Jugendarbeit im Park: „Das Leben für sie ist kompetitiver geworden“
Von Felix Diewald
Der Jugendarbeiter Michael „Mix“ Wind kennt die meisten Jugendlichen in den Parks der Umgebung seit vielen Jahren. Er und seine Kolleg*innen unterstützen die Jugendlichen bei ihren Plänen und Ideen, helfen bei Problemen und organisieren Aktivitäten mit ihnen. „Dadurch entsteht eine sehr vertrauensvolle Beziehung. Viele lernen wir mit zwölf oder dreizehn kennen. Die kommen aber auch noch in ihren Zwanzigern zu uns, wenn sie was brauchen.“
Mehr Druck in Job und Freizeit
Es herrsche mehr Druck auf die Jugendlichen. „Das Leben für sie ist kompetitiver geworden“, sagt Mix. „Immer mehr gehen in eine weiterführende Schule. Um heute eine Lehrstelle in Wien zu bekommen, solltest du eine HTL oder HAK zumindest angefangen haben.“ Auch im Freizeitbereich zeige sich der Trend zur Optimierung: Die Jugendlichen hängen weniger einfach nur herum, sondern verbringen zum Beispiel mehr Zeit im Fitnesscenter.
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Parklife
Wir stehen am Yppenplatz im Brunnenviertel. Abseits der Bobo-Restaurants und -Cafés, beim Fußballkäfig, treffen wir einige Jugendliche, alles Burschen, die in der Nähe wohnen und jeden Tag mehrere Stunden im Park verbringen.
Umgangssprache ist Deutsch – eine Notwendigkeit, da sich die Nationalitäten in den letzten Jahren stark vermischt haben, so Streetworker Mix. Einer der Burschen ist Shuqur. „Ich hab früher hier gewohnt, jetzt bin ich im 10. Bezirk. Aber hier sind alle Freunde.“ Shuqur kommt eigentlich jeden Tag nach der Schule extra nach Ottakring. Er ist gerade in der 4. Klasse der Mittelschule und will später Kfz-Mechaniker werden. Shuqur ist nicht wahlberechtigt, hat aber eine klare Meinung zur Politik: „Zuerst sagen sie uns: Wir Ausländer sollen arbeiten gehen. Dann gehen wir arbeiten und sie sagen: ‚Die klauen unsere Arbeit.‘“
Mittlerweile geht Shuqur aber immer öfter ins Fitnesscenter als ins Jugendzentrum, erzählt er. Neben Shuqur steht Ramasan. Er ist 17 und momentan in einem AMS-Kurs. Ramasan sucht gerade eine Lehrstelle, hat aber noch nichts gefunden. Er verbringt gerade viel Zeit im Park, wenn es kälter wird, ist er in der Lugner City. „Im Sommer chille ich mit Freunden im Park, mache Blödsinn. Im Winter dasselbe, nur halt drinnen.“ Ramasan ist wahlberechtigt. Ob er am 11. Oktober wählen wird? „Glaub’ schon.“ Viele der Jugendlichen, mit denen die Streetworker hier arbeiten, dürfen aber gar nicht wählen.
felix diewald
Immer mehr Online-Aktivitäten im Jugendzentrum
In den letzten Jahren sei neben dem Park auch der virtuelle Raum für die Jugendarbeit dazugekommen, erzählt Mix. Die Jugendlichen kommunizieren mittlerweile viel über die Instagram-Seite des Jugendzentrums mit den Streetworkern. Neben Kino-Besuchen, Musik-Workshops oder Ausflügen in den Trampolin-Park organisieren die Jugendarbeiter*innen deshalb auch Fifa-Turniere vor der Konsole oder spielen online von zu Hause aus mit ihnen. Online-Angebote hätten aber eine Grenze, erklärt Mix. Das hätte man im Lockdown nach einigen Wochen gemerkt, als der Zuspruch deutlich sank. „Nur eine Online-Beziehung zu den Streetworkern – das geht sich nicht aus.“
Verein Wiener Jugendzentren
Lokalpolitik wird „registriert“
Generell sei für die Jugendlichen vor allem die Politik auf lokaler Ebene spürbar, sagt Mix. „Politik wird für sie erlebbar, wenn sie zum Beispiel Reck-Stangen im Park haben wollen, damit sie trainieren können.“ Mix nimmt die Jugendlichen dann zum Bezirksvorsteher mit, der dafür zuständig ist und mit dem sie darüber reden können. „Das wird wahrgenommen, da wird registriert, dass Politik wichtig ist und man sich auch selbst einbringen kann.“
Publiziert am 29.09.2020