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"Hanf - Ein Portrait" Buch Cover

Matthes & Seitz Berlin

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„Hanf - Ein Portrait“

Die Wirtschaftssjournalistin und Gärtnerin Ute Woltron im Interview über eine der vielseitigsten und begehrtesten Pflanzen der Welt.

Von Boris Jordan

Der Hanf ist eine der ältesten und vielseitigsten Pflanzen der Welt. Er ist nachhaltig, man kann die gesamte Pflanze verwenden und daraus von Papier und Stoff über Seile, Segel und Dämmmaterial bis Nahrungsmittel und Naturmedizin vieles herstellen. Am begehrtesten ist natürlich das Harz der weiblichen Hanfpflanze, die vielleicht am weitesten verbreitete weiche Droge der Welt, weshalb Anbau und Besitz der Pflanze seit 80 Jahren in den meisten Ländern der Welt illegal sind und zum Teil drakonisch bestraft werden.

Die Wirtschaftsjournalistin und Gärtnerin Ute Woltron hat in ihrem neuen Buch „Hanf - Ein Portrait“ einen Rundumblick auf die Hanfpflanze geworfen. Sie liefert einen Einblick in Natur, Kultur und Politik der Hanfzucht, einen historischen Überblick vom ersten chinesischen Hanfpapier bis zur amerikanischen Prohibition, die zum weltweiten Hanfverbot geführt hat, gewürzt mit allerlei persönlichen Gärtnerinnen-Erlebnissen bei der Hanfzucht.

FM4: Dein neues Buch ist bei Matthes und Seitz erschienen, ausgerechnet über Hanf. Es gibt relativ viele Hanfbücher - dein Hanfbuch hat aber einige spezielle Aspekte, die man sonst in der ganzen Legalize-Literatur nicht so findet. Du stellst im Vorwort schon klar, dass du nicht zu den sogenannten „Kiffern“ gehörst, dass du dich also nicht zur Selbstversorgung mit Drogen mit Hanf beschäftigt hast, sondern dir ist der Hanf sozusagen in den Garten geweht. Kannst du uns erzählen, wie das passieren kann?

Ute Woltron: Man kennt ja diese charakteristischen, gezackten Blätter, und eines Tages wuchs ein solches sich in meinem Garten zu einer riesigen Hanfpflanze aus. Ich nehme an, es ist von irgendeinem Vogelfutter, irgendein Futterhanf angeflogen gewesen. Damals wusste ich noch gar nicht - weil man weiß ja, wenn man sich nicht damit beschäftigt, reichlich wenig über den Hanf - dass es überhaupt verschiedene Arten, Sorten et cetera gibt. Ich hab den einfach wachsen lassen und hab mir gedacht, na, schauen wir mal, was da rauskommt.

Das ist irgendwie ein komisches Gefühl, wenn du mit dieser Prohibition aufgewachsen bist, also mit diesen ganzen Horrorgeschichten von Einstiegsdroge und ich weiß es nicht was, dann im Garten sozusagen einen illegalen, pflanzlichen Einwanderer zu haben. Ich hab ihn aber dann trotzdem wachsen lassen, er ist riesengroß geworden, er hat nach nichts geduftet, er war auch nicht zu rauchen. Wir haben das mit den Blättern probiert, was ein kompletter Schwachsinn war, das zeigt schon meine Ignoranz, die Herangehensweise. Das war meine erste Hanfpflanze.

FM4: Das heißt, es war gärtnerisches Interesse oder Faulheit - normalerweise rupft man das doch aus, das invasive Zeug, wenn man einen schönen Garten hat. Oder wolltest du erst recht wissen, wie das Ding gedeiht?

"Hanf - Ein Portrait" Buch Cover

Matthes & Seitz Berlin

„Hanf - Ein Portrait“ von Ute Woltron, herausgegeben von Judith Schalansky und illustriert von Falk Nordmann, ist bei Matthes & Seitz Berlin erschienen.

  • Eine Leseprobe gibt es hier.

Ute Woltron: Ich wollte unbedingt wissen, wie es gedeiht, wie groß es wird, ob es überhaupt bei uns gescheit wächst und was dabei herauskommt. Insgeheim gab es natürlich auch die Hoffnung, dass aromatische „Beigaben“ sich entwickeln, was allerdings nicht der Fall war, weil Faserhanf kein THC entwickelt.

FM4: Das ist das, was bei uns früher Vogelhanf geheißen hat, was man eigentlich nur zur Bodenverbesserung angebaut hat, in der Fruchtwechselwirtschaft, und nicht, um einen Wirkstoff zu gewinnen.

