FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Im Hintergrund: eine QAnon Flagge, darüber Logos von Facebook, Youtube und Twitter

APA/AFP/Kyle Grillot/ radiofm4

Erich Moechel

Tripelschlag gegen Trumps Trollarmeen im Netz

In einer konzertierten Aktion von Facebook, Twitter und YouTube wurden QAnon-Verschwörer, rechtsextreme Agitatoren und mehrere riesige Bot-Armeen von den Plattformen geworfen. Die von Rechtsextremen im Netz angekündigte „October Surprise“ wurde zum Rohrkrepierer.

Von Erich Moechel

Die sogenannte „October Surprise“ platzte am Donnerstag mitten in die Vorbereitung auf die TV-Auftritte der beiden Rivalen Joe Biden und Donald Trump. Eine „exklusive“ Titelstory des Boulevardblatts „New York Post“ beruhte auf angeblichen E-Mails von Joe Bidens Sohn, die beweisen sollten, dass der Vater als Vizepräsident zugunsten der Geschäfte Hunter Bidens interveniert habe. Die „Beweise“ waren Screenshots von E-Mails, die deshalb nicht zu überprüfen sind.

Diese seit Wochen in rechtsextremen Kreisen angekündigte Überraschung geriet zum Rohrkrepierer. Als der geplante „Shitstorm“ losbrach reagierten Facebook, Twitter und Youtube blitzartig und koordiniert. Von Trumps Wahlkampfteam abwärts sperrte Twitter zahlreiche prominente Konten, Facebook blockte jede Verbreitung des Materials und YouTube löschte hunderte Accounts. Diesmal waren die Konzerne vorbereitet, sie hatten diese Großkampagne seit Monaten beobachtet und deren Aufbau schon früh gestört.

E-Mail von Vadym Pozharskyi

Public Domain

Das ist das wichtigste der angeblichen Beweisstücke, die von der NY Post veröffentlicht wurden. Die E-Mails wurden nicht in ihrem Originalformat, sondern als Bilddateien veröffentlicht, ihr Quellcode ist also nicht überprüfbar. Die Vorgangsweise von Facebook gegen die verdeckten Desinformationskampagnen seit dem Frühjahr 2020.

Im ersten Quartal 2019 hatte der Facebook-Konzern nach eigenen Angaben 2,2 Millarden gefälschte Konten (sic!) deaktiviert, ein Gutteil davon war gegen die EU-Wahlen programmiert.

Von „Pizzagate“ zu „QAnon“

Das Ausmaß dieses Schlags war die eigentliche Oktoberüberraschung, denn die drei ansonsten rivalisierenden Konzerne gingen koordiniert, aber jeweils unterschiedlich vor. Twitter sperrte nicht nur @TeamTrump sondern auch das Konto seiner Pressesprecherin Kayleigh McEnany und der „New York Post“, eines der typischen Boulevardblätter von Rupert Murdochs News Corporation. Die NY Post ist die Nummer vier am amerikanischen Zeitungsmarkt, inhaltlich und von der Machart ein rechtes Kampfblatt wie etwa die Britische „Sun“, die ebenfalls zu Murdochs Konzern gehört.

Diese Vorgehensweise des Twitter-Managements war eine Premiere, Facebook demonstrierte seine Filterkapazitäten, die Verbreitung des Artikels wurde systematisch blockiert. YouTube wiederum löschte hunderte Accounts der sogenannten QAnons, das sind rechtsextreme Anhänger einer bizarren Verschwörungsideologie. Es handelt sich dabei um dasselbe Grundnarrativ, das im Präsidentschaftswahlkampf 2016 „Pizzagate“ hieß. Liberale würden systematisch Kinder entführen und zu sinistren Zwecken in den Kellern einer Pizza-Kette gefangen halten, wie etwa zum Missbrauch bzw. um aus ihrem Blut ein Verjüngungsserum herzustellen. 2020 wurde diesem bizarren Narrativ eigentlich nur noch eine ominöse Führungsfigur namens „Q“ hinzugefügt und Donald Trump zum heldenhaften Kämpfer dagegen stilisiert.

Tweet von Trump über Twitter Shutdown

Public / twitter

Präsident Trump war wiedereinmal einer Satire auf den Leim gegangen. Babylon Bee ist auf Witze über christliche Gruppen spezialisiert. Inzwischen sind tatsächlich alle großen QAnon-Gruppen von Youtube verschwunden, Google kündigte außerdem weitere Aktionen gegen gefährliche Verschwörungsideologien an.

