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Langer Tag der Flucht

Noch nie zuvor waren weltweit so viele Menschen auf der Flucht vor Krieg, Verfolgung und Menschenrechtsverletzungen. Am heutigen Langen Tag der Flucht soll auf die Lebensrealität von Geflüchteten aufmerksam gemacht werden. Währenddessen wird in Brüssel ein neuer EU-Asylpakt verhandelt.

Von Ambra Schuster

Die Situation auf Lesbos ist noch immer angespannt. Vor drei Wochen ist das Flüchtlingslager Moria abgebrannt und in der EU eine erneute Debatte über Asylpolitik aufgeflammt. Dabei ist Europa vom globalen Flüchtlingsthema - relativ gesehen - kaum betroffen, sagt Christoph Pinter, Leiter des UN-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) in Österreich.

Ein Blick auf die weltweiten Fluchtbewegungen zeigt, dass die meisten Geflüchteten tatsächlich aus nur wenigen Ländern stammen, allen voran Syrien, Venezuela und Afghanistan. Und sie kommen oft nicht weit. Der Großteil der Heimatvertriebenen (73 Prozent) lebt noch im eigenen Staat oder in den unmittelbaren Nachbarstaaten.

Allein seit 2010 hat sich die Zahl der weltweit flüchtenden Menschen von 40 auf derzeit fast 80 Millionen Menschen verdoppelt. Das ist 1 Prozent der Weltbevölkerung und ein Rekord, so viele Flüchtlinge gab es seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. 40 Prozent der Heimatvertriebenen sind laut UNHCR Kinder und Jugendliche. Tendenz steigend. Das größte Problem sei, so Pinter, dass Kriege immer länger dauern und es an Möglichkeiten zu Konfliktlösung mangle. Menschen können oft Jahre oder Jahrzehnte nicht zurück in ihre Heimatländer, womit Flucht zu einem dauerhaften Phänomen wird.

Hybrid-Programm am Langen Tag der Flucht

Schon zum neunten Mal findet heuer der von UNHCR ins Leben gerufene Lange Tag der Flucht statt. NGOs, zivilgesellschaftliche Initiativen, Sportvereine und Kunst- und Kulturinstitutionen thematisieren mit unterschiedlichsten und kostenlosen Programmpunkten die Themen Flucht und Zusammenleben. Heuer in etwas abgespeckter Hybrid-Version mit Online-Formaten, aber auch mit 30 offline Veranstaltungen. Am Vormittag gibt es außerdem, wie schon in den letzten Jahren, ein eigenes Programm für Schulen mit rund 50 Veranstaltungen.

Ein Highlight, das jeder*r zuhause probieren kann, ist das neu entwickelte WebQuest, eine Art virtuelle Schnitzeljagd, bei der geflüchtete Menschen auf eine Rätsel-Rallye durchs Internet mitnehmen. Auch der Escape-Room der Künstlerin Deborah Sengl steht im Wiener Museumsquartier heute bei freiem Eintritt offen. Hier kann man spielerisch, aber hautnah erleben, was es heißt, auf der Flucht zu sein.

Fixer Bestandteil sind auch heuer wieder Filmvorführungen und Diskussionen. In Linz gibt es etwa eine deutsch-arabische Lesung mit anschließender Schaltung zu Helfer*innen nach Moria und zur Balkanroute. Sportlich wird’s beim „Lebenslauf“, beim Rugby-Schnuppertraining und beim „Lange Tag der Flucht“-Fußballturnier.

In einigen Bundesländern gibt es Livekonzerte in Flüchtlingsunterkünften. Außerdem bieten Museen wie das Belvedere, das Jüdische Museum Wien oder auch die Landesgalerie Krems Führungen an. Das gesamte Programm gibt es hier.

Meanwhile in Brüssel

Auf europäischer Ebene wird unterdessen abermals um einen neuen Kurs in Sachen Asyl- und Migrationspolitik gerungen. Die EU-Kommission präsentierte dazu vergangene Woche einen Reformvorschlag. Demnach sollen Ländern wie Italien und Griechenland mit schnelleren Asylverfahren und mehr Grenzschutz entlastet werden. Außerdem soll jedes Land seinen Beitrag leisten. Wer keine Flüchtlinge aufnehmen möchte, soll etwa bei der Abschiebung abgelehnter Asylwerber mithelfen. Im neuen Asylpakt heißt dieser Prozess „Abschiebepartnerschaft“. Einmal mehr wird dieser Tage über die Frage der Verteilung und Zuständigkeit diskutiert und gestritten. Die meisten Länder, darunter auch Österreich, begrüßen den Reformvorschlag zumindest als „guten Ausgangspunkt“ für weitere Verhandlungen, während die Visegrad-Staaten den Reformvorschlag kategorisch ablehnen. Immerhin scheint erstmals seit Jahren tatsächlich Bewegung in die Sache zu kommen.

Menschenrechtsorganisationen kritisieren unterdessen Lücken im Pakt. Es werde etwa keine Möglichkeit für eine legale Flucht geschaffen, was Flüchtende weiter in die Hände von Schleppern treibe. Außerdem bliebe die Hauptlast auch unter der neuen Linie weiter bei den Ländern an den EU-Außengrenzen. Zustände wie in Moria könnten sich auch unter dem neuen Gesetz wiederholen.

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