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Die Band Girl Friday

Al Kalyk

Neuer L.A.-Gitarrenpop von Girl Friday

Girl Friday sind vier Musikerinnen aus Angeles. Ihr Sound: Wenn Robert Smith von The Cure mit Iggy Pop surfen geht, oder so. Aber auch den feministischen Riot-Grrl-Sound der 90er Jahre mögen Girl Friday, und noch einiges mehr. Sie verschleiern all ihre Einflüsse letztlich aber meist gut.

Von Eva Umbauer

Girl Friday spielen smarten Post-Punk mit dramatischen Gitarren und resolutem Schlagzeug. Girl Friday sind die Gitarristinnen Vera Ellen und Sierra Scott, Bassistin Libby Hsieh und Schlagzeugerin Virginia Pettis. Alle vier Musikerinnen von Girl Friday singen.

Die Band entstand, als Vera und Libby einander an der Universität in Los Angeles begegneten. Libby saß auf einer Couch in einem der Gebäude am Campus und spielte den Bass vor sich hin, ihre ganz eigene Art zu spielen gefiel Vera, also stellte sie sich einfach vor. Für Sierra Scott, die dann hinzustieß, war die Band perfekt, sie fühlte sich gleich wohler als in der Band, in der sie zuvor als einzige Frau war.

Girl Friday veröffentlichten letztes Jahr ihre ersten Songs auf dem Minialbum „Fashion Conman“, jetzt ist ihr erstes komplettes Album da, mit Songs wie „Public Bodies“, „Earthquake“ oder „I Hope Jason Is Happy“. Ein weiterer Song heißt „This Is Not The Indie Rock I Signed Up For“ - dieser Titel kommt von der Unsicherheit, die die Band empfand, nachdem sie den Plattenvertrag mit Hardly Art unterschrieben hatte, ohne dass die Leute vom Label je ein Konzert von Girl Friday gesehen hatten.

Hardly Art ist ein Sublabel von Sub Pop, jenem legendären Plattenlabel in Seattle, das in den frühen 90er Jahren Grunge groß machte. Hardly Art veröffentlicht die Musik von jungen Talenten, wie eben Girl Friday. Als sie dann die fertigen Songs „ablieferten“, fragten sich Vera, Sierra, Libby und Virginia, ob die Songs den Hardly-Art-Macher*innen denn tatsächlich gefallen würden, oder ob sie vielleicht sagen würden, dass das nun doch nicht ganz die Sorte Indierock sei, die sie erwartet hätten.

Inspirationsquellen und „guilty pleasure“ Hair-Metal

Die Sorge von Girl Friday war unberechtigt, ihr unter anderem von Post-Punk und Noise-Rock inspirierter Sound gefiel, und zwar richtig gut. Die dramatischen Gitarren, die resoluten Drum-Beats und die Art, wie der Harmoniegesang der vier Musikerinnen sitzt. Girl Friday haben auch einen Hauch von Paisley Underground in ihren Songs, jenem melodischen Gitarrenpopsound, wie er in den 1980er Jahren in Los Angeles von Bands wie Rain Parade oder den späteren Popstars The Bangles gespielt wurde. Aber auch Gitarrenpop made in New Zealand, wie ihn einmal das Flying Nun Plattenlabel veröffentlichte, ist eine Inspirationsquelle für Girl Friday.

Girl Friday lieben aber vor allem die Musik von Courtney Love und Hole, von Sonic Youth oder auch Placebo oder Marilyn Manson. Gitarristin Sierra bedauert, dass sie noch nie ein Konzert von Marilyn Manson gesehen hat.

Die Band Girl Friday

Girl Friday

Außerdem steht die Band auf den Riot-Grrl-Punkrock der 1990er Jahre, Drummerin Virginia Pettis liebt Bands wie Sleater-Kinney. Und Girl Friday wäre wohl keine L.A.-Band, wenn sie nicht „guilty pleasures“ wie Poison frönen würde. Poison, angeführt von Sänger Bret Michaels, waren in den 80ern eine Hair-Metal-Band aus Los Angeles.

Sogenannte Hair-Metal-Bands waren Soft-Metal-Bands mit riesengroßen, hochgeföhnten und dauergewellten Mähnen. Peinlich, peinlich. Irgendwann viel, viel später tauchte besagter Bret Michaels in der schrägen US-Reality-TV-Show „Rock Of Love“ auf. Der Song „Amber’s Knees: A Matter Of Concern“ entstand, im Video dazu tanzen Girl Friday verkleidet als Bret Michaels. Ein bisschen Spaß muss sein.

