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Die ELSA Boys am posen

Leon Bergmann

Die Wiener Rockband ELSA ist unser Austrian Act of the Day

Sie singen von Höllen und Wunderwelten, wollen hochpoetisch und tiefgründig sein und sich in ihrer eigenen Musik verlieren. Mit ihrem self-titled Debütalbum, das heute erscheint, sind ELSA unser Austrian Act of the Day.

Von Alica Ouschan

Zugegebenermaßen kommt einem das Ganze schon irgendwie bekannt vor: Eine Männerband mit Frauennamen aus Wien, die in ihren deutschen Texten, untermalt mit Rockmusik und neuen Wienerlied-Einflüssen, zu viel trinkt und raucht, die vom Abschiednehmen, von Lust und Liebe singt. Aber ELSA sind nicht Wanda und das ist gut so.

Album Cover "ELSA"

Skirl/Assim Records

ELSA erscheint heute, 10. September, bei Assim Records.

ELSA ist ein Musikprojekt, das es schon viel länger gibt als die Band selbst. Anfänglich noch ein Solo-Songschreiber-Experiment hat sich ELSA in den letzten zwei Jahren zu einer vierköpfigen Band gemausert, die monatelang an ihrem ersten Album herumgetüftelt hat. Jetzt zeigt sich schnell, dass sich die harte Arbeit gelohnt hat. Das Ergebnis ist ein schönes erstes Debütalbum für eine Band, die noch viel vorhat.

Eine Band, die immer weiter wächst

ELSA ist eine Band, die ständig im Wandel, ständig im Wachstumsprozess ist. Musikalisch, aber auch wortwörtlich. Die ersten drei, von Sänger und Gitarrist Pipo geschriebenen Songs wurden rasch durch das gemeinsame Songwriting mit dem zweiten Bandmitglied Lukas ergänzt. Aus den Köpfen dieses Duos sind dann die acht Songs entstanden, die man auf dem Album hören kann. Als es an der Zeit war, erste Live-Konzerte zu spielen und die Platte fertigzustellen, kamen Max und Michi dazu und komplettierten die Band um Schlagzeug und Bass.

Das erste Album von ELSA speist sich also aus den Songs, die bereits vor einigen Jahren entstanden sind. Die musikalische Entwicklung, die ELSA seit ihrer Geburtsstunde hatte, lässt sich an dem Album wunderbar ablesen und hören: War die erste Single „76 Jahre“ noch sehr poppig, ein wenig seicht und an manchen Stellen fast schon schlageresk, so haben ELSA bereits mit den beiden Nachfolgern „Sag’s mir“, einer tanzbar-poppigen, aber musikalisch raffinierten Nummer, und „Glück“, einem mitreißenden Song vom endlosen Kampf gegen sich selbst, gezeigt, dass weit mehr in ihnen steckt, als der erste Song verrät. Ihr Album ist nun der Beweis, dass man diese österreichischen Newcomer auf keinen Fall unterschätzen sollte.

Auch wenn sich ihre Musik größtenteils dem alternativen Rock zuordnen lässt, schrecken ELSA nicht davor zurück, in andere Genres einzutauchen. So finden sich in ihren Songs Elemente des neuen Wienerlieds, Pop, Jazz, Punk und, wenn man genau hinhört, sogar ein paar freche 70ies Synths. Thematisch orientieren sich ELSA an den Leiden des jungen Menschen: verlorene Liebe, unerfüllte Sehnsucht, Abschied. Es geht oft ums Rauchen, Saufen, Traurigsein, Schwelgen in Erinnerungen, Niederlagen zu erleiden, in der Hölle zu schmoren und kein Glück zu haben. ELSA sind keine Happy-peppi-Band, sondern eine Band zum Fühlen - wenn man sich darauf einlassen kann.

Überladen von Pathos?

