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Bandfoto Nihils

Alina-Raducea Patricia-Narbon

Nihils: Elektro-Pop der uns daran erinnert, im Moment zu leben

Fotos, Videos und Begegnungen bei Reisen nach Australien, Bali und Portugal waren die Inspiration für die neue EP der Österreicher Nihils. Mit „Am/PM Pt.“ sind sie unser Soundpark Act des Monats September.

Von Andreas Gstettner-Brugger

Viele Menschen kennen das. Man träumt von einem anderen Leben, einem anderen Ort, wo alles besser ist. Und dabei vergisst man, die Ziele im Hier und Jetzt weiter zu verfolgen und jagt einer Traumvorstellung nach, die sich meist nie so verwirklichen lässt, wie wir es uns im Kopf vorstellen.

Diese Gefahr, sich und seine Ziele zu verlieren, hat die österreichische Band Nihils in einen schönen Elektro-Indie-Song verpackt. Der sanfte Gesang, die dahinfließenden Beats und Synthesizermelodien umhüllen einen, packen einen in Pop-Watte und trotz des träumerischen Gefühls, das der Song auslöst, ist es eine Warnung an uns, sich nicht in Illusionen zu verlieren.

„Lost in L.A.“ ist ein Song der neuen EP der Nihils, die dafür einen langen, gewundenen Weg gegangen sind.

Geteilte Erlebnisse werden zu Songs

Eigentlich stammen die drei Musiker Ramon Riezouw (Gesang, Gitarre), Thomas Lackner (Drums), Florian Nothegger (Gitarre) aus Tirol. 2014, als noch Dominik Brunner am Bass bei der Band war, haben die Nihils ihre Single „Help Our Souls“ veröffentlicht, die momentan über eine Million Klicks auf Youtube hat. Drei Jahre später landeten die Nihils mit der Nummer „Breathing“ einen unglaublich berührenden und dancigen Indie-Hit. Wieder perfekt produziert und arrangiert. Druckvoll, kräftig, ohne unnötige Schnörkel und mit sehr eingängigem, funkigem Soul-Flair im Refrain.

Mittlerweile ist das Trio in Berlin, hat auf Amerikas großem South By Southwest Festival gespielt, Shows für 30 Seconds To Mars eröffnet und gingen beharrlich einen Karriere-Schritt nach dem anderen. Dabei haben sich die Nihils jedoch immer genug Zeit gelassen, um ihren ganz eigenen Stil weiterzuentwickeln.

Cover der neuen EP "AM / PM" von Nihils

Nihils

Die neue EP „AM/PM Pt.1“ von der Band Nihils ist am 14.08.2020 erscheinen. Das schöne Cover ist ein Öl-Gemälde des britischen Malers Rex Southwick, das der Künstler für die Band gemacht hat.

Dazu hat auch gehört, sich Auszeiten zu nehmen und auf Reisen zu gehen. So hat es Sänger Ramon Anfang letzten Jahres für einige Monate nach Australien verschlagen. Florian war auf Bali und Thomas in Portugal. Alle drei haben die Kultur, die Länder, die Natur und die Begegnungen dieser Zeit ins sich aufgesogen, um dann inspiriert und voller Tatendrang nach Berlin zurückzukehren und neue Songs zu schreiben.

Ramon: „Ich glaube, uns geht es allen gleich. Uns inspirieren die Begegnungen, die wir gemacht haben, die Natur und die Orte an denen wir waren. Wenn man wo neu hinkommt, hört man vielleicht schon einen neuen Song im Kopf, macht sich Notizen und Fotos und bringt das dann zurück in die Gruppe. In Berlin haben wir uns mit den Fotos und Videos ausgetauscht, die anderen an den Erlebnissen teilhaben lassen und dann an diesen Songideen gearbeitet. Das war ein sehr schöner Prozess.“

Leider hat die Corona-Pandemie diesem schönen Produktionsprozess dann einen Strich durch die Rechnung gemacht und die drei mussten die Aufnahmen in London, Berlin und Wien verteilt fertig produzieren. Der erste Teil dieser Tracks findet sich auf der neuen EP „AM/PM Pt.1“. Fünf Songs, die zwischen melancholischem Downtempo-Pop und hymnischer Indie-Elektronik pendeln. Eben zwischen Songs, die man gerne zum Aufstehen hört (die „AM-Songs“) und solche, denen man gerne lauscht, wenn man nach einem langen Tag zuhause die Füße hochlegt (die „PM Songs“).

