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Filmbilder aus dem Slash Programm 2020

Slash 2020

Slash Festival 2020: Schreien statt streamen

Auch heuer findet das Slash Festival in Wien statt. Unter Sicherheitauflagen kann man zehn Tage lang in fantastische und schaurige Filmwelten eintauchen. Hier ein paar Programmtipps.

Von Christian Fuchs und Jan Hestmann

Eine amerikanische Studie besagt, dass Horrorfans besser durch die Covid-19-Krise kommen. Weil sie die dazugehörigen düsteren Szenarien schon oft in Filmen gesehen und Strategien zur Angstbewältigung ausprobiert haben. „Kein Publikum ist wohl so gut auf eine Pandemie, Zombie-Apokalypse und andere dystopische Zustände vorbereitet wie ihr“, schmeichelt auch das Slash seinen potentiellen Besucher*innen. Zum 11. Mal findet das große Festival für Horror, Science Fiction und verwandte wilde Genres heuer in Wien statt.

Dabei gibt es heuer vom 17. bis zum 27. September in gleich vier Kinos (Filmcasino, Metro, Gartenbau und Schikaneder) besondere Sicherheitsauflagen zu erfüllen. Der Mundnasenschutz im Foyer, gerne auch als selbstgenähte Michael-Myers-Maske, ist obligatorisch, Contact-Tracing ebenso. Trotzdem beharrt Festivalleiter Markus Keuschnigg auf der essentiellen gemeinsamen Leinwandexperience. „Wenn Ritual und Sinnlichkeit eines Kinobesuchs verloren gehen, dann ist Fun zum Stahlbad geworden.“ Less streaming & more screaming ist daher das das Motto für das Slash 2020. Aber bitte nur mit MNS.

Filmbilder aus dem Slash Programm 2020

Slash 2020

Opening Night: Zappenduster im Horrorhaus

Die Eröffnungsnacht des Slash Filmfestivals liefert verlässlich besonders spannende und heiß diskutierte Schmankerl des gegenwärtigen Genrekinos. Umso größer ist vorab immer die Frage, welchen Film das Festival des Fantastischen Films aus seinem Programm herauspickt und auf die große Leinwand des Gartenbaukinos projiziert. 2018 ist die Wahl etwa auf Panos Cosmatos’ „Mandy“ gefallen. Beim Screening anwesend war dann sogar Hauptdarsteller Nicolas Cage (in Schlangenlederjacke).

Mit internationalen Gästen sieht es heuer schwierig aus, die Vorfreude auf den Eröffnungsfilm ist aber genauso ungebremst. „Relic“ von Natalie Erika James ist der auserwählte Film und aufmerksamen Genrefans dürfte der Titel schon untergekommen sein, denn die ersten Reviews sind vielversprechend. Darin verschwindet die Mutter der Protagonistin Kat, um sogleich wesensverändert im desolaten Familienheim wieder aufzutauchen. Die Zeichen deuten auf eine Demenzerkrankung hin, doch bald ist klar, dass da noch viel mehr dahintersteckt. „Relic“ ist Natalie Erika James’ Langfilmdebüt und ein Haunted-House-Film der ganz finsteren Sorte. Finster im wahrsten Sinn, da der Film die längste Zeit in tiefe Schatten getaucht ist. Man merkt es auch an weiteren Horrorfilm-Neuerscheinungen in diesem Jahr („Candyman“, „Saint Maud“): Regisseurinnen werden im Horrorfilmgenre zunehmend präsenter. Diese erfreuliche Entwicklung unterstreicht auch die Wahl des diesjährigen Slash-Eröffnungsfilms. (Gartenbaukino, 17.9., 20:30 und Filmcasino, 19.9., 20:30)

Ans Eingemachte gehen mit Jörg Buttgereit

Regisseur, Autor, Kritiker: Der Mann lässt sich nicht festlegen. Definitiv darf Jörg Buttgereit aber zu den wichtigsten Horror-Personalities in Deutschland gezählt werden. Mit Filmen wie „Schramm“, „Der Todesking“ und den beiden „Nekromantik“-Teilen verstörte er Anfang der 90er auch abgebrühte Fans. Ernsthaft, makaber und zugleich auf rabenschwarze Weise komisch waren diese Low-Budget-Schocker, die auf Magengrube, Herz und Hirn zielten.