Ute Woltron: Das muss aber schon sehr lange her gewesen sein, weil der Hanf ist schon seit so vielen Jahrzehnten international verboten gewesen, das ändert sich ja jetzt gerade. Seit den Dreißigerjahren hat man keine Hanffelder gesehen, abgesehen von der Kriegszeit, in der man Hanf anbauen durfte, als das sogar gefördert wurde, sowohl von den Amerikanern als auch von den Deutschen, weil man das für Kriegsgut gebraucht hat als Rohmaterial.

FM4: Du schilderst in deinem Buch, dass es noch einen zweiten Grund gab, es zu schreiben. Du leidest unter Migräne und der Konsum von bestimmten Cannabisstoffen wirkt lindernd. Bei Migräne hilft ja ganz wenig, wie bist du da drauf gekommen?

Ute Woltron: Ich habe immer wieder gelesen, welche Prophylaxen es geben könnte, welche Mittel man verwenden könnte, und dann ist immer öfter das Thema Cannabinoide aufgekommen, vor allem auf den amerikanischen Sites. Das habe ich mit einem meiner Neurologen besprochen und er hat gesagt, „in Amerika verschreiben sie es schon, probieren Sie es“. So habe ich begonnen, weil ich es mir nicht kaufen wollte und ich eh eine Gärtnerin bin, es hat mich auch interessiert aus rein pflanzentechnischer Hinsicht, zuerst aus Samen und dann später aus Stecklingen zu ziehen.

FM4: Es gibt mehr oder weniger zwei verschiedene Auffassungen von Hanfanbau: Die einen behaupten, es sei Unkraut, wächst am Wegesrand und ist nicht totzukriegen, die anderen, wie die Abonnenten der „High Times“ und dieser ganzen Zeitschriften, tun so, als wäre das eine höhere Wissenschaft und man müsste irrsinnig viele Gerätschaften und Bedenken haben. Was ist deine Erfahrung: Ist es einfach, Hanf zu ziehen?

Ute Woltron: Wenn es heißt, es braucht viele Gerätschaften, das ist ein Geschäftsmodell, denn man kann weiß der Kuckuck was alles kaufen, spezielle Hanferden, Dünger, es ist überbordend. Es kommt natürlich darauf an, ob du den Hanf indoor growen willst, dann brauchst du eine Grow-Box - das mach ich nicht, das hab ich einmal probiert, auch zum Spaß, aber das befriedigt mich gar nicht. Ich mag lieber die Outdoor-Varianten und ich glaube, da muss man ein bisschen differenzieren.

Der Hanf ist an sich eine extrem wüchsige, leicht zu ziehende Pflanze, aber es gibt verschiedene Arten. Es unterscheidet sich sehr stark, ob du „Sativa“ oder „Indica“ anbaust. Die Indicas, die ich persönlich überhaupt nicht mag, weil sie diese berühmte Dröhnung verursachen (und ich will nicht high sein), sind recht leicht zu ziehen, geben viel Ertrag, gehen schnell in Blüte und blühen nicht so lang. Wohingegen die wirklich guten, feinen, nicht so dröhnenden Sativas viel weniger Ertrag geben, viel milder und angenehmer sind, aber auch viel schwieriger zu ziehen sind, weil sie sehr spät in Blüte gehen und weil sie sehr lang brauchen, bis die Blüten ausreifen. Deshalb kriegt man die fast nicht.

Ich bin jedenfalls dazu übergegangen, mir hauptsächlich diese sogenannten „Strains“ zu kaufen, die gegen Schmerzen und insbesondere gegen Migräne ausgewiesen sind. Ich wage Zweifel anzumelden, ob da einzelne Sorten wirklich so große Unterschiede in sich tragen, aber die Sortenunterschiede sind, finde ich, schon ein großes Thema, wenn man über Cannabis redet, weil da kennt man das ja gar nicht, wenn man es nicht selber growt oder zieht.

FM4: Du hast dementsprechend einen relativ großen Teil des Buches, den umfangreichen Anhang, den Porträts der verschiedenen Hanfpflanzen gewidmet. Aber vor allem widmest du dich der Geschichte des Hanfs, des Anbaus, des Abbaus und der Prohibition. Wie ist es dazu gekommen, dass die Amerikaner plötzlich wieder trinken, dafür aber nicht mehr kiffen durften?

Podcast

FM4

Das Interview mit Ute Woltron gibt es auch im FM4 Interview Podcast zu hören.

