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FM4 House of Paint: Von der weißen Leinwand zum fertigen Bild

Mafalda Rakoš

FM4 House of Paint: Von der weißen Leinwand zum fertigen Bild

Was passiert alles, bis ein Gemälde vollendet ist? Wir haben die Malerin Denise Rudolf Frank bei der Arbeit an einem Bild begleitet.

Von Felix Diewald

Eine Halle in Wien-Erdberg Anfang August. Denise Rudolf Frank hat sich hier eingemietet, weil sie innerhalb eines Monats 15 Bilder malen muss. „Ziemlich sportlich, aber notwendig”, sagt die Malerin. Der Grund: Allein im Herbst stehen drei Ausstellungen in Salzburg, Berlin und Seoul an, da müssen neue Werke her.

Das Bild, das wir in den nächsten Wochen begleiten werden, liegt noch als leere Leinwand am Boden. Die Malerin startet - wie immer - ohne Plan. „Ich arbeite und agiere mit dem Bild. Ich gestalte das Konzept sozusagen gemeinsam mit ihm.” Als erstes zieht Denise einen dicken, schwarzen Strich mit Ölfarbe einmal quer über die Leinwand. „Das ist der Hintergrund, die Basis.“ Anschließend arbeitet die Malerin mit Acrylfarbe, um mit einer dicken Schicht eine zweite Ebene und mehr Tiefe und Dynamik ins Bild zu bekommen. „So bekommt es eine zusätzliche Textur und Haptik und wirkt viel dreidimensionaler.“ Ihre früheren Professor*innen bezeichneten die Kombination aus Öl und Acrylfarbe noch als No-Go. Denise arbeitet gerne damit, sie mag die Vielschichtigkeit daran. „Dadurch wird das Auge ständig von Linie zu Linie, von Hintergrund zu Vordergrund geschickt wird und du machst beim Betrachten eine Reise durchs Bild.“

FM4 House of Paint: Von der weißen Leinwand zum fertigen Bild

felix diewald

Unser Bild in Phase 1 des Mal-Prozesses. Denise Rudolf Frank: „Ich merke, das irgendwo noch was fehlt.”

Aus der Tube direkt auf die Leinwand

Denise malt meist direkt aus der Tube, wie bei einer Ketchupflasche dreht sie die Acryltube um, klopft einige Male auf die Leinwand – so dass ordentlich was rauskommt – und kleckst dann Striche mit Wucht hin. „Wenn ich mit den Händen und den Tuben arbeite, habe ich das Gefühl, nicht nochmal ein extra Medium zwischen mir und der Leinwand zu haben.” Mit der Handkante bringt sie die sehr dick aufgetragene Farbe in Position. Überschüssige Farbe wischt sie in den Malerfließ am Boden. Immer wieder steht sie auf, nimmt mit der Hand Maß, deckt einzelne Stellen ab, stellt sich vor, wo der nächste Strich hinkommen könnte.

Neben ihr stehen gezählt 17 Acrylflaschen, nach denen sie relativ spontan zu greifen scheint. Ihr Malstil sei relativ ressourcenintensiv, erzählt Denise. Für einen einzigen (!) der dutzenden Striche auf einem Bild braucht sie meistens eine Flasche Farbe, die kostet zwischen 10 und 17 Euro im Kunstbedarf. „Früher hatte ich regelmäßig Schweißausbrüche an der Kassa, als ich die Rechnung gesehen habe.“

Für heute ist die Malerin mit unserem Bild fertig. Ein großer, schwarzer, fast aggressiver Strich dominiert das Bild im Hintergrund. Darüber schweben dünne, haptische, Linien, die dreidimensional aus dem Bild herauszustehen scheinen. Man sieht, mit wie viel Energie sie gesetzt worden sind. Die erste Schicht müsse jetzt ein bis zwei Tage trocknen. Denise: „Dann stelle ich’s an die Wand, beobachte, analysiere und überlege mir die nächsten Schritte.” Mitte September, in sechs Wochen, soll unser Bild in Salzburg ausgestellt werden.

FM4 House of Paint: Von der weißen Leinwand zum fertigen Bild

Mafalda Rakoš

„Je mehr Mut ich habe, je mehr ich mich traue, desto spannender werden die Bilder.”

