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Gerhard Polt - Man spricht deutsh

Constantin Film

FM4-Sun Screen

FM4 Sun Screen: „Man spricht deutsh“

Mit „Man spricht deutsh“ landete der Kabarettist Gerhard Polt 1988 einen Sommerhit. Doch die Urlaubskomödie hat mehr zu bieten als Satire und Klamauk.

Von Christian Lehner

Bella Italia! Wenn bloß nicht die Italiener wären … Die Familie Löffler aus Bayern genießt den letzten Tag des wohlverdienten Italienurlaubs. Besser gesagt, sie versucht den Tag zu genießen. Das Auto steht vollgepackt und reisebereit am Parkplatz. Doch wie lange noch, fragen sich die Löfflers, wie lange noch? Man weiß ja, dass die Eingeborenen mit besonders langen Fingern auf die Welt kommen. „Wir dürfen das Auto nicht aus den Augen lassen. Einer muss immer schaun‘“, sagt Papa-Löffler. „Wir müssen uns beim Baden abwechseln“, legt Mama-Löffler den Plan für die letzten Stunden im Paradies fest.

Die Löfflers kommen jedes Jahr hierher. Man kennt das Stammklientel: Der stets freundliche Carlo mit seiner Imbissbude, das pensionierte Ehepaar Endress aus Nürnberg, das den Reiseverkehr via Verkehrsfunk von Bayern 3 überwacht und Dr. Wilms aus Berlin, dessen dringendstes Bedürfnis mit der Inkompetenz der Einheimischen kollidiert. „Heute ist Sonnabend, aber im ganzen Hotel Paradiso ist anscheinend niemand im Stande, eine Toilette zu reparieren.“ Wenn es gegen die Itaker geht, halten Stechschrittpreußen und Weißwurstindianer zusammen. Jawoll und freilich!

Pizza mit allem!

Mit der Kinosatire „Man spricht deutsh“ gelang dem Kabarettisten Gerhard Polt 1988 ein Sommerhit. Polt schrieb gemeinsam mit Regisseur Hans Christian Müller, mit dem er zuvor die Erfolgskomödie „Kehraus“ inszeniert hatte, das Drehbuch und spielt den Papa-Löffler. Neben Polt glänzt seine Langzeitkollegin Gisela Schneeberger als Mama-Löffler. In weiteren Rollen sehen wir damalige Kabarett-Stars wie Werner Schneyder und Dieter Hildebrandt. Auch Thomas Geier weiß als Sohn und Eis schleckender Lausbub Heinz-Rüdiger zu begeistern.

Gerhard Polt - Man spricht deutsh

Constantin Film

Doch „Man spricht deutsh“ begnügt sich nicht mit dem nackert-Machen kleinbürgerlicher Spießer. Polt lässt uns in fantastischen Filmsequenzen an den Tagträumen und Sehnsüchten seiner Protagonisten teilhaben. Wenn sich Mama-Löffler zur Miss Paradiso krönen lässt, oder Papa Erwin mit einer italienischen Strandschönheit ins Luxushotel verschwindet, nimmt die Farce zwar kein Ende, doch die Karikaturen werden durch ihre Tragik wieder zurück ins Menschliche geholt.

Spießerträume und Poseidon-Platte

Auch filmisch hat „Man spricht deutsh“ einiges zu bieten. Die Wimmelbilder am Strand sind prächtig fotografiert. Es könnte so schön sein hier. Die Kamera rückt scheinbar Nebensächliches in den Fokus wie etwa achtlos weggeworfenen Müll, grausliches Treibgut (Kackwurst-Alarm!) und im Sand vergrabene Artefakte der menschlichen Existenz („Mutti, is’ des a Luftballon?“). Die Sequenzen verdichten sich zu einem Sinnbild des unmenschlichen Umgangs der Menschen mit den Menschen. Und mit der Natur.

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Schuld an den sich einfach nicht lösen wollenden Verklemmungen der Seele sind natürlich die Italiener. „Die sind eine ganz eigene Rasse“, weiß Frau Endress. „Des hat ned amal der Mussolini geschafft,“ doziert Papa-Löffler.

Dabei geben sie sich solche Mühe, die Spaghettifresser. Die Gastgeber sprechen mehr oder weniger gut „deutsh“, servieren den Bajuwaren bayrisches Bier zur meeresfruchtigen Poseidon-Platte („Ich hätt‘ doch lieber die Stelze nehmen sollen.“) und lächeln noch die größten Boshaftigkeit souverän weg. Wer Italienisch versteht, wird ein gelegentliches „Stronzo“ und „Pazzo“ im Hintergrund vernehmen, doch die sonnige Front der Touristiker bröckelt nur selten.

Immer noch aktuell

1988 in die Kinos gekommen, hat „Man spricht deutsh“ nichts an Aktualität verloren. Die Kategorie „Tourist“ ist eine zeitlose und weltumspannende. Polt hat darüber hinaus ein gutes Gespür für Typen. Die deutsche Bikinischönheit, die mit Cola-Light-Aludosen bewaffnet durch den Sand catwalkt, kann man sich heute leicht als eine mit Tattoos übersäte Influencerin samt Glitzerstein-Handyhülle vorstellen. Und der teutonische Strandbesetzer in Italien könnte ebenso ein US-Gringo in Mexiko sein.

Gerhard Polt - Man spricht deutsh

Constantin Film

„Man spricht deutsh“ triggert aber auch die eigenen Erinnerungen an (die ersten) Italienurlaube. Die Komödie spielt zwar im fiktiven Ferienort Valcina Mare, der irgendwo zwischen Rom und Neapel am Tyrrhenischen Meer liegt, doch die Löfflers wären ebenso gut an den Bazi-Stränden von Caorle, Bibione oder Jesulo aufgehoben.

Der jugendlich kritische Blick mag über die Spießbürgergesellschaft lachen, wenn man aber selbst in die Haut eines mittelalterlichen Familienmenschen gewachsen ist, nehmen die Wiedererkennungswerte zu. Polt lächelt gütig, wenn er ätzt. Das ist seine große Kunst.

Am Ende ist alles gut. Das Auto der Löfflers steht noch am Parkplatz, die Sonne noch am Himmel und selbstverständlich will man im nächsten Jahr wiederkommen. Arreviderci und tshüs!

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