Filmbilder aus dem Slash Programm 2020

Slash 2020

Jörg Buttgereit ist aber auch Monsterfilmspezialist, Buchautor, Hörspielmacher und Theaterregisseur. Zum Slash bringt er zum einen eine Auswahl seiner ganz frühen und ordentlich wilden Kurzfilme mit. Zum anderen wird die Mini-Doku „Schweinchen“ uraufgeführt, eine Verwesungsstudie, die der prominente Kriminalbiologe Dr. Mark Benecke durchführt. This is hardcore. (Metro, 21.9., 21:00)

Religiöser Wahn garantiert den Horror

Auch für „Saint Maud“, der am Slash von FM4 präsentiert wird, zeichnet eine Regisseurin verantwortlich, nämlich die Newcomerin Nia DaCosta. Der von Jordan Peele („Get Out“) produzierte Film aus dem Hause A24, einem Gütesiegel für außergewöhnliches Indie-(Horror-)Kino, wird schon länger heiß erwartet, wurde der Kinostart doch pandemiebedingt immer wieder auf unbestimmte Zeit verschoben. Und jetzt taucht der Titel im Slash-Programm auf: Juhu!

Darin lernen wir die Krankenschwester Maud kennen, die sich nach einem traumatischen Erlebnis ganz und gar Gott hingibt. Als sie die totkranke und ungläubige Patientin Amanda kennenlernt, fasst sie den Entschluss, deren Seele retten zu wollen. Dabei erlebt Maud immer stärker werdende religiöse Visionen, die sie darin bestärken. Ein eindrucksvoll gefilmter Psychohorrortrip vom Feinsten! (Filmcasino, 25.9., 20:30 und Metro, 26.9., 23:00)

Den König der Austro-Exploitation entdecken

Dass auch die Alpenrepublik veritable Stars im Bereich des heftigen Schundkinos hervorgebracht hat, das wird in der offiziellen Filmgeschichte gerne ausgelassen. Kenner*innen grindiger Genres kommen sofort Namen wie die Oberösterreicherin Sybil Danning in den Sinn, die in etlichen Trash-Perlen herumgeisterte. Oder der ehemalige Grün-Politiker Herbert Fux, dessen Schauspiel-Karriere in Hexenjäger-Streifen bewundert werden kann.

Filmbilder aus dem Slash Programm 2020

Slash 2020

Der Grazer Werner Pochath, verstorben 1993, ist ebenfalls eine B-Movie-Legende. Dank seiner funkelnden Augen und der gehetzten Mimik schaffte er es als Bösewicht in billige Action- und Sci-Fi-Spektakel, Bud-Spencer-Filme und düstere Krimiserien. Das Festival widmet Pochath einen Abend im Metrokino. „Bloodlust“ heißt das obskure Werk aus dem Jahr 1976, der deutsche Titel „Mosquito der Schänder“ macht mehr Angst. Steiermarks Horrorexport trinkt darin mit einer Art Strohhalm das Blut frisch verstorbener Frauen. Im Vorprogramm gibt es die neue Doku „Werner Pochath - Mr. Nice Guy“ zu sehen, die den charismatischen Schurkendarsteller portraitiert. (Metro, 23.9., 20:30)

Plauschen mit Meister William Friedkin

Noch einmal kommen wir auf das schaurige Zusammenspiel von Religion und Horror zurück. Welcher Klassiker kommt einem da als allererstes in den Sinn, wenn nicht William Friedkins „Der Exorzist“. Ein Film, der mich (jh) frühzeitig leicht traumatisierte und vor jeder weißen Holztreppe erschaudern ließ (Stichwort Spider Walk). Umso süchtiger bin ich nach jeder Form von Making-Ofs und sonstigen Hintergrundfeatures zu diesem Film. Voll auf seine Kosten kommt man mit dieser Vorliebe heuer auch am Slash, wo „Leap of Faith: William Friedkin on The Exorcist“ aufgeführt wird.

