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Robert Pattinson in The Devil All The Time

Netflix

Die seltsame Welt des Robert Pattinson

Im neuen Netflix-Drama „The Devil All The Time“ spielt der Brite einen finsteren Prediger. Nur eine weitere Rolle in der exzentrischen Schauspiel-Karriere eines Mainstream-Stars und Arthouse-Lieblings.

Von Christian Fuchs

Wir hier in der FM4 Filmredaktion sind streng und meinen: Wer Robert Pattinson noch ausschließlich mit der „Twilight“ Saga identifiziert, lebt filmisch auf dem Mond. Oder in einer ganz weit entfernten Galaxie. Hat sich der britische Schauspieler doch mindestens ebenso deutlich von der Teen-Vampir-Franchise distanziert wie seine Kollegin Kristen Stewart.

Dabei wäre das gar nicht so zwingend notwendig gewesen. Zumindest der erste Teil der Saga um die freundlich funkelnden Blutsauger ist nach wie vor eine schöne Teen-Romanze. Regisseurin Catherine Hardwicke gelang es, die Story von der pubertierenden Bella und ihrem vampiristischen Lover Edward noch mit einem Hauch von Realitätshaftung auszustatten.

Es waren die kleinen, unscheinbaren Momente, von denen der Film zehrte. Gespräche von Bella mit ihrem Vater, Highschool-Stimmungsbilder, Szenen, die inmitten all der Fantasy vom Alltag einer Generation erzählten, die verloren und selbstbewusst zugleich wirkt. Aus heutiger Sicht hat „Twilight“ sogar einen zarten Post-Grunge-Touch.

Die Nachfolgeteile verabschiedeten sich dann in Richtung prüdes Fantasy-Epos. Gleichzeitig, genauer ab 2012, wurde Robert Pattinson dann zum Fan-Folterer. Das klingt brutal und bösartig, meint aber eigentlich etwas sehr Mutiges. Am Höhepunkt seines Ruhms als blasser Vampir Edward, kurz vor dem Finale der „Twilight“ Saga, verabschiedete sich Pattinson aus dem Mainstream-Rampenlicht.

Robert Pattinson in Cosmopolis

Einhorn Verleih

„Cosmopolis“

Aalglatter Banker und Apokalypse-Opfer

Die Legionen seiner treuen jungen Fans mussten ab jetzt nervenstark sein. Denn R-Patz, wie sie ihn damals liebevoll nannten, quälte sie jetzt mit Kunst. 2012 spielt er nämlich in David Cronenbergs „Cosmopolis“ die Hauptrolle. Eine strenge, spröde, surreale Abrechnung mit dem Gegenwarts-Kapitalismus, mittendrin in einer Limousine sitzt Pattinson als aalglatte Verkörperung des Bankenwesens, pures Gift für Twilighters und Twihards.

Auch in Cronenbergs sarkastischer Hollywood-Abrechnung „Maps To The Stars“ ist Pattinson in einem kleineren Auftritt dabei. Im düsteren australischen Apokalypsethriller „The Rover“ bricht er gänzlich mit seinem Image und marschiert, an der Seite von Guy Pearce, blutverschmiert durch eine entmenschlichte Einöde.

Der britische Schauspieler ist damals in seinen Zwanzigern. Durch Harry Potter und „Twilight“ weltberühmt geworden, beginnt er eine zweite Karriere. Wie seine frühere Freundin Kristen Stewart verschreibt er sich dem gewagten Arthouse-Kino. Am Anfang lachen die Kritiker hämisch, aber irgendwann ist dem letzten Cineasten klar: Dieser Star hat eine ganz spezielle Aura – und er riskiert etwas.

Robert Pattinson in Good Time

Polyfilm

„Good Time“

Verhuschter Gangster und übergriffiger Prediger

Beispiel: „Good Time” von den durchgeknallten Safdie-Brothers aus New York City. Eine neonbunte Odysee durch den nächtlichen Großstadtdschungel, mittendrin Robert Pattinson als verhuschter Gangster mit manischem Blick und blondierter Skaterfrisur. Oder „High Life“ von Claire Denis. Der ehemalige Edward Cullen spielt in dem existentialistischen Weltall-Drama einen wortkargen Weltraumpiloten, der alleine, mit einem Baby an Bord, auf ein schwarzes Loch zusteuert.

Klassische Männlichkeitsideale sucht man schon in der Twilight-Reihe vergeblich. In seinen ambitionierten Filmen gibt sich Pattinson androgyn, übersensibel, schnöselhaft, neurotisch. Im morbiden Schwarzweiß-Kammerspiel „The Lighthouse“, von dem Regie-Shootingstar Robert Eggers, flucht, furzt und fiebert er mit Willem Dafoe um die Wette.

Robert Pattinson in The Lighthouse

Universal Pictures

„The Lighthouse“

Auch wenn sich sein Part im verstörenden Netflix-Drama „The Devil All The Time“, als übergriffiger, misogyner Prediger nahtlos in dieses Schaffen einfügt, Robert Pattinson wagt sich auch wieder an Heldenrollen. In Christopher Nolans Mindfuck-Blockbuster „Tenet“ macht er sich formidabel und haucht dem komplex konstrierten Epos sogar etwas mehr Leben ein.

Zu diesem Drang, wieder ein größeres Publikum erreichen, nicht nur eingefleischte Kunstkino-Liebhaber*innen, passt es auch dass Pattinson nächstes Jahr bekanntlich ins berühmte Fledermaus-Kostüm schlüpft. Zwar musste der Dreh von „The Batman“ kurz pausieren, weil Pattinson von der Pandemie erwischt wurde. Mittlerweile scheint er seine Covid-Erkrankung aber gut überstanden zu haben.

Gleichzeitig ist ein neues Werk zusammen mit der radikalen Claire Denis angekündigt. Robert Pattinson bleibt einer der spannendsten Grenzgänger seiner Generation - auch wenn er gerne Twilight-Fans quält.

Filmpodcast

Radio FM4

Im neuen FM4 Filmpodcast schwärmen Pia Reiser, Christian Fuchs und Jan Hestman über den einstigen „Twilight“-Star, der längst zum Arthouse-Darling mutiert ist. Der Anlass ist das düstere Ensemble-Drama „The Devil All The Time“. Blondierte Kleinganoven und furzende Leuchtturmwärter haben ebenfalls große Auftritte.

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