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Filmstills aus der Serie "Mrs. America"

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Serie

Mit selbstgebackenen Muffins gegen Gleichberechtigung: „Mrs. America“

Die Serie „Mrs. America“ mit Cate Blanchett ist die leicht fiktionalisierte Chronik des feministischen Kulturkampf der 70er Jahre. Ein gewagter Balanceakt.

Von Natalie Brunner

Phyllis Schlafly war eine US-amerikanische, rechtskonservative Publizistin und Lobbyistin, die ihren durchaus brillanten Intellekt und ihr rhetorisches Talent dem Kampf gegen Frauenrechte gewidmet hat. Zeit ihres Lebens ist Schlafly mit selbstgebackenen Muffins und nicht den Tatsachen entsprechenden Angstszenarien gegen das Equal Rights Amendement ins Feld gezogen. E.R.A ist ein Zusatz zur Verfassung der Vereinigten Staaten, der Frauen eine in der Verfassung verankerte Gleichstellung garantiert.

Phyllis Schlafly hat den Rechtsaußen-Flügel der US-Republikaner repräsentiert. Nicht einmal der Umstand, dass sie jedes Mal von den Kräften, denen sie zugearbeitet hat, übergangen worden ist, als politische Posten vergeben wurden, hat Schlafly zu einem Umdenken gebracht. Noch auf dem Totenbett hat sie eine Publikation zur Unterstützung von Trump verfasst.

Feminismus als Untergang Amerikas

In der Serie „Mrs. America“ begleiten wir eine Phyllis mittleren Alters durch die 70er-Jahre. Sie ist Mutter von sechs Kindern und erachtet es als ihre patriotische Pflicht, Amerika vor dem Untergang zu bewahren, der ihrer Ansicht nach darin besteht dass „Feminismus dafür sorgt, dass Frauen ihre Privilegien verlieren und Familien zerstört werden.“

Cate Blanchett spielt den auf Perfektion und Contenance getrimmten, unmenschlich beherrscht und machtstrategisch operierenden Charakter Schlafly. Sie stattet die Figur mit maskenhafter, professioneller Heiterkeit aus, was perfekt funktioniert.

Filmstills aus der Serie "Mrs. America"

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Sie ist eine privilegierte, frustrierte Anwältin, eine zur Autorin gewordene Vorzeigefrau, die durch ihren politischen Aktivismus dem was sie propagiert eigentlich widerspricht, wie ihre feministischen Gegnerinnen erkennen. Im Gegensatz zu ihnen setzt Schlafly nicht auf Solidarität und Selbstermächtigung, sondern arbeitet mit einem Instrumentarium der Angst.

Brillant und schwer zu ertragen

Die erste Folge von „Mrs. America“ ist ebenso brillant, wie schwer zu ertragen, da sie als Einführung in das Denken, Leben und die Welt von Schlafly dient. Eine Welt, in der Frauen sich lächelnd von ihren Gatten vergewaltigen lassen, die Frisur zurechtrücken und in die Küche eilen, um einen Apfelkuchen zu backen, also im Denken Schlaflys „ihre häuslichen Pflichten“ als Rückgrat der Nation erfüllen.

„Mrs. America“ wäre nicht zu ertragen, wenn es eine Biographie von Schlafly wäre, wenn die neun Folgen von „Mrs. America“ zeigen würden, wie viel Schaden ein selbstverleugnender, reaktionärer Zombie mit ihrer kuchenbackenden Armee von psychischen Wracks anrichten konnte. „Mrs. America“ ist aber keine Biographie, sondern die leicht fiktionalisierte Chronik eines Kulturkampfs, der die politische Landschaft der USA und rhetorische Strategien bis heute prägt.

Die Serie beleuchtet Ausschnitte der zweiten Welle der feministischen Bewegung in den 70er-Jahren, z.B. die revolutionäre Arbeit von Bella Abzug, der ersten afro-amerikanischen Senatorin Shirley Chisholm oder der Autorin Gloria Steinem. Die Politik dieser Frauen ist eine der Solidarität und der Allianzen, während wir eine einsame Phyllis Schlafly beobachten, wie sie zum Beispiel im Mixtape-Prinzip die Reden der Feministinnen zusammenschneidet, um ihnen Nie-Gesagtes in den Mund zu legen. Ihre Rechtfertigung: „Well they have said all this words.“

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„Mrs. America“ ist ein gewagter Balanceakt: Politische und kulturelle Geschehnisse werden vereinfacht und in ein lineares Serien-Narrativ gebracht, was dazu führt, dass auch die politische und moralische Agenda der Macherinnen, ihre Wahrheit (die auch meine ist), deutlich zu Tage tritt. Wir verlassen das Szenario 1982: Phyllis Schlafly ist von den politischen Kräften, denen sie zuarbeitet, nicht von ihren Gegnerinnen, nicht zum ersten Mal gedemütigt und verraten worden. Niemand legt in Solidarität mit ihr sein Amt nieder, so wie das im Fall von Bella Abzug geschehen ist. Der Ehegatte fragt, wann das Abendessen fertig ist und Phyllis Schlafly sitzt in der Küche, backt einen Apfelkuchen und weint. So sehr man sie auch verabscheut, es ist kein Triumph, kein schöner Abschied.

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