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Portraitfoto von Sänger und Songschreiber Felix Kramer

Simone Körner

musik

Ist alles gut bei dir, Felix?

Zwischen Mariachi-Trompeten und verhallten Gitarrenklängen wird über die Unvollkommenheit der Menschen nachgedacht. Felix Kramer spricht auf „Alles Gut“ ehrlich aus, was wir alle oft denken, sich aber niemand getraut zu sagen und verbindet so nüchterne Nonchalance mit Humor und Menschlichkeit.

von Andreas Gstettner-Brugger

„Es war schon immer so, dass ich gerne Sachen ausspreche, wo andere sich vielleicht denken: Oh, arg! Der hat das gerade gesagt... - viele Dinge werden gedacht, aber nicht ausgesprochen. Das ist mir schon wichtig und das ist auch das, was ich am liebsten an meinen Liedern mag. Dass ich darin die Gedanken aussprechen kann.“

Der Wiener Sänger, studierte Gitarrist und Songschreiber Felix Kramer hat schon mit seinem Debüt „Wahrnehmungssache“ Lieder geschrieben, die von den Grautönen der zwischenmenschlichen Beziehungen erzählen. Auch wenn er sich kein Blatt vor den Mund nimmt, verfällt er nicht in Schwarz-Weiß-Malerei. Die Ehrlichkeit, die bei seinem neuen Album „Alles Gut“ bei allen Songs durchschwingt, bedeutet ja nicht, dass es deshalb einfacher wird. Vielmehr erhöht sich oft die Komplexität und die Widersprüchlichkeit, wenn man die Karten offen auf den Tisch legt.

Bestes Beispiel dafür ist die erste Single „Nix zu spüren“, ein Song, der sich gegen die permanente Selbstoptimierung stemmt und versucht, den gesellschaftlichen Druck des Sich-immer-glücklich-Fühlens abzuschütteln. Musikalisch umgesetzt mit keckem Latino-Rhythmus, spanisch anmutender Gitarre und schönen Trompetenmelodien.

„Ist eh alles Gut, Alter?“

Felix Kramer liebt es, seine Figuren in der Zwiespältigkeit des Lebens einfach sein zu lassen, ohne dass sie gleich die große Katharsis durchleben müssen, um zu strahlenden Helden zu erwachen. Vielmehr verweigert sich hier in „Nix zu spüren“ der liebevoll gezeichnete Charaktere und nimmt die Position ein, dass es manchmal ganz okay ist, nichts zu spüren. Nicht im „Flow“ oder inneren Frieden zu sein. Manchmal ist halt nicht „alles gut“. Warum heißt aber das Album trotzdem so?

Albumcover Felix Kramer "Alles Gut"

Phat Penguin

Das zweite Album „Alles Gut“ von Felix Kramer erscheint am 9.10. auf Phat Penguin.

„Ich habe mir gedacht, wenn ich das Album so nenne, dann traut sich niemand mehr mich deppert so zu fragen, die ganze Zeit: Hey, Felix! Alles Gut bei dir Alter, alles gut? - Aber wahrscheinlich geht’s voll nach hinten los und das sagen jetzt dann alle (lacht). Ich verstehe schon, dass man bisschen Smalltalk machen muss, aber es nervt mich so. Außerdem habe ich gedacht, da die Welt eh grad so super ist, kann man schon mal einen gutgelaunten Albumtitel haben.“

Also, „Smalltalk“ findet man in keinem der Texte des neuen Albums. Auch wenn sie im ersten Moment nach oberflächlicher Party-Plauderei klingen, geht es meist richtig zur Sache, wenn die Gedanken ehrlich ausgesprochen werden. Wie in dem zarten Beziehungslied „Wenn du gehst“, in dem Felix über elegantes Gitarren-Picking von Unsicherheit und dem Nähe-Distanz-Problem singt. Oder wenn in der sehr reduzierten Klavierballade „Nur die Vorstellung“ der Druck des „fixen Zusammenseins“ thematisiert wird. So hat der Wunsch nach Leichtigkeit und dem einfach „Sein-Können“ hier Platz und die Sehnsucht, mit seinem Gegenüber emotional ein bisschen die Kontrolle aufzugeben.

„Ich finde, dass Gefühle gerade irgendwie out sind, oder? Dass man sehr kontrolliert ist, auch in Beziehungen. Man hat lieber alles gut organisiert und fragt sich, ob es eh die perfekte Partnerin oder der Partner ist. Die Zukunftsplanung ist irrsinnig durchdacht und man hat alles voll rational am Tisch liegen. Das hat nicht mehr viel mit dem 19. Jahrhundert zu tun: Ah, wir lassen uns gehen - ah unsere Gefühle sind so stark ich kann nichts dagegen tun... Eigentlich finde ich das auch mal ganz schön, diese Gefühle zuzulassen.“

Schreien, Lachen und seine Darlings killen

Was bei der Single „Nix zu spüren“ auch sofort auffällt, ist dieses nicht unterdrückbare Lachen, dass sich immer wieder seinen Weg zwischen die Zeilen bahnt. Bei dem Song „Red ma halt einfach was anderes“, der mit Mariachi-Trompeten und Calexico-artigem Flair dahinbrettert, ist es sogar ein Schreien, dass aus dem Protagonisten vor lauter Frust und Ohnmacht hervorbricht. Mit Freund und Produzent Hannibal Scheutz von 5/8erl In Ehr’n hat Felix im Studio viel ausprobiert und sich ganz in die Geschichten fallen lassen können. Manchmal sogar zu weit hinein, dass er entweder am Mikrophon komplett vorbeigesungen oder aber vor lauter Lachen überhaupt nicht mehr verständlich geklungen hat.

