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Portraitfoto Musiker Martin Klein

Pamela Rußmann

Martin Klein gibt nicht auf

Ein Klavier, einige Akkorde und eine samtene Stimme. Mehr braucht es bei Martin Klein nicht, um tief zu berühren. Mit „Nachtlieder“ legt der Pianist und Sänger sein neuestes Werk vor und transformiert schwere Themen durch seine Poesie in hoffnungsvolle Pop-Balladen.

von Andreas Gstettner-Brugger

Eine gewisse Schwere ruht auf meinen Schultern. Über ein Album zu schreiben, das einen im Herzen trifft, das mit der eigenen Gefühlswelt in starke Resonanz tritt, das durch seine Poesie und seine musikalische Reduktion auf das Wesentliche so schwer zu fassen ist, scheint mir schwer möglich. Vielleicht will ich auch nur zu viel. Eben all diese Gefühle und Assoziationen, die diese sanften „Nachtlieder“ in mir auslösen, in eine musikjournalistische Form zu bringen. Vielleicht sollte ich lieber gar nichts wollen, wie der Pianist und Liederschreiber Martin Klein in dem gleichnamigen Stück seines dritten Albums singt.

Die Welt lebt und lebt
ist lebendig und still zugleich
die einen sind arm, die anderen sind reich
das Glück bebt und bebt
ist beständig und Traum zugleich
die einen haben Charm den anderen ist’s gleich
ich will gar nichts...

(„Ich will gar nichts“)

Martin: „Ich habe ein bisschen gehadert beim Schreiben dieses Liedes und habe mir tatsächlich gedacht: Es hat einfach schon soviele großartige Songwriter, Dichter und Komponisten gegeben. Was will ich jetzt eigentlich machen? Was für ein neues Lied soll ich da noch schreiben? Und dann hab ich das mal probiert, hab Bach und Goethe in dem Song erwähnt, weil sie mich schon lange beschäftigen. Aber eigentlich will ich gar nichts.(lacht)“

Tipp:

Martin Klein präsentiert sein neues Album „Nachtlieder“ am Donnerstag 17.9.2020 im Radiokulturhaus.

Dieses Nichts-wollen macht sofort die Bescheidenheit und Dankbarkeit von Martin Klein hörbar und gleichzeitg verdeutlicht dieses Solo-Piano-Stück die Genialität dieses Musikers, mit wenigen einfachen Mitteln einen großen Effekt erzeugen zu können. Und es macht mich dankbar, dass der Tiroler Pianist die letzten Jahre am Schreiben dieser Songs drangeblieben ist. Denn die vorliegende Platte war - wie Martin selbst meint - ein langer und harter Weg.

Wenn die Elektronik in den Mistkübel wandert

Martin Kleins letzten beiden Alben „Lass uns bleiben“ und das großartige „Das Leben hats doch gut mit uns gemeint“ waren Solo-Piano-Platten mit deutschsprachigen Texten. Neben Film- und Theatermusik hat Martin auch die experimentelle Elektro-Platte „Tracks for My Keyboard“ veröffentlicht.

Album Cover "Nachtlieder" von Martin Klein

Pamela Rußmann

Und so hat er sich für sein drittes Album überlegt, die Songs, die er in den letzten Jahren in der nächtlichen Ruhe und Stille geschrieben hat, in elektronisches Klanggewand zu packen. Als die selbst produzierten Tracks fertig waren, war Martin mit dem Ergebnis und dem Sound überhaupt nicht zufrieden. Also sind diese Versionen in den virtuellen Mistkübel am Computer gewandert und er hat die Lieder „old school“ an einem Nachmittag im Studio aufgenommen und eingesungen.

Das Credo war - wie auch schon bei seinen vorhergehenden Solo-Alben: keine Overdubs, keine zusätzlichen, im Nachhinein hinzugefügten Aufnahmen. Alles ist live, alles in einem Moment aufgenommen. Und da kam sie auch wieder, diese Magie, diese unverfälschte Energie, die seine Stück so eindringlich und intim machen. Das passt auch sehr gut zu den Themen, die Martin Klein auf „Nachtlieder“ verhandelt.