Phase 2: Die Richtungs-Entscheidung

Zwei Wochen später besuchen wir die Malerin wieder in ihrem Atelier in Erdberg. Unser Bild hat sich seit dem letzten Besuch nicht verändert, liegt allerdings nicht mehr am Boden, sondern lehnt, auf einem Tisch, an der Wand. Sie befinde sich nun in Phase zwei ihres Mal-Prozesses, erklärt Denise Rudolf Frank. Von hier an plane sie zum ersten Mal ihre nächsten Schritte. „Ich merke, das irgendwo noch was fehlt”, sagt Denise beim Betrachten der Leinwand. „Es ist noch viel zu schnell ‘gesehen’. Die Striche sind zwar sehr aggressiv und haben Kraft und Energie. Aber miteinander ist es noch nicht kraftvoll genug.” An diesem Punkt bestehe die Gefahr, dass Bild zu „übermalen“, erklärt sie. Die nächsten Steps müssten sitzen. „Sonst könnte ich etwas verlieren, das schon da ist. Weil ich dann immer auf die neuen Striche reagieren muss. Und dann geht das immer so weiter – bis die Luftigkeit und dieses Freie im Bild vielleicht nicht mehr da ist.“

Es gibt an dieser Stelle zwei Optionen für unser - noch unbetiteltes - Bild, erklärt Denise. Entweder: Mit Ölkreide in den Hintergrund arbeiten – damit sich die zentralen Striche rechts und links oben stärker voneinander unterscheiden – das wäre die sichere Variante. „Aber ich würde in dem Bild auch einen Fisch darin erkennen. Wenn ich den rausarbeite, werde ich auf jeden Fall dieses Fliegende im Bild ein bisschen verlieren. Andererseits kann es durch das Motive auch mächtiger werden.“

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felix diewald

Minimalistisch belassen oder doch einen Fisch draus malen? Denise muss sich im zweiten Schritt entscheiden.

Für diese Richtungs-Entscheidung braucht Denise jetzt einige Tage. Was ihr dabei hilft: Zeitgleich an mehreren Gemälden zu arbeiten. In ihrem Atelier stehen mehr als ein Dutzend angefangene Leinwände in verschiedenen Stadien. Dadurch hat sie den nötigen Abstand zu den einzelnen Bildern. „Wenn ich mich jetzt nur mit unserem Bild beschäftigen würde und es anstarre: Dann sehe ich vielleicht immer noch Stellen, die ich sehr mag und nicht übermalen möchte – aber genau das könnte mich daran hindern, am Ende zum richtigen Resultat zu kommen.”

Denise Rudolf Frank hat auch das Cover der HVOB-Platte „Rocco“ gestaltet.

Wann ist ein Bild fertig?

Drei Wochen später, in einer Woche ist Ausstellung und Denise Rudolf Frank hat unser Bild fertig gemalt. Es trägt den Titel „Deep“. „Ich habe mich für die zweite Variante entschieden.”, sagt die Malerin. Sie hat den angedeutet erkennbaren Fisch herausgearbeitet. Der Fisch bleibt sehr abstrakt dargestellt. Es ist etwa nicht klar, ob er ein, oder doch zwei Augen hat und wo der Mund ist. Wie wusste Denise, dass sie fertig ist? Dass es keinen einzigen extra Pinselstrich mehr bedarf? Das Auge dürfe nie zur Ruhe kommen, sagt sie. „Die Linien, Formen und Farben müssen so kommunizieren, dass du mit dem Auge ständig weitergehen wirst und automatisch in die Tiefe gezogen wirst. Wenn du das erreichst, wird das Bild nicht langweilig.”

Denise ist froh, das Risiko eingegangen zu sein, einen Fisch aus den Strichen zu machen, obwohl das Bild auch schon davor funktioniert hätte. „Je mehr Mut ich habe, je mehr ich mich traue, desto spannender werden die Bilder.” Vor einigen Jahren, auf der Kunstuni hat Denise anfangs noch minimalistisch und vor allem schwarz-weiß gemalt. Ihre ehemalige Professorin, die Malerin Kirsi Mikkola, erinnert sich: „Das war eine klassisch, konservative, sagen wir, Wohnzimmer-Malerei.” Die Professorin fordert Denise damals auf, mehr zu probieren. „Sie hat sich dann auch relativ rasch getraut, mal eine gelbe Farbe oder was Orangenes reinzumalen.”

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Unser fertiges Bild „Deep“ im Atelier in Erdberg.

Wie man es als Malerin schafft

Denise Rudolf Frank hat immer schon gemalt. Auf Anraten ihrer Familie und Bekannter begann sie allerdings zunächst, als Grafikdesignerin zu arbeiten. Bei einer ihrer ersten Malerei-Ausstellungen waren dann aber alle Bilder bereits vor der eigentlichen Eröffnung verkauft. Denise: „Das war für mich so ein unglaublich gutes Gefühl, dass ich gesagt habe: Jetzt riskiere ich alles und probier‘s einfach.”