Felix Kramer Live in Österreich:

  • 13.10. Linz Kammerspiele
  • 14.10. Dornbirn Spielboden
  • 15.10. Innsbruck Treibhaus
  • 16.10. Saalfelden Nexus
  • 23.10. Salzburg Jazz it
  • 24.10. Mank Kino Mank
  • 19.11. Wien Konzerthaus
  • 26.11. Graz Autumn Leaves

Um sich so in seine Geschichten und Figuren hineinversetzen zu können, bedarf es im Vorfeld harter und langer Arbeit. Felix feilt an seinen Texten wie ein Bildhauer an seinem Werk. Jedes Wort wird darauf überprüft, ob es seine Berechtigung hat und ob er damit genau das ausdrücken möchte, was er sagen will. Und ob die Wörter genau die Bilder zeichnen, über die sich seine Geschichten transportieren.

Denn die Stimmung und Emotion erzeugen sich auch durch die Dinge, die zwischen den Zeilen liegen. Insofern hat der Satz „Kill your darlings“ während des Schreibprozesses für Felix stark an Bedeutung gewonnen. Das gilt eigentlich auch für die Musik, denn auf „Alles Gut“ ist kein Ton zu viel, kein Rhythmus zu ausgefuchst, kein Arrangement zu überfrachtet oder unnötig kompliziert. Manchmal reicht es, wenn eine Gitarre im verhallten Raum stehen bleibt, wie in dem gefühlvollen Stück „Zu gut“. Auch der geniale, sehr gelassene, knöchern und organisch klingende Blues „Alles in allem“, in dem die großen Gefühle und die großen Sorgen des Lebens in liebevoller Weise relativiert werden, lebt von der Reduktion.

Gleichzeitig ist das zweite Album von Felix Kramer von dem Band-Sound durchzogen, der sich in den letzten Jahren auf der Bühne entwickelt hat. So erhebt sich der melancholische, fast schon resignierende Song „Zeit“ mit seinem Refrain zu einer Hymne an die Vergänglichkeit und an Enttäuschungen. Im schönen Video, das Felix Kramer mit Arik Kofranek gemacht hat, erkennt man übrigens die frühe Liebe von Felix zum Basketball. Hätte er sich nicht an einem entscheidenden Punkt im Leben den Arm gebrochen, würde wir wahrscheinlich nicht diese schönen Songs von ihm hören können.

Nicht mal Elvis Presley bedeutet irgendetwas

Felix Kramer ist mit „Alles Gut“ ein sehr vielschichtiges Album gelungen. Wir taumeln mit seinen Figuren durch schwierige Lebensabschnitte, spüren die innere Zerrissenheit und widersprüchlichen Gefühle. Gleichzeitig lassen wir unseren Emotionen freien Lauf, lassen los in Momenten der Orientierungslosigkeit und leben einfach in den Tag hinein, was manchmal die beste Möglichkeit ist, um Abstand zu gewinnen und mit verfahrenen Situationen umzugehen.

Das alles mag jetzt sehr theatralisch und schwer klingen - ist es aber nicht. Immer wieder schafft es Felix Kramer durch seine trockene Nonchalance, dass wir mit seinen Protagonisten mitlachen, uns zurücklehnen und das Leben trotz aller Schwierigkeiten genießen. Schließlich ist alles auch ein bisschen egal, wie es in dem Song „Alles in allem“ heißt. Außerdem, wer weiß schon, was von uns einmal übrig bleiben wird auf Erden?

Felix Kramer ist klug genug, sich selbst bei all diesen Themen nicht allzu ernst zu nehmen. Trotzdem wird in dem letzten Song „Wenn ich einmal weg bin“ darüber nachgedacht, was wohl der andere denkt, wenn man einmal weg ist. Stellt sich die Frage, was bleibt von Felix Kramer, wenn er einmal weg ist?

„Ich nehme mich wirklich nicht so wichtig. Ich glaube, es wird nichts übrig bleiben. Niemals. Vielleicht erklärt sich meine Einstellung dadurch, dass als ich zwölf Jahre alt war, ist mir aufgefallen: Fuck! Nicht mal Elvis Presley bedeutet irgendetwas. Weil was bedeutet Elvis Presley im Weltraum? Nichts! Niemand kennt dort Elvis Presley!(lacht) So sehe ich das ein bisschen. Es ist alles nicht ganz so wichtig.“

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