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Bulbul über „Kodak Dream“: „Es ist wichtig, dass man hin und wieder einen Rausch hat“

Bulbul haben dieses Jahr ihr achtes, viel gelobtes Album „Kodak Dream“ veröffentlicht. Sänger Manfred Engelmayr erzählt uns im Interview mehr darüber.

Von Daniela Derntl

Im April haben Bulbul ihr druckvolles, achtes Album „Kodak Dream“ veröffentlicht. Es ist die poppigste und zugänglichste Platte ihrer fast 25-jährigen Karriere, die ganz im Zeichen von experimentellem Noise-Rock steht. Verantwortlich dafür ist u.a. der Bilderbuch-Produzent Zebo Adam. Mehr über die neue Platte hat uns Bulbul-Sänger und Gitarrist Manfred „Raumschiff“ Engelmayr erzählt.

Daniela Derntl: Die neue Bulbul-Platte trägt den schönen Namen „Kodak Dream“. Was hat es denn mit diesem Titel auf sich?

Manfred Engelmayr: „Kodak Dream“ ist für mich, wenn man die Augen schließt und auf die Augenlider draufdrückt. Es kommen dann so Lichter, wenn man eine Zeitlang fest darauf drückt. So eine Art Lightshow. Das meinen wir mit „Kodak Dream“, was den Album-Titel betrifft. Diese Lichtshow, die man sich selbst bauen kann, ohne irgendwelche technischen Hilfsmittel. Der Opener vom Album heißt ebenfalls „Kodak Dream“, und darin geht es hauptsächlich darum, dass es wichtig ist, dass man hin und wieder einen Rausch hat. Das ist der Hintergedanke von dem Lied, aber nicht von der Platte.

2014 ist euer letztes Album „Hirn fein hacken“ erschienen. Verglichen damit – und allen anderen Platten davor – klingt „Kodak Dream“ ganz anders: viel zugänglicher, poppiger, kompakter – und auch weniger experimentell. War dieser neue Sound eine bewusste Entscheidung, oder ist euch das einfach so passiert?

Das war schon eine bewusste Entscheidung. Es gibt aber schon noch dieses Bulbul-Ding, das es immer gab, aber wir wollten schon radiotauglicher werden. Und wenn uns das gelungen ist, umso besser. Ich finde es extrem geil, wenn Lieder im Radio gespielt werden, die von mir sind. Auf dem Album gibt’s zwei Sorten von Songs. Es gibt diese komponierten Songs, wie „Kodak Dream“ und „Going“. Und dann gibt’s so Songs wie „Directions“ oder „Orlac“, die sind bei Jam-Sessions im Proberaum entstanden, bei denen wir einfach drauflosspielen.

„Orlac“ hat allerdings eine besondere Entstehungsgeschichte.

Ja. Wir wurden immer wieder vom österreichischen Filmarchiv angefragt, Stummfilme zu vertonen. Und einer dieser Filme war „Orlac’s Hände“. Der Film gilt als einer der ersten österreichischen Psycho-Thriller, und den durften wir im Kino vertonen. Wir improvisieren dazu und nehmen das Ganze auf, und die guten Sachen bleiben dann übrig – wie eben „Orlac“. In dem Film geht’s um einen Pianisten, der bei einem Zugsunglück seine Hände verliert, und ihm werden dann im Krankenhaus die Hände eines vermeintlichen Mörders transplantiert. Und der Pianist glaubt dann, dass er selbst zum Mörder wird. Und dieses Psycho-Ding ist ziemlich cool gemacht. Im Song geht’s aber auch um den - wie ich öfters singe - „Far Side of Sound“, den wir suchen. Der ist nicht offensichtlich zu finden, aber dort wo er ist, fühlen wir uns wohl.

„Kodak Dream“ ist in Zusammenarbeit mit Zebo Adam entstanden, den man vor allem wegen seiner Arbeit mit Bilderbuch kennt. Warum habt ihr euch ausgerechnet Zebo Adam als Produzenten ausgesucht?

Wir arbeiten immer wieder gerne mit Produzenten. Bei unserem sechsten Album haben wir mit Patrick Pulsinger gearbeitet. Manchmal ist es einfach wichtig, dass jemand anderer die Songs betreut. Für mich ist das so, wie wenn ein Song mein Kind ist, und wenn ich einen Produzenten habe, dann zieht das Kind schon mit 17 aus der Wohnung aus, und wenn ich es selbst bis zum Schluss betreue, dann bleibt es wahrscheinlich ewig bei mir. Um diesen Prozess zu beschleunigen, haben wir uns wieder für einen Produzenten entschieden. Aber warum Zebo Adam? Ich höre beim Autofahren immer Radio, meistens FM4, und da hab ich ein Lied gehört, das mir extrem gefallen hat. Und zwar „Plansch“ von Bilderbuch, und ich kannte die Band davor noch gar nicht. Und dann habe ich mich reingetigert in diesen Bilderbuch-Kosmos, und so habe ich den Produzenten rausgefunden. Dann haben wir ihn kontaktiert, und das Interesse war gegenseitig. Er ist mit uns im Proberaum gesessen und hat mit uns an den Nummern gearbeitet, was wirklich sehr spannend ist. Auch was das mit einem selbst macht. Man ist dann einfach disziplinierter. Er findet es einfach wichtig, das zu fördern, was die Band eh schon ist, und er versucht, das herauszukitzeln, was die Band eigentlich ausmacht.