Vor den Midterm-Wahlen in den USA im Herbst 2018 jagte zwar eine Tatarenmeldung über russische Einflussnahme die nächste, doch nichts dergleichen ist passiert.

Trollarmeen über Monate neutralisiert

Facebook und Twitter hatten schon seit April zigtausende Benutzerkonten der QAnon-Kampagne und anderer Gruppen, die durch abnormale Zuwächse an Mitgliedern aufgefallen waren, systematisch gelöscht oder im Handlungsspielraum eingeschränkt. Bis dahin hatten diese Gruppen über eine enorme mediale „Feuerkraft“ verfügt, die dafür sorgen sollte, dass die „October Surprise“ auch zur bösen Überraschung wurde. Unter den Ende September von Facebook entfernten Konten, die zum Teil mehr als eine Million Mitglieder hatten, waren auch die verifizierten [!] Accounts von Ivanka Trump und Kayleigh McEnany, der Pressesprecherin Donald Trumps. Diese Konten wurden durch eine der berüchtigten Trollfarmen in Nordmazedonien bespielt.

Das sind längst nicht die einzigen Spuren, die direkt ins Wahlkampfteam des amtierenden Präsidenten führen. Die angeblichen E-Mails von Hunter Biden kamen über Trumps Anwalt Rudy Giuliani zur NY Post, Giuliani hatte wiederum hatte sie vom Inhaber eines Reparaturshops in Wilmington, Delaware erhalten. Dort waren 2019 angeblich drei Laptops zur Reparatur gegeben aber dann nie abhgeholt worden. Einer davon soll einen Sticker der „Beau Biden Foundation“ getragen haben. Dieser Aufkleber mit dem Namen von Bidens verstorbenen Sohn Beau habe den Betreiber des Reparaturshops dazu bewegt, den betreffenden Laptop näher anzusehen. Dann habe er eine Kopie der Festplatte angelegt und die an das Büro von Rudy Giuliani weitergegeben, gab der Mann auf Nachfrage von US-Medien an.

Twitter Screenshot

Public Domain

Thomas Rid von der Johns Hopkins Universität, der Autor eines Standardwerks zu Desinformation bezeichnet den Weg, wie das Material an die Öffentlichkeit gelangte, als typisch für die Vorgangsweise professioneller Akteure, um Falschinformationen in die Welt zu setzen. Ebenso skeptisch wie Rid zeigte sich ein halbes Dutzend anderer akademischer Experten, auch militärische Fachmagazine schlossen sich den Zweifeln an.

Eine Spur nach Russland

2017 war nach drei Tagen schon klar, dass es sich bei dem „Macron-Leak“ um dreiste Falschnachrichten aus der rechtsextremen Medienszene handelte.

Es gibt auch eine Spur nach Russland, die von Giuliani direkt zu einem ukrainischen Parlamentarier namens Andrii Derkach führt, den die US-Regierung erst Mitte September auf die Sanktionsliste gesetzt hatte. Derkach sei seit zehn Jahren russischer Agent und Teil einer Desinformationskampgne, um Einfluss auf die US-Präsidentschaftswahlen zu nehmen. Giuliani hatte Derkach nachweislich mehrfach getroffen, als er in der Ukraine nach Material gegen Hunter Biden suchte.

Der sitzt seit Jahren im Aufsichtsrat des ukrainischen Energiekonzerns Burisma, der im Jänner von der berüchtigten russischen Cybertruppe „Fancy Bear“ angegriffen worden war. Das sind dieselben Akteure, die 2016 die demokratische Wahlkampagne von Hillary Clinton erfolgreich angegriffen hatten. Die damals von Wikileaks veröffentlichten E-Mails der Clinton-Kampagne waren allerdings erwiesenermaßen echt.

Vorläufiges Fazit

Wenn überhaupt noch weiteres Material in dieser Angelegenheit veröffentlicht wird, so könnten in diesem Konvolut durchaus auch echte E-Mails enthalten sein. Ein solcher Mix aus echtem Material und ein paar gefälschten Dateien ist eine absolut gängige Methode, um Falschinformationen an die Öffentlichkeit zu bringen, ohne dabei aufzufallen. Ein typisches Beispiel dafür war das Konvolut der „Macron-Leaks“ von 2017, die sich im Nachhinein als gefälscht herausgestellt hatten..

Es gibt wieder einen RSS-Feed für diesen Blog. Sachdienliche Informationen, Metakritiken et al. sind über dieses Formular verschlüsselt und anonym beim Autor einzuwerfen. Wer eine Antwort will, gebe tunlichst eine Kontaktmöglichkeit an.

Aktuell: