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Damian Lillard von den Portland Trailblazers

APA/AFP/POOL/Kim KLEMENT

Die NBA streikt gegen Polizeigewalt

In der amerikanischen Basketball-Liga NBA, stehen wichtige Playoff-Spiele am Programm, doch gestern blieben die Felder leer. Die Teams verließen ihre Umkleidekabinen nicht, um gegen Polizeigewalt zu protestieren.

Von Ali Cem Deniz

Die Orlando Magic haben gestern vergebens auf ihre Kontrahenten gewartet. Die Milwaukee Bucks verließen ihre Kabine nicht. Die Mannschaft aus Wisconsin, jenem Bundesstaat, in dem die Polizei acht Mal auf Jacob Blake schoss, während seine Kinder mit ihm im Auto saßen, hatte beschlossen, das Spiel auszusetzen. Die NBA hat daraufhin alle Spiele des Abends verschoben.

Selten wurde in einer NBA-Saison so wenig gespielt, wie in diesem Jahr. Als die Saison im vergangenen Oktober begann, waren sich viele sicher, dass dieses Jahr große Sportgeschichte geschrieben wird. Über den Sommer hatten sich mehrere Superteams gebildet, es gab aufsehenerregende Spielerwechsel und nahezu alle Mannschaften wurden komplett durchgerüttelt. Doch kaum hatte die Saison Fahrt aufgenommen, schockierte Ende Jänner der Tod von NBA-Legende Kobe Bryant die wichtigste Basketball-Liga der Welt.

Als Reaktion auf Kobe Bryants Tod entschied sich die Liga das Stadtduell zwischen den Los Angeles Lakers und den Los Angeles Clippers am 27. Jänner zu verschieben. Die erste Verschiebung von vielen, die noch folgen sollten.

Zwangspause für die Liga

Zu dem Zeitpunkt ging der vollständige Lockdown der chinesischen Stadt Wuhan noch als kuriose Meldung durch die Medien. Nicht nur US-Präsident Donald Trump, sondern auch die meisten anderen Regierungen der Welt, erklärten, dass das neuartige Coronavirus keine besondere Gefahr darstellte.

LeBron James

APA/AFP/Frederic J. BROWN

In den USA änderte sich alles am 11. März als NBA-Spieler Rudy Gobert von den Utah Jazz wegen einer Krankheit auf die Verletztenliste genommen wurde, schon bald stellte sich heraus, dass er an Covid-19 erkrankt war. Die NBA sagte das Spiel der Utah Jazz gegen die Oklahoma Thunder kurzfristig ab, das Publikum, das im Stadion die Plätze schon eingenommen hatte, reagierte mit Buhrufen. Noch am selben Tag wurde die komplette Liga stillgelegt.

Die Zwangspause der NBA löste einen Dominoeffekt aus, auch andere Ligen, in denen noch keine Corona-Fälle bekannt war, stellten den Betrieb ein. Zum ersten Mal in der Geschichte der sportvernarrten USA gab es keine Live-Spiele mehr im Sportfernsehen und es war klar, dass die Ankunft des Coronavirus auch die Vereinigten Staaten massiv verändern wird.

Black Lives Matter

In den folgenden Wochen verzichteten die Mannschaften sogar auf Trainings. Alle Spieler bekamen von ihren Mannschaften strenge Vorgaben und durften ihre Wohnungen nicht verlassen. Gleichzeitig arbeitete die NBA heimlich an einem spektakulären Neustart der Saison. Die Liga einigte sich mit Disney World in Orlando auf ein Experiment. Die Teams sollten für ein paar Monate in Disney World einziehen und dort abgeschirmt von der Außenwelt die Saison zu Ende spielen.

Was zuerst wie ein Drehbuch für einen halblustigen Disney-Film klang, nahm mit jeder Woche immer konkretere Züge an. Spieler, die zuerst skeptisch waren, äußerten sich positiv und vor allem der größte NBA-Star LeBron James sprach sich für die Fortsetzung aus. Doch dann wurde am 25. Mai in Minneapolis George Floyd bei einer gewaltsamen Festnahme getötet. Trotz Lockdown kam es in fast allen US-Bundesstaaten zu massiven Protesten und immer mehr NBA-Spieler unterstützten über Social Media die Demos. Kyrie Irving von den Brooklyn Nets hielt eine Konferenz mit anderen Spielern und forderte sie auf, den Disney-Plan zu verwerfen und die Saison ganz abzubrechen.

