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Symbolbild "Punk"

CC0/Pixabay

„Superbusen“ von Paula Irmschler ist ein feministisches Antifa-Pop-Buch

Paula Irmschlers Debut Roman umfasst einen rasanten Rückblick auf das Erwachsenwerden, die Gedanken und Selbstzweifel einer jungen, dicken, sozial schwachen, linken Frau in Ostdeutschland - inklusive Gründung einer feministischen Punkband.

von Alica Ouschan

Buchcover superbusen

Claassen Verlag

Superbusen von Paula Irmschler hat 320 Seiten und ist im claassen Verlag erschienen.

Vor zwei Jahren hat im ostdeutschen Chemnitz die „Wir sind mehr!“ Veranstaltung stattgefunden – über 60.000 Menschen waren bei der spontan auf die Beine gestellten Konzertreihe gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsruck. Diese Bilder und leider auch die Bilder von rechtsextremen Aufmärschen schießen einem in den Kopf, wenn über Chemnitz geredet wird. Vielleicht noch Karl Marx, Trettmann oder Kraftklub, aber das war’s dann meistens auch schon.

Die Journalistin Paula Irmschler ist in Dresden aufgewachsen und für ihr Studium nach Chemnitz gezogen. In ihrem Debut „Superbusen“, einem Roman mit autobiografischen Einflüssen, erzählt sie von der Studienzeit in Chemnitz und zeigt uns die Stadt aus einem neuen Blickwinkel.

Auf der Flucht vor sich selbst

Als die Geschichte beginnt, ist Protagonistin Gisela mal wieder auf dem Weg nach Chemnitz. So wie damals, als sie zum Studieren aus ihrer Heimat Dresden nach Chemnitz geflohen ist, um dort zu sich selbst zu finden. Dann, als das nicht klappen wollte, zieht sie in einer Nacht- und Nebel-Aktion nach Berlin. Weil sie in der Hauptstadt aber auch nicht so richtig glücklich wurde und sie noch ein paar Rechnungen mit ihren Chemnitzer Leuten offen hat, flieht Gisela diesmal vor ihren Beziehungsproblemen und ihrem neuen Leben in Berlin.

„Jetzt also mal schön wieder nach Chemnitz“, nuschle ich im Raucherbereich am Gleis in meine Zigarette, als wäre ich die neurotische Protagonistin einer Serie, als hörte mir ein unbestimmtes Publikum zu und interessierte sich für die pathetische Ankündigung.

Das Buch tarnt sich zwar anfangs noch als klassische „Ich laufe vor meinen Problemen davon“-Geschichte, entpuppt sich dann aber als Rückblick in eine Zeit, in der Gisela irgendwie doch zu sich selbst gefunden hat, ohne es zu merken. Denn als sie nach Chemnitz zog, fand sie tolle Freundinnen, die gemeinsam etwas bewegen wollten. Ob beim gemeinsamen Saufen, auf Demonstrationen gegen Nazis oder als sie schließlich eine feministische Punkband gründen – „Superbusen“ wird der Bandname und titelgebend für Paula Irmschlers Debütroman.

Frauenfreundschaft, Feminismus und Musik

In- und Außerhalb der Musik helfen sich die vier Frauen gegenseitig dabei, Themen wie Sexismus, Essstörungen, Zwangsexmatrikulation, ungewollte Schwangerschaft, Rechtsruck, Depressionen und Konkurrenzdenken unter Frauen zu verarbeiten - um nur einige Beispiele zu nennen.

Es ist ätzend, dass Frauen nicht drum herumkommen, diese Dinge zu thematisieren. Männerbands können sich ausschließlich auf ihre Musik konzentrieren. Wir versuchten das jetzt auch, und endlich schrieben wir „Sterbeschlüpfer“ fertig, denn Maxi hatte eine Melodie parat.

Paula Irmschler bringt die vielen Themen mühelos und authentisch in nur einer einzigen Geschichte unter, ohne dass sie überladen oder oberflächlich wirkt. Ihr Roman hält einer feministischen Analyse problemlos stand und ist zu jedem Zeitpunkt durch und durch politisch. Der flüssige Erzählstil ist ironisch und humorvoll zugleich, was das das Buch trotz seinen über 300 Seiten sehr kurzweilig und die Protagonistin extrem sympathisch macht.

Autorinnenbild Paula Irmschler

Thomas Hintner/Ullstein Verlag

Paula Irmschler aus Dresden hat in Chemnitz studiert und arbeitet als Redakteurin beim Titanic Magazin. Superbusen ist ihr erster Roman.

„Let the music heal your soul“

Ein zusätzlicher Herzöffner sind die vielen popkulturellen Referenzen, allem voraus die vielen Zitate aus Pop-Hymnen der 2000er an passenden Stellen - ganz nach dem Motto „Let the music heal your soul“. Wie nebenbei schaut man dabei durch Giselas Augen mit einem sehnsüchtigen Blick auf das ostdeutsche Chemnitz, das man aus dieser Perspektive nur selten sieht.

Der einzige Kritikpunkt an Paula Irmschlers äußerst gelungenem Debut sind die leider nur oberflächlich beschriebenen und deshalb blass geratenen Nebenfiguren, sowie die vermischte, teils konfus wirkende Chronologie der Erzählung. Abgesehen davon ist „Superbusen“ ein zeitgemäßes Antifa-Pop-Buch über und für kämpferische Frauen, das sich bei weitem nicht nur für kämpferische Frauen empfiehlt.

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