Denise schafft es mit Anfang zwanzig in die Kunstuni und versucht gleichzeitig in der Wiener Kunst-Bubble Fuß zu fassen. „Am Anfang hatte ich noch ein bisschen mehr diese romantische Vorstellung: Ich male und dann kauft das halt jemand und das war’s.” Die Wahrheit sehe allerdings „ganz anders“ aus. Sie schätzt, dass Anfangs nur 30 Prozent ihrer Arbeit wirklich aus Malen bestand. Der Rest: Socialisen, Organisieren, Selbstvermarktung. Ausstellungen, Events - Denise ist da, quatscht Menschen an und baut sich ein Netzwerk auf.

Die ersten Käufer*innen kommen über lokale Kunstmessen - und über Instagram. Heute kommen fast alle Anfragen über die Plattform, 90 Prozent, schätzt die Malerin. Selbst Galerien würden sie über Instagram kontaktieren. „Und ich merk auch: Bevor dich Leute googeln oder auf deine Website gehen, schauen sie dein Instagram-Profil an.”

Über Social Media wird auch ihr Galerist Clemens Gunzer auf sie aufmerksam. „Denise trifft den Zeitgeist der Mittzwanzig- bis Mittdreißiger einfach unglaublich gut”, sagt er. Frank sei mit ihren 26 Jahren eine aufstrebende Malerin, die gerade am Sprung in den internationalen Kunstmarkt ist. „Für ihr Alter ist sie natürlich schon etabliert. Auch vom Preisniveau”, so der Galerist. Sie male in kleinen Formaten, für junge Leute leistbarer, aber auch in Großformaten, die für etablierte Sammler interessanter sind.

Kleinere Bilder von Denise kosten derzeit rund 2500 Euro, größere Formate um die 10000. Der Kurator Sebastian Schager hat Denise Rudolf Frank im Frühjahr für eine Live-Street-Art-Ausstellung im Wiener Museumsquartier gebucht. „Bei der Denise“, sagt Sebastian, „kann man in einer kurzen Zeitspanne erleben, wie ein Werk entsteht.” Das sei perfekt für seine Live-Vernissage gewesen.

Für den Kurator ist der frühe Erfolg Franks am kleinen Wiener Kunstmarkt eher eine Ausnahme. „Das ging Ruckzuck.”. In Österreich seien die Märkte durch gewachsene, etablierte Künstler*innen dominiert. „Da finde ich es schön, wenn mal jemand junger durchbrechen kann.”

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Für den Kurator Sebastian Schager ist der frühe Erfolg Denise Rudolf Franks am kleinen Wiener Kunstmarkt eine Ausnahme. „Das ging Ruckzuck.”

Whatsapp-Deal Wien-Tokio

Eine Galerie im Salzburger Stadtzentrum Mitte September. Hier findet die Solo-Ausstellung von Denise Rudolf Frank statt und hier endet auch unsere Langzeitbeobachtung. Viele der Werke, die sie in den letzten Monaten in Erdberg gemalt hat, hängen nun zum ersten Mal öffentlich. „Ich bin eigentlich jedes Mal ein bisschen nervös vor einer Eröffnung.”, gesteht Denise. „Aber nicht, weil ich Angst habe, dass es kein Erfolg wird, sondern weil meistens viele Leute kommen, die ich kenne.”

Und was sagen die Besucher*innen? „Mir gefällt besonders, dass sie wirklich komplett plain anfängt und darauf los malt – ohne zu wissen, wohin die Reise geht”, sagt eine. Ein anderer hat eben seine erste Frank – ein knapp zwei Meter Großformat – erworben. „Dieses Bild mit dem Schwein-Motiv haben wir gesehen und gedacht: Das passt genau zu uns. Taugt mir sehr.”

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„Deep“ bei der Ausstellung in Salzburg.

In der Ausstellung ist auch jenes Bild dabei, dessen Prozess wir begleitet haben: „Deep“. Ein abstrakter Fisch, 160 mal 140 Zentimeter, Öl und Acryl auf Leinwand. Es ist allein in einem Raum angebracht, kräftig ausgeleuchtet, gegenüber sind zwei Sessel platziert. Zuerst hatte es der Galerist Clemens Gunzer an einer anderen Position angebracht. „Da konnte es sich allerdings zu wenig entfalten. In diesem Raum hingegen passiert sonst nichts, hier ist das Bild der Star.”

Der Galerist erzählt, dass er unser Bild schon verkauft hat. Über einen koreanischen Geschäftspartner an einen Sammler aus Japan. Ein ähnliches Werk Franks, das drei Fische zeigt, gehe auch nach Japan. Die Verhandlung, erklärt Gunzer, passiert dabei ganz unkompliziert und schriftlich über WhatsApp. Der Käufer von „Deep“ ist ein Hotelier in Tokio und soll dort in seinem Hotel hängen. Kaufpreis 6600 Euro. Galerist Gunzer: Ich find’s immer schade, wenn ein Bild dann in einem Lager verschwindet, aber in diesem Fall taugt mir das sehr, weil das Bild sicher von vielen Menschen gesehen wird.”

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