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Mercedes Spannagel hält ihr Buch in der Hand

Radio FM4 | Zita Bereuter

Buch

Mercedes Spannagel kämpft mit einem Mops gegen rechts

„Bussi links, Bussi rechts“ - In ihrem Debütroman führt Mercedes Spannagel in die Welt linker Kinder von rechten Eltern. Und ein Mops wird zum Symbol des Trotzes.

Von Zita Bereuter

Im Anfang war der Mops.
2018 gewann Mercedes Spannagel Wortlaut, den FM4 Kurzgeschichtenwettbewerb. In „Jo und ich bilden uns einen Hund ein und gehen mit ihm spazieren“ schrieb sie von einem eingebildeten Mops.
2019 erzählte sie uns: „Ich freu mich jedes Mal, wenn ich einen Mops sehe“. Und dass sie versuche, eine Geschichte mit einem realen Mops zu schreiben.
2020 erscheint ihr Debütroman „Das Palais muss brennen“. Natürlich kommt darin ein Mops vor:

Buchcover mit bunter, abstrakter Grafik, die an eine Explosion erinnert

Kiepenheuer & Witsch

Mercedes Spannagel: Das Palais muss brennen, Kiepenheuer und Witsch, September 2020

„Ich tauchte mit Marx im Café auf. Ich hielt ihn auf dem Arm und er war ganz still.
Jo schaute von seinem Bier auf und fragte: Was soll das bitte sein?
Ich setzte mich ihm gegenüber und sagte: Eine Trotzreaktion.
Ich sagte, dass Frau Bundespräsidentin sich gestern den neunten Windhund angeschafft habe und dass ich mir daher sofort diesen Mops zugelegt hätte, weil er überhaupt kein Windhund sei, und: Ich habe ihn Marx getauft, weil Frau Bundespräsidentin den Kommunismus hasst.“

Die Frau Bundespräsidentin ist die Mutter von Luise, der Ich-Erzählerin. Und Luise, auch Lu genannt, ist - wie man schon unschwer an dem Mops Marx erkennen kann - links. Nein, es gibt keine harmonische Mutter-Tochter-Beziehung. Im Gegenteil. Irgendwo heißt es: „Es geht hier also um mehr als einen Mutter-Tochter-Konflikt. Und ich sagte: Es geht hier ganz einfach um Gut gegen Böse.“ Mercedes Spannagel wollte über Kinder von rechten Politikern schreiben. „Eigentlich habe ich an Barbara Rosenkranz gedacht. Die ja einmal Bundespräsidentin werden wollte. Und die zehn Kinder hat, mit sehr germanischen Namen. Und ich hab mich gefragt, wie man sich fühlt als so ein Kind.“

Mercedes Spannagel hält ihr Buch in der Hand

Radio FM4 | Zita Bereuter

Mercedes Spannagel

Vom Plattenbau ins Palais in der Wiener Innenstadt hat sich die rechte Frau Bundespräsidentin raufgearbeitet. Dort leben Lu und ihrer Schwester Yara in dekadentem Luxus. Lu studiert Jus, Yara Kunstgeschichte – obwohl, eigentlich arbeitet sie in einem Tattoo-Studio. Die beiden lassen nichts aus. Es wird gefühlt alle drei Seiten entweder gevögelt, gekifft oder gekokst. Oder das in Kombination.

Geschmust wird notfalls mit allen. Egal, ob rechts oder links. Das Politische wird eher als Lifestyle-Element gesehen. Ein teurer Lifestyle, der von rechten Eltern finanziert wird. Für Mercedes Spannagel stellt sich die Frage, wo politisches Engagement anfängt und wie es generell ausschaut? „Sicher beginnt es schon mal bei Reflexion“, erklärt sie. „Das war mir sehr wichtig: Ich wollte durch diese Protagonisten, die auch nicht viel handeln, vielleicht eben dieses Nicht-Handeln auch aufzeigen.“

Was zählt, ist die Inszenierung: Von den Möbeln zu den Philosophen und Denkern, die zu dem teuren Gewand zitiert werden. Beziehungen, egal zu welchem Geschlecht, sind natürlich auch nicht so wirklich verbindlich, geweint wird aus dramatischen Gründen. Diese Übertreibung musste sein: „Ich glaube, die Geschichte, die ich erzählen wollte, funktioniert nur in dieser kompletten Überspitzung. Natürlich kann man sich das Ganze vielleicht noch satirischer vorstellen. Was aber dann eine Spur wegführt von Literatur.“

Dennoch erkennt man erschreckend viel Reales in diesem Debüt. Mercedes Spannagel hat ein feines Gespür für Details. Von Anwälten mit bunten Socken zum Yoga im Museum. Ihre Sprache ist jung und schnoddrig.

So gibt etwa ein Mann mit einem Shih-Tzu-Hündchen auf dem Arm vor Lu und ihrem Mops an und sagt, dass die Vorfahren seines Hundes Weggefährten des Dalai Lama gewesen seien. Er fragt, was ihr Hund denn könne. „Äh, sagte ich. Wenn ich die Zeitung in die Ecke werfe und sag: Auf der Titelseite ist schon wieder so ein Nazi, dann geht er hin und scheißt drauf.“

Sie wollte starke, coole Protagonistinnen, erzählt Mercedes Spannagel. „Ich habe viele amerikanische Gangsterfilme geschaut, die immer sehr witzige Dialoge haben und habe mich gefragt, warum das nicht auch Frauen sein können?“ Dialoge sind ihre Grundbausteine, erklärt sie und verspricht sich. „Dialoge sind für mich sehr witzig.“ Sie lacht und verbessert sich. Dabei sind ihre Dialoge beides: witzig und wichtig.

Mit „Das Palais muss brennen“ trifft Mercedes Spannagel wohl einen gegenwärtigen Nerv. Der Roman ist auf der Shortlist Debüt 2020 für den Österreichischen Buchpreis.

Der Mops hat noch viel vor.

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