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Fenne Lily

Nicole Loucaides

Spannender Gitarrepop von Fenne Lily

Die britische Songschreiberin Fenne Lily entfaltet auf ihrem neuen, zweiten Album ihr volles Potential. „Breach“ ist zum Teil in den USA entstanden, im Tonstudio von Alternative-Rock-Legende Steve Albini, wo auch schon die Smashing Pumpkins oder PJ Harvey Musik aufnahmen.

von Eva Umbauer

Fenne Lily fühlt sich mit gerade einmal dreiundzwanzig Jahren schon einmal als eine Art „Veteranin“. Seit sie sechzehn war, macht sie professionell Musik. Vor vier Jahren spielte Fenne etwa auch beim Blue Bird Festival in Wien. Im FM4-Interview erinnert sich die englische Musikerin noch genau an diesen Auftritt, nämlich dass sie mit ihren Eltern nach Wien gereist und ganz allein auf der Bühne im Porgy & Bess fürchterlich nervös war.

Zwei Jahre danach erschien dann das erste Album von Fenne Lily, ein wunderhübsches, aber auch recht trauriges Singer/Songwriter-Werk. Die Songs für „On Hold“ hatte Fenne mit fünfzehn zu schreiben begonnen. Damals klang bei ihr alles weniger fokussiert als heute. „On Hold“ war der Wegbereiter für „Breach“, das viel bewusster entstanden ist als „On Hold“.

Seither hat sich Fenne Lily ein internationales Publikum erspielt. Ihr neues Album, „Breach“, ist eine Art Neustart. Das Wort „breach“ bedeutet soviel wie „brechen“, etwas brechen. Aber Fenne Lily bezieht sich bei ihrem Albumtitel auch auf das Wort „breech“. Vor der Geburt war Fenne Lily in Steißlage im Bauch ihrer Mutter - Füße nach unten, Kopf nach oben, statt umgekehrt. Steißlage heißt „to be breech“.

Wortspiele

Fenne Lily spielt gerne mit Worten. Einer ihrer neuen Songs heißt etwa „Alapathy“, eine Kreation aus „apathy“ und „allopathy“. Apathie und Allopathie - letzteres steht für die Schulmedizin, das Gegenteil der Homöopathie. Fenne Lily spielt damit auf ihre Gesundheit an, auf psychische Probleme, mit denen sie zu kämpfen hatte. Von Medikamenten dagegen hält sie eher nichts, denn sie würden nur zudecken, anstatt sich um die Ursache zu kümmern.

In „Hypochonder“ geht es auch die Gesundheit, vor allem die psychische, ein Thema, das ihr wichtig ist. Im Song heißt es: „These conversations I have with myself, only as hard as I make them, these complications I have with my health.“

„Breach“ ist, wie die Künstlerin sagt, „an album about isolation, but even before corona. It’s about finding peace while being alone.“

Fenne Lily wurde in London geboren, wuchs in einem kleinen Ort in Südwestengland auf und lebt jetzt in Bristol, jener südwestenglischen Stadt, aus der Bands wie Massive Attack kamen. Aber auch in Berlin hat sie Zeit verbracht. Einen ihrer neuen Songs nennt sie dann auch „Berlin“. Es ist eines der Herzstücke von „Breach“ - entstanden, nachdem Fenne Lily in Berlin zwei Mal hintereinander das Buch „Just Kids“ von Patti Smith gelesen hatte.

Ansonsten ist die Britin mit ihrem neuen Album aber eher Nordamerika-orientiert. „Breach“ erscheint beim US-Plattenlabel Dead Oceans und ist zum Teil auch in den USA entstanden - im Aufnahmestudio von Steve Albini in Chicago.

Der Alternative-Rock-Pionier Steve Albini, der selbst in zahlreichen Bands spielte, etwa Big Black, nahm schon die Smashing Pumpkins auf, genauso wie Nirvana oder auch die Britin PJ Harvey. Der Musiker, die sich nie als Produzent bezeichnet, sondern statt „produzieren“ immer das Wort „aufnehmen“ verwendet, ist eine absolute Legende.

