FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Screenshots des Spiels Tell Me Why

Dontnod

Im Spiel „Tell Me Why“ ist die Hauptfigur ein Transgender-Mann

Es gibt Themen in Spielen, die von den Publishern und Entwickler*innen lieber ausgelassen werden, zum Beispiel Politik, Religion oder Queer-Themen. Die Gründe sind vielfältig, man will vielleicht bei niemandem anecken und dadurch potenzielle Käufer*innen verlieren. Das Unternehmen Dontnod macht es anders.

Von Chris Stipkovits

Das französische Entwickler*innenstudio Dontnod stellt eine von wenigen Ausnahmen dar und geht andere Wege: In dem neuen Spiel von Dontnod, „Tell Me Why“, ist der Protagonist ein Transgender-Mann.

„Tell Me Why“ wird für Windows PCs und Xbox von Dontnod in drei Episoden veröffentlicht. Die zweite Episode ist am 3. September erschienen, Episode drei kommt am 10. September 2020.

Die beiden Zwillinge Tyler und Alyson wachsen mit ihrer alleinerziehenden Mutter im Nirgendwo in Alaska auf. Ihr Haus liegt an einem See, im Hintergrund erstreckt sich eine schneebedeckte Gebirgskette. Das Zuhause erzeugt ein Gefühl von Geborgenheit und das, obwohl in dem Haus etwas Furchtbares passiert ist. Tyler hat nämlich seine Mutter aus Notwehr umgebracht!

Screenshots des Spiels Tell Me Why

Dontnod

Tyler kommt ins Jugendgefängnis, Alyson bleibt in der Kleinstadt und wächst bei ihrem Onkel auf. Nach dem Tod der Mutter entscheiden die Behörden also, das Zwillingspaar zu trennen. Eine fragwürdige Entscheidung, schließlich führen die beiden eine enge Beziehung und der Heilungsprozess wird bei einem so einschneidenden Ereignis wohl schwierig werden.

Verschwommene Erinnerungen

Tyler sitzt seine Haftstrafe ab, beendet seine Ausbildung und ist mit sich selbst beschäftigt. Denn um Klarheit bezüglich seiner sexuellen Orientierung zu schaffen, kapselt er sich von seiner Vergangenheit ab. Zwar wird Tyler schnell bewusst, dass er sich anders entwickeln möchte, denn schon als Kind hat er sich die Haare kurz schneiden lassen, doch er benötigt Zeit für sich selbst. Alyson wird nicht zur Abschlussfeier ihres Bruders eingeladen, deswegen ist sie enttäuscht. Um die emotionalen Gräben zuzuschütten, sehen sich die beiden erst zehn Jahre später in dem verschlafenen Ort in Alaska wieder und beginnen ihre Vergangenheit aufzuarbeiten.

Family Secrets

Wie in Life Is Strange haben die Charaktere eine besondere Gabe. In „Tell Me Why“ können Alyson und Tyler miteinander telepathisch kommunizieren – das zeigt die enge Beziehung der beiden zueinander – und außerdem können sie ihre Erinnerungen erneut erleben. Sie sehen Erinnerungen, in denen die Mutter für ihre Kinder aus Holz Spielsachen schnitzt, weil für anderes nicht genügend Geld da ist. Sie sehen, dass die Mutter im kleinen lokalen Supermarkt trotzdem nichts geschenkt haben möchte, oder wie eine Nebenfigur das Jugendamt informiert, da sie sich über den emotionalen Zustand ihrer Mutter Sorgen mache.

Screenshots des Spiels Tell Me Why

Dontnod

Diese Erinnerungen sind nicht immer klar, und man ist sich nicht ganz sicher, wer mit wem spricht. Das ist auch okay, denn Vergangenes ist meist verschwommen. Ebenfalls nicht klar ist, wessen Erinnerungen man gerade sieht. Ist es die von Tyler oder die von Alyson? Manchmal kann man sich bewusst für eine Erinnerung entscheiden.

Dontnod hat bei der Entwicklung von „Tell Me Why“ Transgender-Personen mit ins Team geholt und mit der Organisation GLAAD (Gay and Lesbian Alliance Against Defamation) zusammengearbeitet.

Je nachdem welche Erinnerung man ansieht, beeinflusst man den weiteren Spielverlauf, etwa durch Entscheidungen in Gesprächen. Das Geschwisterpaar geht dann eine noch engere Bindung ein oder die beiden rücken auseinander.

Screenshots des Spiels Tell Me Why

Dontnod

Das Familiendrama, Tylers sexuelle Orientierung und jene der Nebenfiguren, das alles wird in gewohnter Manier von Dontnod sehr gut und plausibel erzählt, ohne dabei mit dem Finger auf jemanden zu zeigen oder Klischees zu bedienen.

Die Gespräche dauern oft mehrere Minuten, sodass man den Controller weggeben kann und einfach nur zuhört. Dontnod hat für die englische Sprachausgabe ausgezeichnete Sprecher*innen ins Team geholt. Das ist immens wichtig, da das Spiel sich primär um Emotionen dreht und man die Gefühle der Charaktere in der Grafik kaum bis gar nicht ablesen kann. Die verwendete Grafik-Engine ist in die Jahre gekommen, auch animationstechnisch ist noch Luft nach oben. Das ist ein bisschen eine vertane Chance.

In „Tell Me Why“ werden auch indigene Bevölkerungsgruppen Alaskas, die Tlingit und Haida, in das Spiel eingebunden.

Dafür holte sich Dontnod mit der Huna Heritage Foundation Expert*innen an Bord, um sensibel das Thema von Minderheiten miteinzubauen.

Grafisch eher mäh, der Sound ist super!

Punkten kann „Tell Me Why“ jedenfalls mit einem guten Sounddesign. Jedes Stapfen im Schnee oder die Umgebungsgeräusche laden zum Verweilen auf der Veranda des Hauses ein, während man eine entschleunigende Aussicht auf den See mit den Bergen im Hintergrund genießt.

Außerdem hat Dontnod wieder einmal bewiesen, dass sie schlichtweg ein ausgezeichnetes Händchen für den richtigen Song in der richtigen Situation haben. Damit meine ich nicht diesen Song, sondern den YouTube Clip darunter. Dadurch schafft Dontnod in „Tell Me Why“ eine Stimmung, die zum Denken anregt.

mehr Game:

Aktuell: