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"Dark Waters" Filmstills

Constantine / Ascot Elite Entertainment Group

FILM

„Dark Waters“ erzählt von vergifteten Wahrheiten

Der US-Regisseur Todd Haynes, bekannt für Melodramen und Musikfilme, überrascht mit einem Ökothriller. Auf Tatsachen basierend geht es um einen der größten Umweltskandale der Gegenwart.

Von Christian Fuchs

Todd Haynes allererster Langfilm hat schon „Poison“ geheißen. Das war damals, im Jahr 1991, aber noch ein queerer Experimentalfilm, der mit Underground-Erotik provozierte. Fast zwei Jahrzehnte später legt der schwer einordenbare Regisseur sein bislang geradlinigstes Werk vor. „Dark Waters“ überrascht nach stilisierten Melodramen („Carol“) und artifiziellen Musikfilmen („Velvet Goldmine“) mit klassisch inszenierten Erzählkino. Aber auch im neuen Film von Todd Haynes geht es um Gift.

Mark Ruffalo, der Marvelstar, frühere Arthouse-Darling und politische Aktivist, hat den Film nicht nur coproduziert. Er schlüpft auch in die höchst unscheinbare Hauptfigur von Robert Bilot. 1998 arbeitet der Anwalt für eine renommierte amerikanische Kanzlei, die Chemiekonzerne vor Gericht vertritt. Ein Zufall verändert Bilots Leben und seine Karriere auf vehemente Weise.

Durch seine Großmutter im ländlichen West Virginia lernt er einen Viehzüchter kennen, dessen Kühe massenhaft sterben. Der empörte Mann verdächtigt die Chemiefirma DuPont und deren Giftmüll-Entsorgung in der Nähe seiner Farm. Eine Horrorstory beginnt, schrecklicher als jeder Hollywoodschocker, denn „Dark Waters - Vergiftete Wahrheit“ beruht auf bedrohlichen Fakten.

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Beklemmender Verschwörungsthriller

Ende der 80er erregt Regisseur Todd Haynes mit einem Kurzfilm Aufsehen. Er spielt das tragische Leben der 60ies Popsängerin Karen Carpenter mit Barbie-Puppen nach. Haynes lebt damals als junger Kunststudent in New York, im Umfeld von Bands wie Sonic Youth, für die er auch Musikvideos dreht.

Nach seinem ersten umstrittenen Spielfilm „Poison“ geht es auch im Nachfolgewerk „Safe“ um Toxisches, Juliane Moore leidet in dem nüchternen Drama als unheilbare Allergikerin.

Haynes dreht danach poppige Musikfilme, stilvolle Melodramen und das vielleicht beste Musiker-Biopic. „I’m Not There“ behandelt die Karriere des Chamäleons Bob Dylan, der von verschieden Stars gespielt wird. Nach „Dark Waters“ kündigt Todd Haynes für 2021 die ultimative Doku über die legendäre Band Velvet Underground an.

Robert Bilot verstrickt sich in Recherchen über die Chemikalien, deren toxische Nebenwirkungen von DuPont verschwiegen werden. Genauer gesagt geht es um PFOA, unter anderem in der Pfannenbeschichtung Teflon enthalten. Der Anwalt wechselt die Seiten und wird zum erbitterten Gegner des Konzerns.

Zwei Jahrzehnte verbringt Bilot, von Mark Ruffalo als eigentlich sehr zurückhaltender Typ portraitiert, mit Aktenbergen und vor Gericht, ein Zeitraum der auch für seine Frau (Anne Hathaway) und die Kinder zum Martyrium wird. Erst ein Artikel in der „New York Times“ lenkt 2016 die Aufmerksamkeit von Mark Ruffalo und Todd Haynes auf den Fall.

Man kennt ähnliche Einzelkämpfer-Geschichten natürlich aus verschiedensten Filmen, zuletzt legte sich etwa Adam Driver in „The Report“ mit dem militärischen Komplex an. „Erin Brockovich“, in dem Julia Roberts ebenfalls gegen die chemischen Industrie agitiert, ist vielleicht das bekannteste Vergleichsbeispiel. Am Ende solcher Sozialdramen steht oft ein gewisses Pathos, das Aufbegehren der Alltagshelden gegen den übermächtigen Feind endet in einem kleinen Triumph.

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Aber Todd Haynes, von dem man so ein brisantes Tatsachenstück wirklich nicht erwartet hätte, lässt David nicht einfach gegen Goliath gewinnen. Auch wenn Schadenersatz-Zahlungen in Millionenhöhe passiert sind, prozessiert der echte Robert Bilot immer noch gegen DuPont, unzählige Gerichtsverhandlungen warten noch.

„Dark Waters“ bedrückt, verstört, wühlt auf, ist in dunkle, graue Bilder verpackt, die an die beklemmenden Verschwörungsthriller der 70er anknüpfen. Langsam enttarnt der Film einen der größten Umweltskandale aller Zeiten. 99% aller Lebewesen auf dem Planeten haben bereits PFOA in sich, erfahren wir im Abspann.

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