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Eine Kuh an der Leine mit ihrer Bäurin - Filmstill aus dem Dokumentarfilm "Der schönste Platz auf Erden"

Golden Girls/Elke Groen

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„Der schönste Platz auf Erden“: Ins Land einischauen mit Elke Groen

Elke Groen hat Respekt vor widerständischen Gänsen und vor ihren Protagonist*innen. Mit ihrem Dokumentarfilm „Der schönste Platz auf Erden“ porträtiert sie österreichisches Kleinstadtleben, während sich die politische Landschaft verändert.

Von Maria Motter

Pinkafeld macht gerade Schlagzeilen. Die Stadt mit ihren 5924 Einwohner*innen hat ein neues Denkmal, das an 33 Menschen erinnert, die von Nazis ermordet wurden. Jüdinnen und Juden, Widerstandskämpfern, Angehörigen der Roma-Volksgruppe und Opfern der nationalsozialistischen „Euthanasie“ wird nun vor dem Pinkafelder Rathaus gedacht und der Platz heißt jetzt „Platz der Erinnerung“.

Und ins Kino kommt diese Woche „Der schönste Platz auf Erden“: Die Filmemacherin Elke Groen hat drei Jahre hindurch Einwohner*innen interviewt und mit ihnen diskutiert, ohne ihnen nach dem Mund zu reden. Ihre Dokumentation hätte dieses Jahr die Diagonale, das Festival des österreichischen Films, eröffnet.

„Der schönste Platz auf Erden“ ist eine Art „Ins Land einischauen und einihorchen“. Von der Wiederholung der Bundespräsidenten-Stichwahl 2016 bis zu den Nachwehen der Ibiza-Affäre 2019 reicht das Filmdokument.

Warum ausgerechnet Pinkafeld?

Elke Groen wollte die Polarisierung in der Gesellschaft dokumentieren, die durch den letzten Wahlkampf um die Bundespräsidentschaft so spürbar geworden war. Anfangs richtete sie ihr Augenmerk auf die FPÖ und auf die Hetze. Norbert Hofer, FPÖ-Politiker und Mitglied der deutschnationalen Burschenschaft Marko-Germania kommt aus Pinkafeld. In der Eröffnungssequenz verfolgen ihn internationale Reporter mit Kameras und Mikrofonen bis ans Kirchenportal. Ob die Stadt für das Österreich stehe, das Hofer erhalten wolle, wird der Politiker gefragt. Die burgenländische Kleinstadt gilt als SPÖ-Hochburg, bei der Wahl um die Bundespäsidentschaft 2016 wollten 70 Prozent der Wahlberechtigten von Pinkafeld Norbert Hofer als Gewinner wissen. Das ist, wenn man so will, der politische Hintergrund des Films.

Die Filmemacherin Elke Groen hatte keine These. "Am Anfang war die Idee, diese Zeit festzuhalten. Mich hat das sehr an den Aufstieg Jörg Haiders 1995 erinnert, wo Tabus gebrochen wurden. Plötzlich ist so viel passiert: Sebastian Kurz hat die Regierung gesprengt, es gab Blau-Schwarz und ich habe mich gefragt: Was passiert gerade auch mit der Sozialdemokratie?“, sagt Elke Groen im Interview.

Ein Wahlplakat der FPÖ mit einem Bild Heinz-Christian Straches auf einem kleinen Haus in Pinkafeld. Der Plakatslogan lautet: "Vordenker statt Spätzünder".

Elke Groen/Golden Girls Film

Tischgespräche in Pinkafeld

Elke Groen hat ziemlichen Respekt vor ihren Protagonist*innen und vor widerständischen Gänsen. Als die junge, resolute Bäuerin und FPÖ-Wählerin Corinna Wagner-Luif Elke Groen am Ende des Films dazu einlädt, ihr mit dem abendlichen Treiben der Gänse zu helfen, versucht sich Groen als Gänsehirtin. „Nicht rechts überholen lassen! Die müssen nämlich obi zua. Und wie man sieht: Sie wollen nicht!“

Die Sprache kommt mehrmals auf die Themen Arbeit und Asylpolitik – zwei Felder, die von allen großen Parteien bestellt werden. Neben der Pestsäule, der Raika und dem Maibaum stehend, nennt ein Redner der SPÖ offene Grenzen und den offenen Arbeitsmarkt „ein Problem“. Die Doku „Der schönste Platz auf Erden“ zeigt das Leben im Jahreskreis, vom Nikolaus-Besuch zum Maibaumaufstellen, während sich Österreichs politische Landschaft verändert. Da klopft der Nikolaus mit seinem Stock und stößt sich an dem Adventkranz, der von der Decke hängt. Eine Mann im Biene-Maja-Köstum singt Bilderbuchs „Maschin“ und an den Hausfassaden wechseln die Wahlplakate. Ein paar Daten und Fakten mehr hätte der Film gut vertragen, Inserts markieren die politischen Wendepunkte.

Regisseurin Elke Groen legt einen unaufgeregten Zugang an den Tag und fragt ruhig nach: „Ist es unangenehm, ein FPÖ-Wähler zu sein?“ Groen ist auch keine „Draufhalterin“, die Szenen in die Länge zieht. Fein sind die vielen Korrespondenzen, die über kleine Details in den Bildern entstehen.

Bäurin Corinna Wagner-Luif vor ihren Kühen

Elke Groen/Golden Girls Fillm

Corinna Wagner-Luif auf ihrem Hof, auf dem viele Tiere zuhause sind und wo die Jägerin auch Wildtier-Findlinge aufzieht.

Hans-Jürgen Horvath zuhören

„Der schönste Platz auf Erden“ ruft einem Vergessenes in Erinnerung - so liest man etwa von „Sieb- und Rübenhobelerzeugung“ auf einer Hausfassade - und macht Verdrängung bewusst. Zu vertraut wirken die Aufnahmen, die eine Familie zeigen, die aus Syrien geflohen und in Pinkafeld gelandet ist. Dass es Geflüchtete erst einmal schwer haben, Gesellschaft zu finden, ist zu sehr bereits die Erwartungshaltung geworden und das ist erschreckend.

Disko-„Halleluja“-Betreiber Hans-Jürgen Horvath erzählt in „Der schönste Platz auf Erden“ von der Ausgrenzung und der Diskriminierung der Roma im Burgenland. „Die Flüchtlinge haben das Roma-Problem in Österreich erledigt. Jetzt haben sie eine neue Hass-Generation. Leider“, sagt Hans-Jürgen Horvath und wie gern würde man ihm noch viel länger zuhören.

„Der schönste Platz auf Erden“ startet am Freitag in den Kinos.

Hans-Jürgen Horvath hinter der Bar der Disko in Pinkafeld. Szene aus dem Film "Der schönste Platz auf Erden".

Elke Groen/Golden Girls Fillm

Disko-„Halleluja“-Betreiber Hans-Jürgen Horvath würde man gern so viel länger zuhören.

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