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Die App Too Good To Go

Too Good To Go

Essen retten via Handy - „Too Good To Go“ im Selbsttest

Über die App kannst du Speisen, die in Lokalen sonst nach Küchenschluss weggeworfen werden, um ein Drittel des ursprünglichen Preises kaufen und selbst abholen. Wir haben den Service getestet.

Von Felix Diewald

Es ist 15 Uhr, ich lade mir die App aufs Handy und sehe, welche Lokale in der Nähe heute etwas übrig Gebliebenes anbieten. Auf den ersten Blick ziemlich viele. In einem Hipster-Café um die Ecke reserviere und bezahle ich ein „Überraschungspaket“ um 3.99 Euro (statt dem Regulär-Preis von 12 Euro für das Mittagsmenü). Dieses muss ich schon vorab in der App bezahlen und zwischen 18 und 19 Uhr abholen. Was drin ist, erfahre ich im Vorhinein nicht. Vor Ort habe ich die Wahl zwischen einem Lammragout und einer veganen Alternative.

850 Restaurants in Österreich dabei

„Too Good To Go" ist ein europaweit tätiges Unternehmen. In Österreich ist man vor einem Jahr mit 35 teilnehmenden Betrieben gestartet und hat seinen Service mittlerweile auf einige Landeshauptstädte ausgeweitet. Laut Eigenaussage gibt es über 850 Restaurants als Partner. Die App ist keine gemeinnützige NGO, sondern ein „Sozialunternehmen", wie Österreich-Chef Georg Strasser erklärt. „Jedes Mal, wenn wir ein Lebensmittel oder Portionen retten, tun wir Gutes für die Umwelt, aber können auch einen gewissen Umsatz machen. Damit finanzieren wir die App. Aber gleichzeitig ist immer der große Auftrag, Lebensmittel zu retten und das in den Mittelpunkt zu stellen. Der Umsatz ist sozusagen nur Mittel zum Zweck.“

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Lokale können im Laufe das Tages „Überraschungspakete“ in die App stellen, wenn sie merken, das am Abend etwas übrig bleiben wird.

3 oder vier Euro pro „Überraschungssackerl“

Neben Restaurants sind auch einige große Bäckerei-Ketten in der App vertreten. Ein paar Tage später checke mir für den nächsten Morgen was vom türkischen Bäcker mit Gebäck vom Vortag um 2.99€. Ich bekomme ein Paket, das mit drei Laib Brot und verschiedenen Semmeln so umfangreich ist, dass auch meine Mitbewohner*innen eine Freude haben. Die Portionen, die ich bei meinen verschiedenen Tests bekomme, sind meist ordentlich, aber nicht immer: Beim Biomarkt etwa bekomme ich abends um die drei Euro „nur“ eine Suppe und ein Weckerl.

„Was noch übrig ist, wird angeboten.“

In meinem innerstädtischen Viertel in Wien machen viele Restaurants mit. Als ich aber um ein Interview Anfrage, wollen einige Gastronom*innen nicht öffentlich darüber sprechen, dass sie das Angebot der App nutzen. Vielleicht wollen sie nicht zu sehr anpreisen, dass man statt tagsüber den „Normalpreis“ zu zahlen, dasselbe am Abend auch um ein Drittel bekommen kann.

Michael arbeitet beim Restaurant Mimoza auf der Wiener Reinprechtsdorferstraße. In das Lokal kommen eigentlich jeden Abend nach Küchenschluss um 23 Uhr Menschen, die sich noch ein Überraschungspaket über die App holen. „Was noch übrig ist, wird angeboten. Warum sollen wir’s wegschmeißen, wenn es bedürftige Menschen gibt oder einfach Hunger haben, sollen sie gerne vorbeikommen. Wir machen jetzt nicht nur für die App extra Menüs.“

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Auch große Bäckerei-Ketten nehmen am Angebot der App in Österreich teil.

App soll kein Anreiz für Lokale sein, mehr zu kochen

Aber die Frage stellt sich: Bietet die App nicht auch mögliche Anreize für Lokalbetreiber, mehr Essen zu produzieren und am Abend noch ein billiges Menü Surprise extra zu kochen und dadurch mehr Umsatz zu machen? Und ist die App für die großen Bäckereiketten, die mitmachen, nicht auch eine Möglichkeit für Rabatt-Aktionen? Das würde schließlich am Ziel der Lebensmittelrettung vorbeigehen.

Georg Strasser von „Too Good to Go“-Österreich argumentiert, dass es sich für die Lokale nicht rentieren würde, extra nur für die App mehr zu kochen. „Wir möchten nicht, dass Bäcker oder andere Restaurants extra für die App produzieren. Es soll es immer um Restbestände gehen. Um Essen, das noch völlig einwandfrei ist, aber zu einem vergünstigten Preis. Wirtschaftlich rechnet es sich nicht, extra für die App zu einem Drittel des eigentlichen Preises zu produzieren.“

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Wer ein Essens-Paket für den Abend haben will, muss im Vorhinein reservieren und bezahlen - und sollte schnell sein.

Gute Option für Menschen, die nicht wählerisch sind und zentral wohnen

Mein Fazit nach einer Woche testen: Du musst dein Abendessen relativ genau vorausplanen - gegen 15 Uhr sollte man bereits in einem Lokal reserviert und bezahlt haben – spontan abends auf die App schauen spielt‘s eher nicht, denn die „guten“ Angebote sind schnell ausverkauft. Und: So viele Restaurants, die regelmäßig bei dir in der Nähe etwas zu attraktiven Uhrzeiten anbieten, sind’s im Endeffekt doch nicht. Viele Angebote sind zu weit entfernt, um sich schnell ein Abendessen zu organisieren oder erst ab 22 Uhr nach Küchenschluss abzuholen.

Das logistische Grund-Problem beim Thema Essens-Rettung und -Verteilung, dass man sehr spontan und räumlich flexibel sein muss, kann auch diese App nicht wirklich lösen. Aber der Service kann eine gute Option für Menschen sein, die alleine leben, nicht gerne kochen, zentral neben vielen Lokalen wohnen, essens-technisch nicht zu wählerisch sind und kein Problem damit haben, im Vorhinein zu reservieren und zu bezahlen.

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