Nächtliche Alltagsgeschichten und Generationenlieder

„Alle schlafen noch“ ist eine poppige, friedvolle Miniatur, die einen frühmorgendlichen, taumelnden Spaziergang durch die Straßen Wiens nach einer arbeitsreichen Nacht beschreibt. Bei dem Lied „Es ist gut“ träumt Martin Klein von einer nahestehenden Person im Staub der Nacht, sieht das Gesicht dieser Person beim Aufwachen und weiß: Es ist gut. Oder er sitzt in seiner Kindheitserinnerung neben dem Schaukelstuhl „Auf der Veranda“ und hört mit dem wortkargen Großvater Radio.

In dem sanften Lied „Holzeisenbahn“ treffen sogar alle drei Generationen aufeinander. Ohne eine verklärte Idylle heraufzubeschwören vermittelt Martin Klein ein liebevolles und ehrliches Bild einer Familie, die mit den Unwegbarkeiten des Lebens versucht umzugehen.

Der Sohn blickt auf den Vater und hält die Hand des eigenen Kindes fest
er fliegt hinaus im Staub der Nacht, versucht die Zeit zu stoppen
er stemmt sich gegen schwere Räder und schwitzt und schreit und weint
die Zeit die lächelt liebevoll und hält das Rad kurz an.

(„Holzeisenbahn“)

Von Hoffnung und den Sternen

Martin Klein schafft es mit seiner einfachen und poetischen Sprache, die Schwermut und Melancholie zu druchbrechen und seine Lieder zum Strahlen zu bringen. Es könnte einem immer wieder auch das Wort Hoffnung durch den Kopf gehen. Die glitzernden Akkorde von „Wir sind alles“ verzaubern uns, während Martin die Vergänglichkeit des Lebens der Verbundenheit der gesamten Menschheit gegenüberstellt.

Auch die liebevolle Ballade „Das Goldne“ berührt durch die schon erwähnte Bescheidenheit und die Besinnung auf die wichtigen Dinge des Lebens. So ist das Goldne oft ein schöner Moment im Hier und Jetzt, den wir aufsaugen. Außerdem funkelt das Goldne bei Martin Klein erst durch das Dunkle und selbst in den Sorgen erhellt es unseren Tag.

Portraitfoto Martin Klein Band

Andreas Moser

Aporpos Funkeln: Der Blick zu den Sternen und die Himmelskörper, die vermehrt in den Songs von Martin Klein vorkommen, sind ihm auch privat wichtig. So besucht er in Wien immer wieder die dunklen Plätze, um in den Sternenhimmel schauen zu können. Der Blick auf’s Ganze beruhig und macht innerlich oft frei.

Hinter den Wellen sind die Korallen
die eine andre Welt beschallen
Über den Sternen sind die Kometen
die brennend ihre eigne Welt betreten
Ein wenig Unendlichkeit
Keine Verbindlichkeit
Und du bist frei

(„Und du bist frei“)

Wie hier zu hören ist, hat Martin Klein ein paar seiner „Nachtlieder“ mit Band aufgenommen und dem Album hinzugefügt. Das macht auch die Live-Energie des Musikers hör- und spürbar und gibt so manchem Lied eine rockige Note.

Martins Lieblingssong ist allerdings „Gib nicht auf“. Die coolen Akkorde eignen sich laut Martin gut, um einen schönen Remix zu machen. Er würde sich sehr freuen, wenn ein Produzent sich diesem Lied annehmen würde. Inhaltlich beschreibt der Song das Hadern mit dem künstlerischen Dasein und mit der finanziellen Unsicherheit. Es geht um die Höhen und Tiefen, die jeder Mensch durchlebt. Gleichzeitig ist es eine Ermutigung, nicht aufzugeben und seine Träume zu verfolgen.

Die „Nachtlieder“ von Martin Klein erinnern uns daran, was im Leben wichtig ist. An die Beziehungen, die wir führen. An die kleinen Alltagsmeomente, die uns Glück und ein Lächeln bescheren. An die schönen Erinnerungen wie es war, einfach nur Kind zu sein und daran, dass alles vergänglich ist. Durch die Offenheit von Martin Klein, sein Gefühlsleben hier preiszugeben, hat er uns ein wunderschönes Geschenk gemacht. Nämlich ein sowohl musiklisch als auch menschlich großartiges Album.

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