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Flugzeugträgerkiller

Rossiya 1

Erich Moechel

Russland testete „Flugzeugträgerkiller“

Erstmals wurde der Zirkon-Marschflugkörper auf ein schwimmendes Ziel abgefeuert, nach russischen Angaben schlug er mit 9.000 Km/h dort ein. Die gesamte militärische Führung der USA begab sich da gerade in Quarantäne.

Von Erich Moechel

Am Mittwoch hat der Oberkommandierende des russischen Generalstabs Waleri Gerassimow bekanntgegeben, dass ein Hyperschall-Marschflugkörper des Typs „Zirkon“ erstmals von einem Kriegsschiff erfolgreich auf ein schwimmendes Ziel abgefeuert wurde. Die Zirkon war Dienstag früh von der Fregatte Admiral Gorschkow in Richtung Barentssee abgefeuert worden und sei am Zielobjekt mit achtfacher Schallgeschwindigkeit eingeschlagen, sagte Gerassimow am Mittwoch.

Die Zirkon gilt als Flugzeugträgerkiller, die US-Militärs hatten alle Tests deshalb besonders aufmerksam verfolgt. Diesmal traten die Oberkommandierenden des Generalstabs jedoch zum Testzeitpunkt gerade ihre Coronavirus-Quarantäne an. Vom Generalstabschef abwärts befindet sich die gesamte militärische Führung der USA seit Dienstagfrüh in Quarantäne. Das hat beinahe allegorischen Charakter, denn die USA liegen bei Hyperschallwaffen Jahre hinter Russland zurück.

Flugzeugträgerkiller

TASS

Die Zirkon während des Starts aus einem der 24 Raketenschächte der Admiral Gorschkow. Aus diesen Schächten der russischen Fregatten werden bereits seit Jahren herkömmliche Marschflugkörper des Typs „Kalibr“ abgefeuert. Zuletzt war das beim Eintritt Russlands in die Kampfhandlungen in Syrien 2017 zu beobachten. Das Bild von Tass ist ein Screenshot aus dem offiziellen Video des russischen Verteidigungsministeriums

Die Frage der Treffsicherheit

Um den großen Rückstand der USA bei hyperschallschnellen Marschflugkörpern aufzuholen, wurden zwei konkurrierende Projekte von Lockheed und von Raytheon ausgeschrieben.

Der Flug der weltweit ersten funktionsfähigen Cruise Missile mit Hyperschallantrieb ging über 450 Kilometer und dauerte weniger als fünf Minuten, die maximale Flughöhe lag bei 28.000 Metern. Das Zielobjekt wurde nicht näher genannt, in der Regel sind es ausrangierte Frachter oder schwimmende Plattformen. Ob dieses Zielobjekt in Bewegung war oder vor Anker lag wurde freilich nicht bekanntgegeben, Bilder vom Einschlagsort wurden weder jetzt noch nach vorhergehenden Testflügen gezeigt. Mehr über die derzeitige Treffsicherheit dieser Hyperschallwaffen wissen also nur die Militärs auf beiden Seiten.

Der US-Seite wird die Überwachung dieser Tests durch ihre militärischen Aufklärungssatelliten relativ leicht gemacht, da sämtliche bisherigen Tests von ein- und derselben Fregatte durchgeführt wurden. Zuletzt hatte die Admiral Gorschkow im Jänner einen Test mit der Zirkon über 500 Km auf ein landgestütztes Ziel durchgeführt, auch da gab es nur Bilder vom Abschuss, den Einschlag sah man jedoch nicht. Damit steht und fällt auch eine Bewertung dieser Tests, denn die größte Schwierigkeit dabei tritt in der letzten Phase des Fluges auf.

Flugzeugträgerkiller

Rossiya 1

Der Abschuss war am Dienstag, präsentiert wurde das Video durch den Generalstabsschef aber erst am Mittwoch. An diesem Tag feierte Wladimir Putin seinen 68. Geburtstag.

Die USA haben die Materialfrage bei Hyperschallwaffen noch nicht gelöst. Dabei geht es um eine geeignete Legierung für Außenhülle und Leitwerk, die Temperaturen von 3.000 Grad widersteht.

US-Test soll noch heuer folgen

Bei einer Geschwindigkeit von mehreren Mach fliegt der Gefechtskopf in einer mindestens 2.000 Grad Celsius heißen Plasmawolke aus verdichteter Luft. Es bedarf daher spezieller Legierungen, die diesen Temperaturen standhalten können. Besonders gefährdet sind die Stummelleitwerke, denn das Geschoss muss bis zum Schluss steuerbar sein. So hatte es bereits vor einem Jahr einen ersten Testabschuss eines Protypen gegeben, über den Ausgang ist nicht mehr bekannt, als der Marschflugkörper die volle Flugdistanz zurückgelegt habe. Nach einem Erfolg klingt das freilich nicht.

Im September hatten die militärische Forschungsagentur DARPA und die US Air Force den Abschluss der letzten Testflüge mit zwei Varianten des „Hypersonic Air-breathing Weapon Concept“ (HAWC) verkündet. Getestet wurde freilich nur die Aufhängung der beiden Prototypen, abgefeuert wurden die Raketen nicht. Der erste echte Testflug der beiden von Lockheed Martin bzw. Raytheon Technologies gebauten Prototypen werde noch in diesem Jahr stattfinden, hieß es von der DARPA. Die Hyperschallrakete wird dabei von einem Bomber in etwa 20 Km Höhe gestartet. Ziel sei es, eine „effiziente und leistbare“ Hyperschallwaffe zu entwickeln, hieß es von der DARPA, die auf einem Scramjet-Triebwerk mit Kohlenwasserstoff basiere.

Flugzeugträgerkiller

Rossiya 1

Szene aus dem Video des russischen Staatsfernsehens Rossiya1, das am Mittwoch veröffentlicht wurde

Erratische Manöver bei 9.000 Km/h

Wie die USA seit Ende 2018 im Hyperschallbereich von Russland abgehängt wurden in sieben ausführlichen Artikeln.

Russland hat das bereits. Die Zirkon-Marschflugkörper werden aus demselben Typ von Schacht abgefeuert, von dem auch die konventionellen Marschflugkörper des Typs Kalibr starten, die zur Standardbewaffnung russischer Korvetten gehören. Mit Raketenantrieb ging es die ersten Kilometer weit hinauf und dann wieder steil hinunter bis die nötige Geschwindigkeit von mehr als vier Mach erreicht war. Ab da springt der „Nachbrenner“ an, ein Staustrahltriebwerk mit Einspritzung von (Kohlen)Wasserstoff. Diese „Ramjet-Scramjet Engine“ katapultiert den Gefechtskopf zuletzt auf achtfache Schallgeschwindigkeit, also auf mehr als 9.000 km/h.

Die absurde hohe Beschleunigung durch diesen Nachbrenner wird durch die Kombination zweier Turbinenarten erreicht. Die „Ramjet“-Turbine springt als erste an, sobald der Luftstau am Einlass stark genug ist, je nach Bauform der Turbine ist das ab etwa Mach 3 der Fall. Ungefähr ab Mach 5 übernimmt dann die noch deutlich leistungsfähigere Scramjet-Engine & beschleunigt den Flugkörper auf Geschwindigkeiten jenseits der 9.000 Km/h. Es handelt sich also weniger um eine Rakete, sondern in erster Linie um ein turbinengetriebenes Fluggerät. Nach russischen Angaben ist die Zirkon bis zum Schluss steuerbar, auch die Geschwindigkeit lässt sich angeblich noch variieren. Ein so absurd schnelles Flugvehikel, das obendrein erratische Manöver fliegt, von einem Flugzeugträger aus abzuschießen ist nicht recht vorstellbar.

Raketenantriebsgrafik

Aerojet-Rocketdyne

Hier sieht man zwei Versionen des Antriebskonzepts von Aerojet Rocketdyne, dem Lieferanten von Hyperschallantrieben des Lockheed-Konsortiums. Das obere Bild zeigte eine kombinierte Ramjet/Scramjet-Turbine. Diese Turbinen kommen ohne bewegliche Teile aus.

Geburtstagsgruß für Putin

Auslöser der Quarantäne der Kommandanten des Generalstabs am Dienstag war ein positiver Covid-Test des Vizechefs der Küstenwache, Admiral Charles Ray, in Folge wurde auch der stellvertretende Kommandant der Marines General Gary Thomas positiv auf das Coronavirus getestet. Beide hatten zuletzt am Freitag vor einer Woche an einer Sitzung des Generalstabs teilgenommen. In Folge begab sich die gesamte Führung des Generalstabs in Quarantäne, als Oberkommandeur von US Cybercom ist auch NSA-Chef General Paul Nakasone mit dabei.

Die Annahme, dass diese Entwicklung in den USA in Zusammenhang mit dem Zeitpunkt des Tests der Zirkon zusammenhinge ist zwar verführerisch aber dennoch falsch. Bekanntgegeben wurde der Test nämlich am Tag danach, es war eine Art von propagandistischer Morgengabe der russischen Militärs an Präsident Putin zu seinem 68. Geburtstag.

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