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Damien Maloney

Der Song zum Sonntag: Joji - „Like You Do“

Auf seinem neuen, zweiten Album „Nectar“ gesellen sich zu Joji allerlei talentierte Musiker*innen wie Diplo, Yves Tumor, Omar Apollo, Lil Yachty oder BENEE. Sieben Jahre nachdem er den „Harlem Shake“ miterfunden hat, veröffentlicht der vom Youtuber zum Popstar gewordene George Kusunoki Miller somit eines der großen Alben der kalten Jahreszeit.

Von Christoph Sepin

„Ich freu mich auf zwei Dinge heuer: ‚Nectar‘ von Joji und ‚Fake It Flowers‘ von beabadoobee“, so stand es kürzlich in einem Kommentar unter dem Musikvideo zur neuen Single „Worth It“ von Beatrice Laus alias beabadoobee. Unumstritten sollte mittlerweile sein: Ihr Debütalbum „Fake It Flowers“ (kommt am 16. Oktober raus) und das zweite Album von Joji, „Nectar“ (ist am 26. September erschienen) sind zwei der großen Releases im Herbst.

Während beabadoobee aber in grungiger Verzerrung die bittersüßen Momente des Lebens zelebriert, schaukelt Joji mit seiner neuen Platte sanft in die kalte Jahreszeit: Die Lieder auf „Nectar“ sind fragil und vorsichtig zusammengebastelt, wandern da irgendwo zwischen Hall, Nebel und fast schon Disharmonie dahin. In den kommenden US-Billboard-Charts wird ihm mit dieser Musik gewordenen Introspektion ein Top-3-Platz vorhergesagt, dabei wäre das nicht einmal Jojis größter Mainstreamerfolg bis heute.

Den hat er wohl im Februar 2013 mit seinem damaligen YouTube-Projekt DizastaMusic aufgestellt, als er zum Track „Harlem Shake“ des US-Producers Baauer durch ein Video tanzte. Die gleichnamige Tanzchallenge bzw. das damals kurzzeitig größte Meme der Welt war geboren. Sieben Jahre später gibt es in der Musik von Joji nichts mehr von diesen spaßigen Albernheiten zu finden. Dass Influencer*innen versuchen, als Popstars neue Karrieren zu starten, ist nicht neu, George Kusunoki Miller, wie der in Osaka geborene Joji eigentlich heißt, hat das aber problemlos geschafft und ist mit „Nectar“ eine Art One-Man-Alt-J einer neuen Generation.

Von der Platte hätten einige Songs an dieser Stelle vorgestellt werden können: Das düstere „Reanimator“ gemeinsam mit Sean Bowie alias Yves Tumor zum Beispiel oder das verträumte „Afterthought“ mit der Neuseeländerin BENEE (deren Track „Supalonely“ weiterhin einer der unterschätztesten Superhits der letzten Jahre bleibt). Möchte man aber in die Essenz von „Nectar“ eintauchen, dann eignet sich wohl der vorletzte Song der 18 neuen Lieder besonders gut, das Herzschmerzlied „Like You Do“.

All the songs that we like, will sound like bittersweet lullabies

„Broken Piano“, so nennt sich manchmal das Instrument, das da zu Beginn des Songs vor sich hin klimpert. Und gebrochen ist hier tatsächlich viel, hauptsächlich wieder einmal das Herz. Kompliziert sind nur die Emotionen, nicht aber die Lyrics und die Komposition, das stellt sich auch wieder in diesem Lied von Joji zur Schau. Wie schon die genreverwandten Alt-J versteht er es, eigentlich ganz simple Melodien zu finden und die dann mit Effektüberladung zu abstrahieren.

Er fühle sich in letzter Zeit so, als ob sich die Pfade zwischen ihm und dir in unterschiedliche Richtungen bewegen würden, so beginnt der Text und nimmt die Lektion des Songs vorweg. „Don’t wanna complicate the rhythm that we’ve got, but I’m speechless, when everything’s so pure, can it be aimless?“.

  • Alle Songs zum Sonntag auf FM4
  • Auch die geschätzten Wissenschafts- und Popjournalist*innen Thomas Kramar und Heide Rampetzreiter machen sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song ihre Gedanken.

Es wird viel über die Gegenwart nachgedacht, über die Vergangenheit, die Zukunft und eigene Vorstellungen davon. Falls du jemals gehst, so singt Joji weiter, werden alle unsere Lieder wie bittersüße Schlaflieder klingen: „If you ever go, all the songs that we like, will sound like bittersweet lullabies“. Overthinking einer Beziehung als Stoff für einen Songtext, das könnte so ein bisschen das Grundkonzept dieser Ballade sein.

Das ist alles simpel, funktioniert aber genau deshalb gut: Beide gibt es nur einmal, niemand liebt ihn so wie du, er würde dich nie für selbstverständlich halten, das sind natürlich große Floskeln der Popmusik, werden aber von Joji hier ganz bewusst so verwendet. Dieses Lied ist gut durchdacht und auch wenn da einmal Momente wie Zufälligkeiten entstehen, dann ist das doch wohl absichtlich so geplant. Genau wie das Finale des Songs, wenn „Like You Do“ plötzlich und unmittelbar mitten in der Schlussnote zu Ende ist. „Lost in the blue, they don’t love me like you do“.

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