Ute Woltron: Ich muss vorausschicken, dass diese Prohibitionsgeschichte eigentlich für mich das Interessanteste an der ganzen Sache war. Wie eine relativ kleine Gruppe von Menschen es zustande gebracht hat, eine seit Zigtausenden Jahren genutzte, wertgeschätzte und in vielerlei Hinsicht verwendete Pflanze zu verbieten. Der Hanf ist ja nicht nur ein „THC et al.“-Spender, ganz viele Dinge wurden aus Hanf produziert, er war auch Nahrungsmittel et cetera. Und dann gab es ausgehend von Amerika eine relativ kleine Gruppe von Baumwollfarmern, von Zeitungszaren. Und es gab auch einen Drogenbeauftragten namens Harry Anslinger, dem nach dem Ende der Prohibition seine Felle davongeschwommen sind und der brauchte etwas Neues, das er verfolgen konnte. Und dann ist er auf diesen Hanf losgegangen bzw. auf Cannabis. Das hat durchaus auch ganz arg rassistische Züge angenommen, die mexikanischen Einwanderer wurden der Unzucht und des Wahnsinns geziehen wegen Cannabis, und das würde sich auf die amerikanische Jugend übertragen.

Das hab ich immer eine interessante, unglaubliche Geschichte gefunden, die mich schon damals empört hat, und das war auch einer der Hauptgründe, warum ich jahrelang - und ich bekenne es offen und unumwunden - Cannabispflanzen gezogen habe, ein paar, um meine Freunde damit zu versorgen zu einer Zeit, wo ich eigentlich überhaupt nicht gekifft habe. Das habe ich so eine derartige Unverschämtheit gefunden, eine Pflanze zu verbieten, die eigentlich viel Wohltat spenden kann, in jeder Hinsicht, nicht nur, weil man sich ein kleines High anrauchen oder anessen kann, in Zeiten, in denen wir leben, wo jeder, der mit aufmerksamem Blick durch einen Supermarkt geh, sieht, was die Leute an Gift in sich hineinstopfen, wo es Zigmillionen Alkoholtote gibt pro Jahr und so weiter und so fort. Es gibt keinen nachweislichen Hanftoten. Das ist die Unverhältnismäßigkeit, die mir missfallen hat und die ich offen deklarieren musste.

FM4: In Zeiten von Monsanto und Pioneer ist man vielleicht gar nicht so überrascht, dass die Lobbys auf hoher politischer Ebene etwas bewirken, aber direkt nach der Prohibition und vor dem Beginn des Zweiten Weltkriegs ist es doch etwas merkwürdig, dass das passiert ist. Es gibt auch Autoren, die behaupten, dass das ganze FBI, die ganze DEA, eigentlich ein künstliches Konstrukt sind, weil man gegen das organisierte Verbrechen zu viele Leute eingesetzt hatte, die alle arbeitslos gewesen wären. Es gibt auch den Film „Reefer’s Madness“, den man in diesem Fall empfehlen kann... Der ist mittlerweile hauptsächlich lustig, aber der muss damals schon ziemlich erschreckend gewirkt haben. Da sieht man Leute, die einen Joint rauchen und dann sofort Drogen-Kingpins werden und sich Opium in den Oberschenkel injizieren.

Abgesehen vom Historischen gibt es auch noch einen landwirtschaftlichen Aspekt in deinem Buch. Also nicht nur für dich als Gärtnerin und Erzeugerin deiner eigenen Medizin: Wir wissen es auch von dieser Anslinger-Geschichte, welche Wirtschaftszweige ein Interesse daran hatten, dass weniger Hanf angebaut wird, allen voran die Papierindustrie. Hanfpapier ist haltbarer und letztlich auch billiger, aber derzeit nicht, oder? Derzeit wäre es sehr teuer, wenn man die Zeitungen auf Hanf drucken würde.

Ute Woltron: Die Papierablöse durch Zellstoff erfolgte schon vor der Prohibition. Das hat schon Mitte des 19. Jahrhunderts begonnen, wenn ich mich nicht irre. Bis dahin gab es wirklich nur Hanf als jenen Papiergrundstoff, der wirklich für das haltbarste Papier aller Zeiten sorgt. Da gibt es Papierschnipsel aus China, die sind Jahrtausende alt. Der älteste Papierschnipselfund stammt aus einem chinesischen Grab und da ist ein Spiegel hinterfüttert mit diesem Papier.