Steve Albini

Fenne Lily

Nicole Loucaides

„Breach“ von Fenne Lily ist am 19.09.2020 bei Dead Oceans erschienen.

Als Fenne Lily mit ihrer Band in sein Studio kam, war besonders ihr Bassist komplett überwältigt, tatsächlich im Studio von Steve Albini zu sein. Auch, wenn das Album nicht von ihm sondern von Brian Deck produziert wurde, der etwa schon Iron And Wine oder Modest Mouse produzierte und in der Band Red Red Meat spielte: Als Steve um die Ecke kam und sagte, er wäre stets da, um zu helfen, da fiel der Bassist sprichwörtlich in Ohnmacht. Fenne Lily dagegen strahlt fast eine gewisse Abgeklärtheit aus, selbst wenn sie von PJ Harvey spricht.

Als ihr jemand das PJ Harvey Album „White Chalk“ schenkte, verstand sie es, so erzählt die Musikerin im FM4-Interview, nicht wirklich. Erst später kippte sie auf die Musik von PJ Harvey rein. Fenne Lily wuchs im selben kleinen Ort im südwestenglischen Dorset auf, aus dem auch Polly Jean Harvey kommt. Fenne sah als Kind und Jugendliche Polly immer wieder auf der Straße oder im Plattengeschäft. Sie hatte etwas Überirdisches, eine ganz eigene Aura, so erinnert sich Fenne Lily an ihre Begegnungen mit einer der bedeutendsten britischen Musikerinnen der Gegenwart.

Fenne Lily verbrachte im Grundschulalter zwei Jahre in Europa. Zusammen mit ihrer Familie fuhr sie in einem Wohnmobil vor allem durch Spanien und Portugal. Die Kinder - Fenne und ihr älterer Bruder - wurden während dieser Zeit von den Eltern unterrichtet. Erst mit neun Jahren ging Fenne in England wieder regulär in die Schule. Dass sie eine künstlerische Laufbahn einschlagen würde, war ihr schon bald klar. Als sie die Musik von Feist hörte, und ältere Songs von Joni Mitchell oder Nick Drake begann sie, Gitarre zu lernen.

Entwicklung

Fenne Lily ist zum Teil noch immer die filigrane, verwundbare Singer/Songwriterin, als die wir sie kennengelernt haben, aber insgesamt hat sie nun ihren Sound erweitert. Er hat nun mehr Dichte und Kraft, eine gewisse Dreampop-Qualität. Bass und Schlagzeug sind eindringlich, die Gitarren oft grungig und powerpoppig.

Auch Streicher kommen vor, oder eine richtig tolle Orgel - etwa im Song „Solipsism“. Es handelt sich hier wieder um einen komplizierten Titel, der aus der Philosophie kommt. Fenne Lily hat den Song geschrieben, nachdem sie eine Dokumentation über die englische Band The Stone Roses gesehen hatte.

„Elliott“ ist ein wunderschöner Song mit sanften Harmonien, in dem es um einen jungen Mann geht, der letztlich nicht in einer Band mit Karrieaussichten sein wollte, sondern ein Eisenwaren-Geschäft gründete.

„Breach“ von Fenne Lily ist ein profundes Studioalbum, jetzt fehlt nur noch das Live-Erlebnis. Die Künstlerin verspürt Zorn, dass Konzerte zur Zeit gar nicht oder kaum möglich sind. Alles lief richtig gut für sie mit der Entstehung von „Breach“, und nun das. Wie sinnvoll ist es, ein Album zu veröffentlichen, ohne dazu dann Konzerte zu spielen, auf Tour zu gehen?, fragt sich Fenne Lily. Aber das Album noch aufzuheben und erst später zu veröffentlichen, nein, das wäre auch nicht besser, meint sie. Stimmt. Gut, dass wir diese Songs haben.

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