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Wiener Kaffeehaus

APA/HERBERT NEUBAUER

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Caroline, die charmante Wiener Kellnerin

Der typische Wiener Kellner ist grantig und hochnäsig. Aber Caroline ist anders.

Eine Kolumne von Todor Ovtcharov

Der typische Wiener Kellner ist grantig und hochnäsig. Er bewegt sich mit der Schnelligkeit und der Würde einer spanischen Galeone. Wann immer er bei den Kunden steht, hängt er über ihnen wie eine unmittelbare Gefahr. Wenn er in guter Laune ist, sagt er ein paar Worte, aber ich habe auch solche gesehen, die einen mit der stoischen Ruhe des Buddha betrachten. Solche Kellner erwarten, dass die Kunden ihre Bestellungen schon zu Hause vorbereitet haben. Wenn sie die Bestellung aufnehmen, hat man das Gefühl, man habe einen Vertrag für eine bedingungslose Kapitulation unterschrieben.

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Es gibt natürlich auch Ausnahmen. So eine Ausnahme ist Caroline, die in einem dieser Cafés arbeitet, die eröffnet wurden, als Franz Josef noch ein junger Bub war. Caroline fliegt wie ein Kolibri um die Tische herum. Sie schafft es, mit den älteren Wiener Bürgerinnen gleichzeitig nah und respektvoll zu kommunizieren. Da sie schon seit mehr als 20 Jahren da arbeitet, kennt sie ihre Stammkunden auswendig. Sie weiß, in welchem Moment sie einen Spritzer und in welchem Moment sie Orangensaft trinken wollen. Sie kennt ihre Probleme, sie kennt ihr Gewand und weiß genau, in welchem Moment sie ihnen ein Kompliment machen soll. Für diese Stammkundinnen ist Caroline ein Teil vom Kaffeehaus und sogar der beste Teil. Vor drei Jahren war Caroline kurzfristig krank und konnte nicht zur Arbeit kommen. Als die Stammkundinnen erfuhren, dass sie heute nicht da sei, gingen auch sie nach Hause und kamen erst nach einer Woche wieder.

Caroline ist auch gut zu den Touristen. Sie versucht, der alleinerziehenden Mutter aus Irland zu helfen, als deren Sohn ihren Rock mit einem Feuerzeug anzuzünden versucht. Nach einem Gespräch mit Caroline wird er das nie wieder probieren. Caroline schafft es, russische Bonzen zu überreden, dass es nicht nett ist, die Rechnung von 17,98 mit einem 500 Euro Schein zu zahlen und amerikanischen Touristen zu sagen, dass man in solchen Kaffeehäusern keinen Kaffee „to go“ bekommt. In den letzten Jahren lernte Caroline sogar einige Sätze auf Chinesisch. Alle Kunden – von den bürgerlichen Omas bis zu den Chinesen - sind sehr zufrieden, von einer „echten“ Wienerin bedient zu werden.

Eigentlich heißt Caroline Galja und wurde in einer kleinen Stadt in Bulgarien geboren. Als sie im Kaffeehaus zu arbeiten begonnen hat, durften bulgarische Staatsbürger in Österreich nicht legal arbeiten. Sie zahlte ihrer Nachbarin Geld, um ihre Identiät anzunehmen und legal arbeiten zu dürfen. So wurde aus Galja Caroline. Jetzt ist sie zwar unter ihrer wahren Identität angemeldet, doch alle kennen sie schon als Caroline. Sie lebt ein Doppelleben. Sie hat sich schon so sehr an Caroline gewöhnt, dass sie sich nicht mal auf der Straße umdrehen würde, falls sie jemand mit ihrem echten Namen riefe.

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