Die Liga wird politisch

In den letzten Jahren engagieren sich immer mehr NBA-Spieler bei der Black Lives Matter Bewegung. Als 2014 der asthmakrane Eric Garner bei seiner Festnahme erstickt wurde, trugen einige Spieler T-Shirts mit dem Spruch „I can’t breathe“. Ein Jahr später kam der 25-Jährige Freddie Gray in Baltimore nach seiner Festnahme in einem Polizeiauto ums Leben. NBA-Star Carmello Anthony, der selbst aus der Stadt stammt, nahm daraufhin an Protesten teil.

Protest in den USA

APA/AFP/KAMIL KRZACZYNSKI

Mit jedem neuen Fall von Polizeigewalt wurde die Zahl der Spieler, die nicht nur mit ihren athletischen Leistungen von sich Reden lassen, sondern auch mit ihren politischen Botschaften, immer größer. Dabei stießen die Spieler nicht nur auf Unterstützung. Mit ihrer Haltung gegen Polizeigewalt machten sich viele NBA-Spieler zur Zielscheibe für Kommentatoren von Fox News.

Auch mit dem Präsidenten legten sich die Basketball-Teams an. Normalerweise werden die Champions ins Weiße Haus eingeladen, doch nachdem US-Präsident Donald Trump den Football-Spieler Colin Kapaernick für seinen Protest gegen Rassismus heftig attackierte, wurde 2017 der traditionelle White House Trip der NBA-Meister Golden State Warriors zum ersten Mal abgesagt.

Eine neue NBA

Bisher haben die Eigentümer*innen der NBA-Mannschaften, im Gegensatz zur Football-Liga NFL, den Protest der Spieler geduldet. Die Liga hat den Protest sogar in ihre Marketingstrategie aufgenommen und Spielern erlaubt, bestimmte Botschaften wie „Equality“, „Justice“ oder „Vote“ auf ihre Trikots drucken zu lassen. Auf den Spielfeldern in Disney World wurde „Black Lives Matter“ aufgetragen.

Es wäre aber falsch, die NBA aufgrund der aktuellen Entwicklungen als einen utopischen Ort zu sehen, in dem sich spektakulärer Sport und wichtige politische Bewegungen vermischen. Als sich 1996 der NBA Spieler Mahmoud Abdul-Rauf, genau 20 Jahre vor Colin Kaepernick, weigerte, die US-Hymne, die vor jedem Spiel gesungen wird, mitzusingen, wurde er von der Liga gesperrt. Abdul-Rauf wollte, genauso wie Kaepernick gegen Rassismus protestieren. Schließlich akzeptierte die NBA, dass Abdul-Rauf bei der Hymne mit seinen Mannschaftskollegen steht, aber nicht mitsingt.

Fünf Jahre davor hatten Polizisten in Los Angeles Rodney King brutal verprügelt und misshandelt. Als 1992 die verantwortlichen Polizisten freigesprochen wurden kam es zu den Aufständen, die als 1992 Riots in die Geschichte eingingen. Die tagelangen Unruhen wurden mit dem Einsatz der Nationalgarde und des US-Militärs unterbunden. Während all das passierte, ging der NBA-Zirkus ganz normal weiter. Einzelne Spieler, die streiken und protestieren wollten, wurden von ihren Mannschaftskollegen ignoriert.

Die zunehmende Politisierung der NBA ist nicht nur einzelnen engagierten Spielern zu verdanken. Sie zeigt auch, dass die naive Vorstellung, dass Sport ein politikfreier Raum sein könnte, nicht mehr existiert.

Legendär ist der Spruch von NBA-Kommentator*innen bei besonders eindrucksvollen Dunks „If you don’t like that, you don’t like NBA baskebtall“. Heute kann man sagen, wer mit dem politischen Aktivismus der NBA Spieler nicht klarkommt, kann wohl kein großer Fan der Liga mehr sein.

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