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Welcome to Elk

Triple Topping

„Welcome to Elk“: Zwischen Empathie und Voyeurismus

Das bunte Cartoon-Adventure „Welcome to Elk“ bringt echte Tragödien in seine Spielwelt - ein etwas fragwürdiges narratives Experiment.

Von Rainer Sigl

Wie mag das Leben wohl sein, auf einer kleinen skandinavischen Insel irgendwo im kalten Nordatlantik, wo es nichts gibt außer einer Bar, einer Werkstatt und ein paar Hütten? Frigg, die junge Heldin des Videospiels „Welcome to Elk“, findet genau das heraus, denn sie landet zu Beginn auf genau so einem Fleckchen Erde.

Hier bezieht sie eines der einfachen Holzhäuser, lernt die schrulligen Einwohner des kleinen Dorfs kennen und macht sich von Tag zu Tag nützlich. Und eigentlich passiert hier ziemlich viel: Ein Mann erfriert, Alkohol spielt eine große Rolle und jeder der Inselbewohner hat eine ganz eigene Geschichte zu erzählen.

„Based on true stories“

„Welcome to Elk“ sieht mit seinem bunten Cartoon-Stil aus wie ein typisches Point&Click-Abenteuer, in dem ich meine Heldin durchs Inselleben steuere, mit Figuren rede und witzige Minispiele absolviere. Dass es mehr ist, zeigt sich aber schon bald: Recht unvermittelt wird auf einmal mitten im Spiel ein Interview-Video eingespielt, in dem ein alter Mann von einem echten Erlebnis erzählt, das die Vorlage für ein Ereignis im Spiel war; lange Texte geben reale Hintergründe von Figuren und Ereignissen im Spiel preis.

Das ist Teil des Konzepts: Alles, was hier in Spielform gezeigt wird, beruht auf wahren Geschichten, die die dänischen Entwickler in Interviews gesammelt haben. Ich treffe hier nicht „nur“ erfundene Spielfiguren, sondern solche, die nach echten Menschen gestaltet sind; und ich spiele hier also nicht Fiktion, sondern wirkliche Ereignisse nach - tragische, absurde, komische und etwas unheimliche.

Welcome to Elk

Triple Topping

Dorftratsch und Lust am Abgründigen

Zu Beginn beeindruckt diese Verbindung von Realität und Spiel durchaus. Nach einiger Zeit wird mir dabei aber etwas mulmig: Die Menschen, die hier zu Wort kommen und deren Geschichten ich hier im Spiel erlebe, erzählen selten von sich selbst; stattdessen reden hier meist Nachbarn oder entfernte Bekannte von tragischen Geschichten, die sich in ihrem Umfeld zugetragen haben. Erzählt wird hier von Kindesmisshandlung, sexuellem Missbrauch und sogar Mord. Die, von denen diese Geschichten handeln, kommen dabei meistens nicht zu Wort. Die Entwickler begegnen ethischen Bedenken mit der Versicherung, alle Geschichten so weit anonymisiert zu haben, dass Rückschlüsse auf echte Menschen nicht möglich wären.

„Welcome to Elk“, entwickelt und vertrieben von Triple Topping, ist für Windows, Mac und Xbox One erschienen.

Was trotzdem bleibt, ist ein Nachgeschmack von Dorftratsch und Lust am plakativ Abgründigen - immerhin wird hier von echten Schicksalsschlägen erzählt, die andere Menschen erleiden mussten. Reale Tragödien werden so zu Spielmaterial verwurstet und mit Verweis auf ihren Realitätsgehalt angepriesen; ein ethisches Dilemma.

„Welcome to Elk“ betritt mit seiner Verbindung von Realität und Spiel interessantes Neuland; letzten Endes versucht es aber eine Gratwanderung zwischen Empathie und Voyeurismus, die ihm nicht gelingt.

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