„‚Amber’s Knees‘ came together lyrically from bits and pieces that we’d all written over a long period of time. It’s the first song we wrote for the album. It has to do with the borders of culturally sanctioned dissociation and the wilful ignorance we often employ to keep things functioning.“

„We wanted the video to be an extreme example of this, so naturally we turned to reality TV for inspiration. However, that initial idea festered into a visual fever dream fuelled by our increasingly dystopian waking reality. As life seems to spiral even further out of our control, we keep ourselves grounded dancing above a greenscreen sea.“

Getrennt durch die Pandemie

Miteinander auf der Couch sitzen und trashiges Fernsehen schauen geht zur Zeit bei Girl Friday leider nicht. Gitarristin Vera Ellen ist wegen der Coronavirus-Krise inzwischen aus Los Angeles weggegangen und lebt wieder bei ihren Eltern in Neuseeland, von wo sie zwecks Studium nach Los Angeles gezogen war. Die zweite Gitarristin Sierra Scott hat infolge der Pandemie ihren Job in einem Cafe verloren und ist nun ebenfalls wieder zu ihrer Familie zurückgezogen, nach New York, wo sie ursprünglich herkommt.

Dass Girl Friday also nun räumlich getrennt sind, ist keine optimale Situation für die Band, aber es ist nun einmal so, und, so hoffen die vier Musikerinnen, es ist ja nur vorübergehend. Das Debutalbum zu veröffentlichen, aber mit den Songs nicht auf Tour gehen zu können, ist natürlich mehr als nur ein kleiner Wermutstropfen für Girl Friday. Letztes Jahr waren sie noch auf Tour durch Nordamerika, zusammen mit The Beths und der Britin Marika Hackman. Das Spielen selbst und sich nach einem Konzert noch mit Besucher*innen zu unterhalten, fehlt Virginia, Libby, Vera und Sierra sehr, aber Girl Friday glauben dennoch fest an ihre Zukunft.

Mit Songs wie „Gold Stars“ oder „Clotting“ haben sie auch allen Grund dazu. Girl Friday packen viel hinein in die meist nur drei Minuten langen Tracks. Die Songstruktur ist dicht, vom Intro bis zum Outro, von den Versen und der Bridge bis zu den sich meist zum Mitsingen eignenden Refrains. Sie sind authentisch und kommen - wie alle anderen Stücke auf „Androgynous Mary“ - ganz ohne aufmerksamkeitsheischenden elektronischen Aufputz aus. Aber das würde sowieso gar nicht zu Girl Friday passen, denn sie sind eine Band, die Dinge sagt wie „We need total police and prison abolition“.

Albumcover: Androgyne Person in elegantem Anzug

Hardly Art

„Androgynous Mary“ von Girl Friday ist bei Hardly Art erschienen.

Feuriger Gitarrenpop mit einer Message

Keine Polizei mehr und auch keine Gefängnisse - würde das vielleicht tatsächlich funktionieren oder ist das einfach nur verantwortungslose Träumerei? Im FM4 Interview meint Sierra Scott, dass man jedenfalls darüber nachdenken solle, was (in den USA) längst geändert werden müsste, die Polizei und die Gefängnisse betreffend. Sie selbst bezeichnet sich als privilegierte weiße Frau, die sich in der Vergangenheit eigentlich nicht wirklich um Dinge gekümmert habe wie etwa die oft schwierige und ungerechte Situation vieler Schwarzer in den Staaten, aber die inzwischen begonnen habe sich damit zu beschäftigen.

Ernsthaftigkeit, Humor, Verzweiflung, der Wille zum Überleben, Optimismus, Enthusiasmus. Das alles findet sich in der Musik von Girl Friday. „Really dark, heavy things mashed up with quite beautiful things, whether that be a distorted guitar line and a sentimental vocal or vice versa“, sagen Girl Friday über ihren Zugang zum Songschreiben und Musikmachen. „You’ve got to fight to keep your breath in this world“, singen Girl Friday irgendwo auf ihrem Album. Genauso geht feuriger Gitarrenpop mit einer Message.

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