Zwischen Unvermögen und Glücksmoment

Auch thematisch kreisen die neuen Songs der Nihils um gegensätzliche Pole. Der Track „Can’t Give“, der mit zarten Beats und eindringlicher Stimme beginnt, um sich im Verlauf zu einem dancigen, treibenden Track zu entwickeln, handelt von dem Unvermögen, die Vorstellungen von sich selbst und anderen erfüllen zu können.

Ramon: „Es geht bei dem Song um das Gefühl, gehemmt zu sein. Egal ob es im Job ist, dass man das Gefühl hat, sein Potential nicht ausschöpfen zu können oder wenn man in einer Beziehung seinem Partner mehr von sich geben würde, aber sich durch seine eigenen Ängste blockiert fühlt. Oder wie in unserem Fall, dass man gerne Musik machen würde als Band oder einzelner, aber es gerade nicht schafft und die richtigen Worte vielleicht auch nicht findet. Das war auch das Schwierige an unserer Reisezeit, dass wir nicht gleich ins Studio gehen konnten, um Songs zu schreiben. Ich glaube, das reflektieren wir auch in diesem Lied.“

Dem gegenüber steht ein Song wie „I got it“ für all die schönen Momente im Leben, in denen man das Gefühl hat, dass alles gut läuft. Entstanden ist die Nummer quasi wie von alleine während der Sommermonate letzten Jahres, wo das Trio voller Glücksgefühle war. Es ist auch eine Erinnerung an sich selbst, dass es eben diese Momente gibt, in denen man sich auf seinem Lebensweg schon ein Stück weiter fühlt.

Gefühl-Körper-Geist-Einheit

„AM/PM Pt.1“ ist eine sehr stimmige EP, die trotz der thematisch unterschiedlichen Blickwinkel einen musikalisch stringenten, zeitgeistigen Sound besitzt. Dancige Beats stehen hier neben swingenden Rhythmen, flächige Synthie-Klänge schieben sich übereinander, die eine oder andere funkige Gitarre blitzt im hypnotischen Klangbild auf und alles wird von der geschmeidigen und unaufgeregten Stimme von Ramon Riezouw zusammengehalten. Sie umarmt uns und lässt uns damit an der Gefühlswelt des Sängers teilhaben.

Um so eine Musik schreiben und produzieren zu können, sind die Voraussetzungen sehr wichtig, unter denen die Songs entstehen. Damit sind nicht unbedingt die äußeren Umstände gemeint, die sich durch die Pandemie für viele drastisch geändert haben. Sondern eher die innere Haltung und Einstellung zum kreativen Prozess.

Ramon: „Ich lerne gerade, dass die einzige Aufgabe die man hat die ist, sich selbst oft mal aus dem Weg zu schaffen. Dass man die Sachen, die in einem sind, einfach durchkommen lässt und gar nicht so viel mit dem Kopf arbeiten zu wollen. Sondern mehr mit dem Moment, dem Gefühl und auch mit dem Körper. Das werden wir auch beim Songschreiben und Produzieren des zweiten Teils von ‚AM/PM‘ machen. Einfach weniger verkopft an die Sache herangehen.“

Wenn das Trio Nihils seine Gefühl-Körper-Geist-Einheit weiter in den Fokus stellt und damit an neuen Songs arbeitet, dann wird „AM/PM Pt.2“ ein ebenso stimmiges und beglückendes Werk werden.

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