Euer Song „Motta“ hat mich auch an „Plansch“ von Bilderbuch erinnert, wegen dem Gitarren-Sound und auch, weil du da von einem Swimming Pool singst.

Der Swimming Pool wird vielleicht so ein Rest von Bilderbuch sein. Da findet man wahrscheinlich viele Elemente. Ich habe einen zehnjährigen Sohn, der hört Bilderbuch auf und ab. Ich kann mich diesem Einfluss gar nicht entziehen, selbst wenn ich es wollen würde. Aber ich finde die Band eh geil. No Shame!

Eine der spannendsten Nummern vom neuen Album ist das mitreißende, druckvolle „Going“. Was kannst du mir über diesen Song verraten?

Musikalisch sehr schwierig. Ein extrem holprig konstruiertes Ding. Es hat sehr lange gedauert, bis wir es hinbekommen haben, dass es flutscht. Der Ur-Impuls für das Lied kommt von dem Jim-Jarmusch-Film „Coffee & Cigarettes“. Da treffen sich auch Iggy Pop und Tom Waits auf einen Kaffee, und am Anfang sind sie irrsinnig cool. Iggy Pop – Punkrock – und Tom Waits – immer so down. So, wie sie beide eben ihr Klischee haben. Zuerst reden sie, aber dann wird ihnen auch langweilig miteinander, und dann sagt der eine zum anderen: „You know what I think I really gotta get going“. Diese Zeile hat mich fasziniert, und das ist der Ausgangspunkt von dem Lied. Im Film bedeutet es, dass er dringend weg muss. Aber in Wirklichkeit will er nur der Situation entfliehen. Für mich bedeutet es – vom Jim Jarmusch Film abgesehen - aber auch, dass jetzt wirklich etwas weitergehen muss. Los geht’s! So auf die Art.

Plattencover von Bulbul "Kodak Dream"

Siluh Records

„Kodak Dream“ von Bulbul ist bei Siluh Records erschienen.

Bulbul gibt’s schon fast ein Vierteljahrhundert. Wie habt ihr euch in den letzten 25 Jahren entwickelt?

Ich glaube, wir haben uns gar nicht entwickelt. Wir suchen die ganze Zeit herum. Es ist immer wieder wie von vorne anfangen. Wir kennen uns natürlich mittlerweile sehr gut. Wenn wir uns treffen, stecken wir unsere Instrumente an, und dann geht’s gleich einmal los. Aber die Suche ist nach wie vor da.

Sprechen wir noch über den Song „Fuckeroni“. Laut Urban Dictionary ist „Fuckeroni“ ein Kofferwort aus „Fucker“ und „Macaroni“ und wird als Schimpfwort für Italo-Amerikaner gebraucht. Was hat es denn mit dem Titel bei euch auf sich?

(lacht) Das wusste ich gar nicht. Vielleicht sollten wir die Songtitel googeln, bevor wir sie veröffentlichen. Der große Worterfinder bei uns ist Didi Kern, der hat das mal gesagt, und ich fand es so super. Das ist so ein liebes Schimpfwort. Das ist für Momente, in denen man sich ärgert, aber nicht wirklich. Das ist für einen Spaß-Ärger, wenn es so etwas gibt. In dem Lied geht es um das ewige Dahin-Tun, dass man halt sein ganzes Leben lang macht. Die Metapher ist „In kaputten Schuhen“, so irgendwie. Es geht darum, dass man auch unter widrigen Bedingungen weitermacht.

Das passt perfekt zur Corona-Gegenwart.

Total! Meine Texte handeln fast eh immer vom gleichen. Davon, dass die Welt untergeht. Niemand macht was. Ich selbst aber am allerwenigsten. Ich tu lieber Zeitung lesen oder so. Auf jeder Platte gibt’s ein bis zwei Lieder, die davon handeln, immer etwas anders gedichtet. „Going“ ist auch so gemeint: Hallo, da ist doch irgendetwas verkehrt! Das geht doch nicht! Aber ich bin nicht der, der es ändert. Ich schau, dass ich mein Plätzchen finde. Die anderen sollen weitermachen. Das ist so mein Thema.

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