Alexandre O. Philippe hat Friedkin in einen Sessel gesetzt und die Kamera draufgehalten, während der zwei Stunden lang über die Produktion seines Horror-Meisterwerks erzählt. Die Anekdoten dazu sind, das sei versprochen, wie auch der Film selbst nicht von dieser Welt. Absolutes Pflichtprogramm für jeden Fan des Films. (Schikaneder, 24.9., 20:30)

Von Bruce Lee fürs Leben lernen

An dieser Stelle hat jeglicher Objektivitätsanspruch keinen Platz mehr. Denn wenn es um das Idol Bruce Lee geht, versteht der Schreiber dieser Zeilen keinen Spaß. Oder doch. Das Werk und die Gedanken des ikonischen Actionstars können ganz schön viel Freude bereiten. „Be Water“ heißt ein neuer Dokumentarstreifen, dessen Produktion Lees Tochter Shannon unterstützte. Freunde und Zeitzeug*innen der Karriere des viel zu jung verstorbenen „Kleinen Drachen“ aus Hongkong kommen zu Wort. Als eingefleischter Fanboy ahne ich die Message: Bruce Lee war mehr als ein Kung-Fu-Genie, seine Philosophie hilft einem durch das Leben. (Metro, 25.9., 20:30)

Lee-Liebhaber können danach gleich im Kinosessel sitzen bleiben. „Fist of Fury“ ist der vielleicht aufregendste der nur vier Filme, die der Star drehte. Als Schüler einer chinesischen Kampfsport-Schule kämpft Bruce Lee darin gegen japanische Widersacher. Das Slash zeigt eine rare 35mm-Kopie von „Todesgrüße aus Shanghai“, wie der Film 1972 bei uns hieß. Zuvor wird eine kleine Super-8-Doku eines bestimmten FM4 Redakteurs gezeigt, die in dessen Kindheitstagen entstanden ist. Steirische Buben prügeln sich in „Little Dragon“ martialisch auf den Spuren des großen Bruce Lee.

Traue keinem Influencer

Nicht weniger spektakulär als die Eröffnungsnacht des Festivals verspricht die Closing Night zu werden: Dort begegnen wir Joe Keery in Eugene Kotlyarenkos „Spree“. Der „Stranger Things“-Star Joe Keery hat im Laufe der drei Staffeln der Hit-Serie eine kuriose Charakterentwicklung erfahren, vom Ungustl zum everybody’s darling.

Ob er in seiner neuen Rolle in der furiosen Social-Media-Gesellschaftssatire „Spree“ auch Sympathiepunkte wird sammeln können, sei an dieser Stelle offen gelassen. Da spielt Keery einen psychopathischen Rideshare-Fahrer, der auf den Geschmack des Influencertums gekommen ist. Diesen Status versucht er zu erreichen, indem er eine Mordserie startet und via Social Media überträgt und kommentiert. Eine brachial komische Zeitgeist-Übersetzung als würdiger Schluss des elften Slash Filmfestivals. (Filmcasino, 26.9., 20:30 und 27.9., 20:30)

Szene aus "Spree" in einem Auto

Slash 2020

Das Irrste aus den 80ern sehen

Natürlich kann man beim Slash die neuesten Beiträge aus dem Bereich des Fantastischen Films sehen. Ein besonderer Reiz heuer sind aber die umwerfenden Retro-Ausflüge im Festivalprogramm. Wer glaubt, putzige Serien wie „Stranger Things“ werden dem Genrekino der 80er gerecht, wird von zwei irrlichternden Ausnahmefilmen eines Besseren belehrt. Stuart Gordons psychedelisches Monstermovie „From Beyond“, sehr frei nach H.P. Lovecraft, wird als Tribut an den verstorbenen Regisseur gezeigt. Ein Delirium aus Schleim und Schlatz, poppig, entgrenzt, urkomisch und gruselig. (Metro, 19.9., 23:00)

Stridulum“ („The Visitor“) ist bereits 1979 erschienen, hat aber schon eine hochgradige 80ies-Fiebrigkeit. Ein surrealer Albtraum, der zu den durchgeknalltesten Hybriden zwischen Science Fiction, Horror, Bahnhofskino und Style-Ambitionen gehört. John Huston als bizarrer Babysitter, Franco Nero als Jesus out of Space oder US-Regisseur Sam Peckinpah zählen zur grandiosen Besetzung. (Schikaneder, 22.9., 23:00) Wer dabei Lust auf elektronisch pulsierende 80er-Soundtracks bekommt: Die Doku „Rise Of The Synths“ spürt dem Hype um dazugehörige Retro-Bands nach. Mit Synthcore-Urvater John Carpenter als Erzähler. (Schikaneder, 19.9., 23:00 und Metro, 23.9., 18:00).

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Im neuen FM4 Filmpodcast sprechen Christian Fuchs und Jan Hestmann mit Markus Keuschnigg, dem künstlerischen Leiter des Slash Festivals. Es geht um den Zustand des Horrorkinos 2020 – und natürlich spannende Filmtipps.

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