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Camilla Grudova: „Das Alphabet Der Puppen“

Dreizehn Kurzgeschichten zwischen spukiger Eleganz, wohliger Romantik und krudem Grausen. Das Buch-Debüt der Kanadierin Camilla Grudova ist eine gewaltige literarische Entladung.

Von David Pfister

Kurzgeschichten sind der naheliegendste Weg für junge Autor*innen in das Literaturgeschäft einzusteigen. Giganten wie etwa Edgar Allan Poe haben nachdrücklich dargestellt wie Eindringlichkeit und Tiefe in verdichtester Form in dieser Literatur möglich sind.

Dennoch so richtig ernst genommen und akzeptiert wird man im Literaturbetrieb nur mit einem Roman, einem richtigen Buch. Das ist ähnlich wie in der Popmusik mit dem Musikalbum. Streamings hin oder her. Die kanadische Autorin Camilla Grudova stellt diese unsäglichen Dogmen auf den Kopf. Ihr Debüt „Das Alphabet Der Puppen“ ist ein schmales Büchlein bestehend aus dreizehn Kurzgeschichten und trotzdem eine gewaltige literarische Entladung, die mit Edgar Allen Poe Armdrücken gehen kann.

Buchcover "Das Alphabet der Puppen"

Culturbooks

Camilla Grudova: Das Alphabet der Puppen. Storys. Aus dem Englischen übersetzt von Zoë Beck ist im Culturbooks Verlag erschienen.

„Er kochte unsere Heiratsurkunde im Teekessel und sagte, er würde nicht den Rest seines Lebens auf dem Friedhof arbeiten, nur um die Kinder des Mars durchzufüttern, und während ich für ihn Salat und Kaffee einkaufte, verließ er mich schließlich.“

Die Kanadierin Camilla Grudova lebt in Toronto, in Montreal hat sie Kunstgeschichte und Germanistik studiert. Ihre ersten Geschichten wurden von englischen und kanadischen Literaturzeitschriften publiziert. Ihr Debüt „The Doll’s Alphabet“ erschien 2017 fast gleichzeitig in Kanada, den USA und Großbritannien und wirbelte enorm viel Staub auf, sodass das Buch recht schnell auch ins Französische und Spanische veröffentlicht wurde und auf den Shortlisten verschiedener Wettbewerbe landete.

Ungewöhnlich für ein schmales Büchlein mit knapp 200 Seiten, bestehend aus etwas mehr als einem Dutzend Kurzgeschichten. Aber diese entwickeln in ihrem unerbittlichen Aussprechen oftmals brutaler Wahrheiten eine Intensität, die lange nachwirkt. Erreicht wird diese mit einer erstaunlichen Klugheit und einem witzigen Gebrauch von Referenzen aus Mythologie, Religion, Psychotherapie und Weltliteratur. Gesellschaftliche Normen, Traditionen und Pflichten stellt Camilla Grudova in ihren Geschichten auf die Probe. Dafür hüpft sie unentwegt von einem zum nächsten Gerne, wenngleich das Fundament aus den Kulissen der romantischen Schauerliteratur gebaut ist. Die manchmal doch recht pathetische Schwere konterkariert sie stets zynisch mit banalen Alltagsdetails. Ein Trick den auch Romancier und Songwriter Nick Cave gerne anwendet.

Brutaler Realismus und zärtlicher Surrealismus

„Als ich mich gut genug fühlte, um mir Arbeit zu suchen, kümmerte sich meine Mutter um die Zwillinge. Sie ließ sie an seltsamen Orten, unter Tischen und in den Schränken, aber sie waren noch nicht alte genug für die Tagesbetreuung.“

„Das Alphabet Der Puppen“ von Camilla Grudova ist eine Sammlung von Fabeln, die alle eine seltsame Welt zwischen brutalem Realismus und zärtlichem Surrealismus auftun. Die meisten mit großen humanistischen und feministischen Anliegen, die ich so noch nie thematisiert gelesen habe.

„Da sie keinen Vater hatten, kaufte ich eine männliche Puppe mit Anzug und Fliege, aus deren Rücken eine Schnur kam. Wenn man an ihr zog, stieß die Puppe ein Lachen aus, aber das Lachen verfehlte schnell seine Wirkung, und ihr Grinsen störte mich so sehr, dass ich sie rauswarf und mich nach dem ernsten und grausamen Peter sehnte.“

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