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„Nectar“ könnte für Joji der große musikalische Durchbruch werden

Mit seinem zweiten Album „Nectar“ hat sich das Multitalent Joji endgültig vom YouTube Comedian zu einem der spannendsten Popstars der heutigen Zeit gemausert. Emotionale Texte, simple Melodien und raffinierte Überproduktion werden auf „Nectar“ zu einer musikalischen Signatur.

Von Alica Ouschan

Wenn ein Künstler ein Album mit 18 Songs rausbringt, die sich alle in der selben Stimmung bewegen, als Gesamtkonzept schlüssig, aber trotzdem abwechslungsreich und aufregend sind, muss das schon was heißen. Wer Joji schon länger verfolgt weiß aber, dass man sich von ihm auch nichts anderes erwartet.

Cover "Nectar"

88rising

Nectar ist am 25. September bei 88rising erschienen.

Einen Karriere-Umstieg vom YouTube Star zu*r Musikkünstler*in haben schon viele probiert - oft ist das Ergebnis dann aber eher nicht so prickelnd anzuhören. Der australisch-japanisch stämmige US-Musiker und Comedian George Miller alias Joji ist einer der wenigen, der diesen Umstieg geradezu beispielhaft gemeistert hat.

Bekannt geworden ist er unter anderem als Filthy Frank, durch dessen skurille Comedy-YouTube-Show und weil er den Harlem Shake miterfunden hat. Als er 2017 mit seiner ersten EP unter dem Pseudonym Joji und seinem ganz eigenen Take des zeitgenössischen R’n’Bs auf der musikalischen Bildfläche auftauchte, hat sich George Miller erstmals als echtes Multitalent entpuppt.

Die musikalische Bombe, die er 2018 mit seinem Debut Album „BALLADS 1“ abgeworfen hat, mit einer ambitionierten Platte in Überlänge toppen zu wollen, ist ein klares Statement: Joji will kein One-Album-Wonder sein, sondern ein Künstler, der großes Potential hat, den zeitgenössischen R’n’B und Lofi-Pop nachhaltig zu beeinflussen. Sein aktuelles Album „Nectar“ ist dieses Statement in a Nutshell.

Klebrig-süß und beeindruckend vielseitig

„Nectar“ klingt genau so klebrig-süß wie der Titel und dreht sich um die üblichen Joji-Themen, die schon auf dem ersten Album dominiert haben: verflossene Liebe, Zurückweisung, erfolgreich und geerdet sein zu wollen. Jojis Musik speist sich auch auf seinem zweiten Album aus Elementen des zeitgenössischen R’n’Bs, HipHop, Lofi- und Elektro-Pop. Mehrere Spuren seiner eigenen Stimme übereinanderzulegen, sie zu sampeln und daraus neue Beats zu kreieren ist sein markantestes Stilmittel. Obwohl sich beim ersten Hören vieles zu wiederholen scheint, ist „Nectar“ eine klare Steigerung und eine Platte die man sich im Loop anhören kann, ohne dass sie langweilig oder eintönig wird.

Schon die erste Single „Sanctuary“ klang irgendwie gewagter, nach vorne preschend und war ein überraschend epischer Vorbote für die neue Joji-Musik seit zwei Jahren. Das Musikvideo ist außerdem der Beweis, dass Jojis YouTube-Comedy und Musik sich nicht widersprechen, sondern sich im Gegenteil dazu auf unterhaltsame, komische aber geschmackvolle Art ergänzen können.

Hochkarätiges Feature-Line Up

Um den hohen Erwartungen gerecht zu werden, hat sich Joji für sein zweites Album Unterstützung von hochkarätigen Feature-Gästen und Starproduzenten geholt, wie zum Beispiel Yves Tumor, Lil Yachty, BENEE oder dem vermeintlichen Produzenten der Stunde, Diplo, mit dem er „Daylight“ und damit den Song mit dem vielleicht größten Hitpotential dieses Albums geschrieben hat.

Mit Songs wie „Daylight“ oder auch der zweiten Promo-Single „Gimme Love“ finden sich auf „Nectar“ ein paar radio-taugliche, poppige Upbeat-Tracks, die sich mühelos in das Gesamtkonstrukt von Jojis Depri-R’n’B Ästhetik einfügen, für Abwechslung sorgen und ein Zeugnis für Jojis musikalische Vielfältigkeit sind: Er kann genausogut einen Nummer-1-Banger wie eine gefühlvolle, introspektive Ballade produzieren.

Beispielhaft dafür und ein würdiger Nachfolger für seinen bekanntesten Lovesong „Slow Dancing in the Dark“ (der trotz Jojis international eher mäßiger Bekanntheit ein moderner Liebeskummer-Klassiker ist und etwa 190 Mio Klicks auf YouTube verzeichnet) ist der neue ultimative Depri-Lovesong „Like You Do“, der sich im Gegensatz zu „Slow Dancing in the Dark“ aber fantastisch für den ersten Tanz auf der Hochzeit eignen würde oder auch der gelungene Opener mit dem schönen, simplen Titel „Ew“.

Der perfekte Herbst-Soundtrack

Die Grenzen des Song-Spektrums von Joji sind damit aber noch lange nicht erreicht. Neben happy Hits und traurigen Balladen experimentiert er beispielsweise bei „Your Man“ mit Clubsounds und erzeugt mit dieser Disco-Nummer den perfekten Closing-Track für sein Album. „Tick Tock“ ist ein typischer Joji-Song, der sich in die Kategorie der extrem ins Ohr gehenden Songs einordnet und bei dem sich die Frage stellt, ob der Lausbub mal eben das berühmte „Ahh“ aus Nellys und Kelly Rowlands „Dilemma“ gesampelt hat - kann man 2020 schon mal machen, vor allem weil’s gut funktioniert, um Gefühle der Nostalgie zu erzeugen, die das Thema des Songs perfekt unterstreichen.

Ein weiteres Highlight des Albums, auf dem - das muss an dieser Stelle nochmal betont werden - wirklich kein einziger Song auch nur ansatzweise schwächelt, ist das Duett mit BENEE. „Afterthought“ scheint sich in mehrere verschiedene Passagen zu teilen, was dem Song eine interessante Vielschichtigkeit verleiht, die durch die beiden Stimmen optimal abgerundet wird.

Joji macht sich die Mischung aus broken Piano-Sounds, absichtlich überproduzierten Beats und seinem eigenen Stimmengewirr auf eine charmante Art und Weise auf seinem zweiten Album erneut zu eigen, schafft es trotzdem, seine bisherigen musikalischen Leistungen zu übertreffen und zeigt zudem, dass er dabei ob der Ernsthaftigkeit seiner Musik kein bisschen von seinem Humor verloren hat.

Obwohl Joji quasi schon seit Beginn seiner YouTube-Karriere auf einer Erfolgs-Welle geschwommen ist, war er bis dato, was seine Musik angeht, international noch ein echter Geheimtipp. Wer schon nach drei Jahren im Biz einen Signature-Sound entwickeln und so viele Menschen und andere Künstler*innen von sich begeistern kann, der ist aber vermutlich gerade auf dem besten Weg, den richtig großen Durchbruch in den musikalischen Mainstream zu schaffen.

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