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Zuggleise mitten im Grünen

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Mit dem Zug Richtung mehr Klimagerechtigkeit

Die meisten Menschen dieser Erde haben noch kein Flugzeug von innen gesehen, müssen aber unter den Auswirkungen der Abgase leiden. Was muss passieren, damit klimafreundlicheres Reisen einfacher und leistbarer wird?

Von Diana Köhler

Auf der Erde leben um die 7,8 Milliarden Menschen. 93 Prozent davon sind noch nie mit einem Flugzeug geflogen müssen aber die Folgen für den weltweit massiven Flugverkehr tragen. Damit also 7% der Weltbevölkerung an Sandstränden Cocktails schlürfen können, leidet der Rest unter Lärm, schlechter Luft und daraus entstehenden Krankheiten. Besonders sind das Menschen und Gemeinschaften aus dem globalen Süden. Also Menschen, die in sogenannten „Entwicklungsländern“ oder Schwellenländern leben.

Die Corona-Pandemie hat den globalen Flugverkehr erst einmal zum Stillstand gebracht. „Es war wie ein Aufatmen“, sagt Mira Kapfinger von Stay Grounded. Die Organisation Stay Grounded hat sich rund um die Aktionen gegen die dritte Piste in Wien 2015 und das erste Wiener Klimacamp gegründet und sich zu einem globalen Netzwerk entwickelt. Dieses hat mehr als 160 Mitglieder: NGOs, Menschenrechtsgruppen, Gruppen die sich in ihrer Gemeinschaft für mehr Klimagerechtigkeit einsetzen, Aktivist*innen, Gewerkschafter*innen, Wissenschaftler*innen. Sie alle setzen sich für einen ökologischen Umbau des Transportsektors ein und wollen erreichen, dass alternative Verkehrsmittel wie der Zug gefördert werden. Mira Kapfinger ist sich sicher, die Klimakatastrophe kann nur durch globale Vernetzung verhindert werden.

Ein fairer Übergang

Was aber muss passieren, damit dieser ökologische Übergang stattfindet? Geht es nach Stay Grounded, muss der auf jeden Fall fair gestaltet sein, „Just Transition“ nennen sie das. Findet nämlich so ein Wandel statt, ist die Gefahr groß, dass Arbeiter*innen aus dem Transportsektor darunter leiden. Also Menschen, die dort ihren Lebensunterhalt verdienen, dürfen ihre Jobs nicht einfach so verlieren. Dafür muss vor allem die Macht der großen Konzerne zurückgedrängt werden und ein ökologisches Transportwesen, das demokratisch implementiert ist, ausgebaut werden, sagt Mira Kapfinger.

Kurz- und Mittelstreckenflüge sollen ganz verboten werden und die Bahninfrastruktur ausgebaut werden. Das heißt bequeme Tag- und auch Nachtzüge, aber auch Busse oder Schiffe und Fähren sind erlaubt, wenn sie mit klimaneutralen Energien betrieben werden.

Beim Zugfahren fehlt der europäische Gedanke

Diese Maßnahmen würden auch Elias Bohun freuen. Er hat im Dezember 2019 zusammen mit seinem Papa Matthias ein Reisebüro nur für Zugreisen gegründet. Inspiriert wurde er von seiner eigenen Zugreise von Wien nach Vietnam. Zuerst war sein Umfeld skeptisch und hätte sich nie vorstellen können, dass er das auch schafft. Aber er hat es geschafft und plötzlich wollten die Zweifler auch. Also warum nicht gleich ein Reisebüro gründen und den Leuten zeigen, dass das alles eigentlich nicht so schwer ist, sondern spannend und entspannend zugleich?

Elias und Matthias Bohun haben die Reiseagentur "Traivelling" gegründet.

Sascha Aumüller

Elias und Matthias von Traivelling

Und so war es dann auch, Traivelling hat das Licht der Welt erblickt. Aber eigentlich haben Elias und Matthias vor allem ein Ziel: In Europa überflüssig werden und nur mehr weltweite Zugreisen organisieren. Zugreisen soll in Europa so einfach sein, dass man dafür kein Reisebüro braucht. Nur leider ist genau das Gegenteil der Fall, es fehle bei uns gerade bei den Zugreisen der europäische Geist, sagt Elias Bohun. Jedes Land hat seine eigene Plattform, es gäbe viel zu wenig Kooperationen und länderübergreifende, durchgehende Strecken.

In China oder Russland ist es normal, 2-3 Tage im Zug zu sitzen, inklusive Bett und Menü. Und das zu einem Ticketpreis, der erschwinglich ist. In Europa sei es schon eine Sensation, wenn es einen Nachtzug von Wien nach Berlin gibt, mit einer Liege und Kaffee in der Früh. (Und selbst den wollten die ÖBB einmal abschaffen.)

Ein gutes Leben für alle

Genau das ist auch der Punkt, den Mira Kapfinger von Stay Grounded besonders herausstreichen will: Zugfahren mag zwar schön sein, aber nicht zu einem so hohen Preis, wie er in Europa zurzeit verlangt wird. Es darf nicht mehr normal sein, mal schnell ins Flugzeug zu springen, um ein Wochenende durch Barcelona zu rauschen. „Slow travel“ ist hier das Stichwort, also längere, langsamere Reisen.

In Großbritannien wird das teilweise sogar schon von Arbeitgeber*innen ermöglicht: Die Angestellten bekommen länger Urlaub, wenn sie als Transportmittel den Zug wählen.

Der Übergang zu einem ökologischen Transportsystem kann jedoch nur mit einem Wandel unseres gesamten Gesellschaftssystems einhergehen. Eine „klimagerechte“ Welt ist auch gleichzeitig eine, in der ein gutes Leben für alle Menschen möglich ist: Ohne Sexismus, Rassismus, Klassismus und jegliche andere Form von Diskriminierungen. Dafür müssen laut Stay Grounded aber vor allem die Reichsten der Welt, die zu einem Großteil für die Klimakrise verantwortlich sind, ihre Verantwortung wahrnehmen.

Ein langer Weg in kleinen Schritten

Um das zu erreichen, braucht es laut Stay Grounded viele Schritte und Aktionen. Der Bau von neuen und der Ausbau von bestehenden Flughäfen muss ebenso verhindert werden, wie das beleibte „Offsetting“. Also die Möglichkeit sich von Emissionen „freizukaufen“ indem Fluggesellschaften zum Beispiel für Wiederaufforstungsprogramme bezahlen. Dies sei einfach irreführen und ändere nichts am eigentlichen Problem, Treibhausgase würden nicht reduziert.

Einen kleinen Schritt in die richtige Richtung hat jetzt Traivelling gemacht: Während des Lockdowns haben Elias und Matthias eine Datenbank und Plattform ausgebaut, mit der es einfacher sein wird, in Europa Züge zu buchen. Zwar ist sie schon fix und fertig, nur wird es noch eine Weile dauern, bis sie auch online geht. Elias hofft nur eines: „Wenn es dann endlich soweit ist, dass wir wieder reisen können, dass die Leute es sich zwei Mal überlegen, ob sie in ein Flugzeug steigen oder nicht doch lieber mit dem Zug fahren.“

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