Vieles ist nicht erhalten geblieben. Man kann zum Beispiel nicht sagen, welche Kleidung in China aus Hanf produziert wurde, das weiß man heute nicht mehr. Wenn man zum Beispiel die Schifffahrt anschaut: Die Welteroberungen hätten nicht stattfinden können, hätte man nicht aus Hanf Segel gewebt, aus Hanf die Taue gedreht, die viel haltbarer sind als alles, was man zur damaligen Zeit kannte. So ein Schiff musste nach jeder großen Fahrt neu aufgetakelt werden oder zumindest alle zwei Jahre, da sind Zig Tonnen von Hanf in einem Schiff verarbeitet gewesen.

Hanf Pflanze

Pixabay / CC0

FM4: Ebenso wie der Bambus hat auch der Hanf die Eigenschaft, dass er extrem viel schneller wächst als das Holz. Das heißt, wir haben jetzt gehört, dass es alle möglichen Lobbys gegeben hat, um die Gewinnung zu bremsen. Mittlerweile, wenn man an eine nachhaltige Wirtschaft denkt, müssten sich eigentlich Bambus und Hanf wieder durchsetzen.

Ute Woltron: Na ja, es gibt noch immer diese ganz großen Vorbehalte. Die Hanfbauern sagen: Ja, das ist eine Pflanze, die relativ leicht zu ziehen ist. Sie wächst extrem schnell, wenn sie die richtigen Bedingungen hat. Das heißt, sie braucht vor allem in der Jugendphase recht viel Wasser. Das könnte jetzt irgendwie umweltmäßig ein Problem sein, in diesen trockener werdenden Zeiten. Aber prinzipiell ist es so, dass der Hanf den Boden offenbar nicht auslaugt. Er braucht relativ gute, fette Böden, aber er braucht wenig Dünger. Er braucht vor allem kaum bis gar keine Pestizide. Je nachdem, ob du jetzt Fasern ernten willst oder Futter herstellen, wird er dichter oder weniger dicht gesät, er deckt den Boden so gut ab, dass kaum Unkraut aufkommt. Er ist unaufwändig zu ziehen, aber er ist recht schwierig zu ernten. Das ganze Know-how, das jetzt wieder aufkommt, ist über viele, viele Jahrzehnte verschüttet gewesen.

Wer weiß, was jetzt noch alles an Intelligentem erfunden wird mit dieser Pflanze, ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass die Zahlen insbesondere des medizinisch genutzten Hanf international wirklich teilweise explodiert sind, vor allem in den letzten fünf Jahren. Dann sind sie an die Börse gegangen und irgendwie grandios abgestürzt. Jetzt erholt es sich gerade wieder ein bisschen. Das kann man überhaupt noch nicht sagen, wie sich das alles entwickeln wird. Fakt ist aber, dass in den letzten Jahren ein Land nach dem anderen den medizinischen Hanf legalisiert hat.

Der Futter- und der Faserhanf darf nach europäischen Normen nur einen ganz geringen THC-Anteil, 0,2 Prozent oder so, haben, da müsste man ein ganzes Feld rauchen, um auch nur irgendwas zu spüren. Und dann gibt es die schon THC et al. enthaltenden anderen Hanfpflanzen. Die sind verboten. Die Blüte liefert eben die verschiedensten Inhaltsstoffe. Da sind ja erst ganz wenige davon entschlüsselt. Eins davon ist THC, das war das erste, in den 60er Jahren. Und dann gibt es eben dieses CBD, dem man auch allerlei schmerzstillende und beruhigende Wirkung nachsagt und das man auch erforscht hat. Aber irgendwie, als altes Bauernkind widerstrebt es mir, von einer Blüte oder einer Pflanze sowas heraus zu destillieren, wenn ich doch das ganze Bouquet haben kann.

Und ich glaube, dass man da gut aufpassen muss, dass dieses ganze Cannabisgeschäft nicht wieder in eine Multi- und Geschäftemacherei-Richtung kippt, was es jetzt eigentlich schon macht: Freunde aus Südafrika berichten, dass die Haschischkonzerne wirklich große Landflächen aufkaufen, weil in gewissen Gegenden hervorragende Bedingungen herrschen. Da wird schon gut von großen Konzernen vorgebaut für ein Geschäft der Zukunft. Und das müsste man sich halt schon wirklich, finde ich, genau anschauen, wie sich das entwickelt.

FM4: Du schreibst, es würde 50.000 illegale Plantagen geben. Das kommt mir sehr viel vor.