Was bei den Texten von ELSA besonders auffällt, ist die häufige Verwendung von mit Bedeutung aufgeladenen Zeilen. Alleine schon der Bandname ELSA, der als Akronym für „Ein Lächeln sagt alles“ oder „Es löscht sich alles“ steht, zeigt, dass diese Band auf geistig hochpoetische Ergüsse steht. Auch der Song „Wlouwn“ ist ein Akronym und ein perfektes Beispiel dafür, dass ELSA es lieben, wenn die eine Zeile alles heißen kann und eine andere Zeile alles sagt.

„Als ich den Song ‚Wunderwelt‘ geschrieben habe, hatte ich beim Refrain nur stehen, du ziehst mich an, und dann fällt mir ein, ich will dich ausziehen, aber im selben Moment hab ich mir gedacht: Im Ernst? Das schreibst du jetzt? Ist doch viel zu plakativ! Aber ganz ehrlich, wenn Wanda den Cousinen-Schmäh machen kann und es kommt an, warum nicht? Und meistens sind es doch genau solche Zeilen, die man einfach aufschreibt, ohne nachzudenken, weil sie ehrlich sind“, erzählt Songschreiber Lukas.

Die ELSA Boys am posen

Leon Bergmann

Schonungslose Ehrlichkeit als Erfolgsrezept

Ehrlichkeit ist für ELSA das absolut höchste Gut, das sie geschworen haben in ihrer Musik immer hochzuhalten. Immer auf ihre Intuition zu vertrauen und sich in ihrer Musik zu verlieren, daran herumzutüfteln, aber niemals etwas zu zerdenken. Und es ist die schonungslose, rohe Ehrlichkeit in ihren Songs, die die Texte, die vielleicht beim bloßen Lesen flach, gewollt, erzwungen oder getragen wirken könnten, dann doch irgendwie fühlbar macht und Gänsehaut verursacht. Das zeigt sich nicht nur bei „Wunderwelt“, dem vielleicht kitschigsten Lovesong des Albums, sondern auch bei Songs wie „Ode“.

Pipo hat die „Ode“ geschrieben, für Beziehungen, die nicht mehr sind, die nicht immer schön waren, aber an deren schöne Momente man trotzdem gern mit einem Lächeln zurückdenkt. Als Pipos reibeiserne Stimme die ersten Zeilen singt, poppt kurz unfreiwillig der unheilige Graf vorm inneren Auge auf, aber der cringy-epische „Geboren, um zu leben“-Vibe wird durch ein paar Überraschungseier in Form von englischen Zeilen aufgelockert und löst sich gegen Ende des Songs sogar gänzlich auf.

Mit „Hölle“ und „Weiße Nächte“ haben ELSA auch zwei richtige Kunstwerke geschaffen. Beide Songs gleichen textlich einem Gedicht, wecken tiefe Gefühle und könnten unterschiedlicher nicht sein: „Hölle“ ist ein klassischer alternativer Rocksong, raumgreifend und trotzdem nach innen gekehrt, hoffnungsvoll und wehmütig zugleich. „Weiße Nächte“ ist das unangetastete Highlight des Albums. Es ist ein Punksong mit Sprechgesang und der steht Sänger Pipo nicht nur ausgesprochen gut, die Instrumentierung in Kombination mit dem Text und der Energie in seiner Stimme versprüht ein so eindringliches Gefühl, das einem das Blut in den Adern gefriert.

Wenn einem all die anderen Songs trotz blanker Ehrlichkeit zu seicht und plakativ waren, beweist „Weiße Nächte“, dass ELSA mehr als eine Facette zu bieten hat, auch wenn das auf ihrem Debütalbum vielleicht nicht immer klar erkennbar ist. Dieses erste Album ist ein Ausschnitt aus der Zeit, als ELSA noch aus zwei Personen bestanden hat. Pipo und Lukas erzählen, dass seitdem bereits viele weitere Songs entstanden sind und sie bewusst einen Bruch zwischen der Arbeit zu zweit und der Arbeit in ihrer jetzigen Viererkonstellation machen wollten. Eines steht jedenfalls jetzt schon fest: ELSA ist zum Zeitpunkt ihres Debüts ein ungeschliffener Rohdiamant, der langsam Form annimmt und Lust auf mehr macht.

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