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mehrere Mädchen mit der Gründerin von Girls Who Code Reshma Saujani

Girls Who Code/ Reshma Saujani

Sei mutig, nicht perfekt!

Mädchen müssen alles richtig machen, während Buben scheitern dürfen. Dass das in unserer Gesellschaft gang und gäbe ist - das sagt die US-amerikanische Autorin Reshma Saujani. Warum das so ist und welche langfristigen Auswirkungen das auf das Leben von Männern und Frauen hat, davon handelt ihr Buch „Mutig nicht perfekt“.

Von Sophie Liebhart

Reshma Saujani ist Anwältin und Politikerin, wobei ihre politische Karriere eher kurz gedauert hat. 2010 hat sie für das House of Representatives in New York kandidiert, die Wahl aber haushoch verloren. Gleich am Anfang ihres Buches „Mutig nicht perfekt“ erzählt sie von dieser Niederlage. Und auch in Vorträgen erzählt sie diese Geschichte häufig: „Ich erzähle diese Geschichte, weil ich 33 Jahre alt werden musste, um zum allerersten Mal in meinem Leben etwas Mutiges zu tun, ohne mir Sorgen darüber zu machen, perfekt zu sein.“

Buchcover "Mutig nicht perfekt"

Girls Who Code/ Reshma Saujani

Das Buch „Mutig nicht perfekt“ ist im Dumont Verlag erschienen. Susanne Rudloff hat es aus dem Englischen übersetzt.

Perfekt sein - dieser Anspruch wird Mädchen von klein auf beigebracht. Davon ist Reshma Saujani überzeugt. Das fängt am Spielplatz an, wenn ihnen gesagt wird, sie sollen sich nicht schmutzig machen, während Buben ermutigt werden, möglichst hoch zu klettern. Mädchen lernen, hübsch und perfekt zu sein, während Buben schon früh Risiken eingehen und lernen, mit Niederlagen umzugehen, schreibt Reshma Saujani.

„Mädchen werden von klein auf dazu erzogen, keine Risiken einzugehen. Wir sollten zur Freude unserer Eltern und Lehrer nach Bestnoten streben. Am Klettergerüst sollen wir uns nicht zu hoch hinaufwagen, weil wir sonst fallen und uns wehtun könnten. Wir sollen stillsitzen und artig sein, hübsch aussehen, liebenswürdig und beliebt sein. (…) Meist geschieht das in bester Absicht. Niemand will, dass sich die eigene Tochter verletzt, dass sie enttäuscht wird oder entmutigt. Eine Luftpolsterfolie aus Liebe und Fürsorge umschließt uns wie ein Kokon. Daher merkt auch niemand, dass wir auf diese Weise nicht lernen, Risiken einzugehen und später im Leben unsere Träume zu verfolgen.“

Das zu ändern liegt allerdings nicht nur in den Händern der Eltern. Diese können die geschlechterspezifische Entwicklung ihrer Kinder nur bedingt beeinflussen, gesellschaftliche Erwartungen und Strukturen können sie jedoch höchstens abschwächen, nicht ausschalten, schreibt Reshma Saujani.

Mehr Risiken eingehen

Seit sie das erste Mal so richtig mutig war - bei der New Yorker Kongresswahl - lässt sie dieses Thema nicht mehr los. Sie recherchiert und sammelt Anekdoten, Zahlen, Daten und Fakten dazu, wie Mädchen und Buben unterschiedliche sozialisiert werden und welche Auswirkungen das auf ihr Leben als Erwachsene hat - etwa bei der Jobsuche.

Eine US-amerikanische Studie kam etwa zu dem Ergebnis, dass Männer sich für einen Job bewerben, wenn sie 60 Prozent der gefragten Qualifikationen mitbringen. Frauen hingegen bewerben sich nur, wenn sie 100 Prozent der Qualifikationen erfüllen. „Diese Studie wird häufig verwendet, um zu sagen ‚Frauen fehlt es an Selbstbewusstsein.‘ Aber ich glaube, dass es ein Beweis dafür ist, dass Frauen mit dem Anspruch sozialisiert werden, perfekt zu sein. Deshalb sind sie so vorsichtig.“, sagt Reshma Saujani.

Porträtfoto der Autorin Reshma Saujani

Girls Who Code/ Reshma Saujani

Den „Mutmuskel“ trainieren

„Mutig, nicht perfekt“ stellt aber nicht nur den Status quo dar. In der zweiten Hälfte verwandelt sich das Buch zu einem Motivationsguide, der helfen soll, mutiger zu werden. Die Autorin versorgt einen mit Tipps, Ideen und Übungen. Diese reichen vom Nein sagen lernen bis zu der Strategie sich im Alltag absichtlich kleinen Niederlagen zu stellen, um mit ihnen umgehen zu lernen. Man muss sich seiner Angst stellen und ihr so die Macht nehmen, schreibt Reshma Saujani: „Das ist Ihre Geheimwaffe, mit der Sie der Tyrannei der Perfektion entfliehen können, um das zu tun, was sie wirklich wollen.“

Wenn man das Buch zur Seite legt, fühlt man sich trotz so mancher sprachlicher Schwächen motiviert, sich seinen Ängsten zu stellen und mutiger zu werden. Es tut gut, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und sich klar zu machen: Perfektionismus und Mut sind nicht angeboren und nicht Teil meiner Persönlichkeit. Diese Eigenschaften haben sehr viel mit Training und Verstärkung in der Kindheit zu tun und können auch im Laufe des Lebens weiterhin trainiert, verstärkt oder abgeschwächt werden.

Girls who code

Reshma Saujani hat mittlerweile übrigens die Non-profit Organisation Girls Who Code gegründet, die Mädchen weltweit das Programmieren beibringt und so den Gender Gap in technischen Berufen verringern will. Und das obwohl sie keine Ahnung vom Programmieren hatte.

Mädchen bei Girls Who Code vor einem Laptop

Girls Who Code/ Reshma Saujani

Sie sieht auch in der Arbeit ihrer Organisation ein, wie sie es nennt, „Mutmuskel“-Training: „Den Mädchen das Programmieren beizubringen, hat ihnen gleichzeitig gelernt, mutig zu sein. Programmieren ist ein endloser Prozess aus Trial and Error, zu versuchen, den richtigen Befehl an der richtigen Stelle zu haben. Manchmal macht nur ein Beistrich den Unterschied zwischen Erfolg und Niederlage. Oft braucht es viele Versuche, bis das, was man versucht zu programmieren, auch klappt. Das braucht Ausdauer und Unvollkommenheit.“

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