Ute Woltron: Da rechnet man dann schon ein, zwei, drei, vier Pflanzen rein, die irgendwer im Hinterhof zieht. Aber wenn du dir die veröffentlichten Zahlen der Growshops anschaust und das hochrechnest und davon ausgehst, dass jeder auch erntet, dann kommt da schon ganz schön viel heraus. Die Stecklinge dürfen noch verkauft werden - auch da, glaube ich, hat unsere Regierung mittlerweile schon wieder Bedenken dagegen, da sind wir wieder mehr in die reaktionäre Richtung gewandt. Aber du darfst sie ziehen, bis sie zu blühen beginnen, und wenn die Blüten einen gewissen THC-Gehalt haben, dann bist du kriminell.

Die Grow Shops sind sehr darauf bedacht, im legalen Bereich zu bleiben. Du kannst dich dort auch kaum mit jemandem über die Qualitäten der Blüte unterhalten, die sagen: Wir verkaufen Zierpflanzen. Ich muss dazu stehen, weil meine Zierpflanzen mir das Leben in einem Moment wieder lebenswert gemacht haben, wo es wirklich schon grimmig war. Und deshalb stehe ich auch dazu. Deshalb bin ich ganz offen und habe keine großen Skrupel. Außerdem kenne ich andere Leute, die auch lebenswerte Tage wieder verbringen, seit sie, nicht mal kiffen, sondern Hanf-Dragees zu sich nehmen.

Kleiner Exkurs: Der erste Amerikaner, der legal Cannabis konsumieren durfte, durfte das aufgrund seiner Glaukomerkrankung. Das amerikanische Höchstgericht hat dem stattgegeben, nachdem sein Anwalt ihn kichernd gefragt hat, ob eigentlich irgendwo ang’rennt ist, dass er diese Klage überhaupt erhebt.

FM4: Du hast dich sehr mit der Geschichte der Prohibition, mit der Geschichte des Hanfanbaus beschäftigt. Wie, glaubst du, geht es jetzt weiter? Gibt es auf der Welt nur mehr Uruguays, die große Mengen an Steuern einnehmen? Und jeder glaubt, es gibt eine Monopolisierung und es gibt nur mehr einen Hanf auf der Welt. Wie wird Monsanto einsteigen? Ich glaube, so geht es weiter.

Ute Woltron: Ich bin ja keine Hanfprophetin. Ich glaube, dass die großen Konzerne wirklich ein sehr waches Auge haben auf diesen Markt. Man muss wirklich unterscheiden zwischen Industriehanf - Futterhanf, Faserhanf und dem medizinischen Bereich. Ich glaube, dass in diesem medizinischen Bereich unfassbar viel Geld drinnen sein kann. Ich glaube, dass die Pflanze ein großes Potenzial hat, dass da mit den neuen, zur Verfügung stehenden Technologien und Möglichkeiten schon Dinge entstehen werden, von denen wir vielleicht gar keine Ahnung haben. Lasst uns überrascht sein.

FM4: Was ich noch sagen muss: Es ist auch ein großer alter Legalize-it-Mythos, dass die Leute am Alkohol verrecken und an handfestem Cannabiskonsum tatsächlich noch niemand gestorben ist. Jetzt gibt es aber eine relativ hohe Grenzwert-Verschiebung. Es gibt am Markt oder am Schwarzmarkt extrem verdichtete Dosierungen, die den sogenannten natürlichen THC-Gehalt um das Hundertfache überschreiten. Das kann auch nicht gesund sein.

Ute Woltron: Es ist sehr gut, dass du das erwähnst. Das ist wirklich vollkommen geisteskrank, was da abgeht. Synthetische Cannabinoide sind schon Killer, damit kannst du dich wirklich wegputzen. Das würde ich nie in meinem Leben verwenden. Oder zum Beispiel auch diese ganze „Shatter“-Kocherei. Shatter ist das ganz, ganz, ganz konzentrierte Cannabisharz, das du musst extrahieren mit ganz tiefen Temperaturen, das steht im Buch beschrieben. Das haben wir gemacht, es war sehr lustig, aber das ist nicht ungefährlich, da fliegen die Buden gerne mal in die Luft. Du arbeitest mit Gas und so Zeugs, don’t try this at home... auf gar keinen Fall. Und das Produkt selber finde ich auch wirklich fragwürdig, wer braucht so eine hohe Konzentration? Das ist entsetzlich. Da sterben tatsächlich Leute dran. Dieses künstliche Zeug erweist sich einmal mehr als das wesentlich gefährlichere als das natürliche, unter der Sonne im Wind gepeitschte.

FM4: Danke für das schöne Gärtnerinnen-Schlusswort.

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