrer Hosentasche bewahrt sie einen Zettel auf, mit all den Fragen, die sich in den Jahren angesammelt haben. Ganz oben natürlich die Gretchenfrage: Wo warst du? Jana hat sich auch extra dafür die Haare kurz rasiert (wie Natalie Portman in „V wie Vendetta“), damit der unbekannte Vater nicht sofort die Ähnlichkeiten zwischen ihnen erkennen kann. Doch in der Realität läuft natürlich alles ganz anders: Milan interpretiert das zaghafte Interesse von Jana und ihre Smalltalk-Gespräche falsch und möchte der jungen Passagierin lieber erstmal Drinks spendieren. Da möchte man auch als Leser*in lieber weglaufen.

„Blut ist dicker als Wasser, oder geht zumindest schwerer wieder raus“

Auf knapp 160 Seiten erzählt Ilona Hartmann in ihrem Debüt „Land in Sicht“ kurzweilig und mit viel Wortwitz die Geschichte einer suchenden Tochter. Damit nimmt die Autorin teilweise die Schwere, die sich zwischen den Zeilen in den Begegnungen mit dem unbekannten Vater abspielen. Ilona Hartmann kombiniert den Hauch einer Roadtrip-Sommerlektüre mit den Herausforderungen einer schwierigen Vater-Tochter-Beziehung, die zwischen Enttäuschung und Hoffnung hin und her schwankt - wie das Kreuzfahrtschiff auf der milchig-grünen Donau. Übrig bleibt nicht nur Gefühlschaos, sondern auch gute Unterhaltung.

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