FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Woodkid feiert auf seinem zweiten Album den Selbstzweifel

Lisa Marks

Woodkid feiert auf seinem zweiten Album den Selbstzweifel

Das düstere, zweite Album des französischen Musikers bezieht sich vor allem auf die eigene Gefühlswelt – hat aber auch eine politische Ebene.

Von Felix Diewald

2013 bringt Woodkid sein erstes und bisher einziges Album raus: „The Golden Age". Woodkid, bürgerlich Yoann Lemoine, eigentlich ausgebildeter Werbefilmer, ist in den Jahren zuvor bereits ein gefragter Regisseur für aufwändige Musikvideos – auch für die ganz großen Pop-Stars, von Taylor Swift bis Rihanna. Insgeheim hat Lemoine aber von Anfang an ein anderes Ziel: Eigene Musik zu veröffentlichen.

Als er schließlich den Schritt wagt, kommt das gleich extrem gut an. Der cineastische-Soundentwurf, begleitet von bildgewaltigen Musikvideos und Live-Shows, wird von Kritiker*innen und Fans gleichermaßen gefeiert: Woodkids Debüt erhält dank hoher Verkaufszahlen zweimal Platin, der Musiker wird für zwei Grammys nominiert. Auch andere Disziplinen klopfen an: Die düstere Hymne „Iron“ wird zum Soundtrack für den Action-Adventure-Game-Klassiker „Assassin’s Creed“, Dior und Louis Vuitton buchen ihn für die musikalische Programmierung ihrer Modeschauen.

Sieben Jahre nach dem gefeierten Debüt

In den Jahren Jahren darauf wird es ruhiger um den französischen Musiker. Er fokussiert sich wieder auf Auftragsarbeiten, Soundtracks und Live-Umsetzungen für andere. Jetzt, sieben Jahre nach seinem Debüt, veröffentlich Woodkid sein zweites Album „S 16“ (benannt nach dem Symbol für das leicht entflammbare chemische Element Schwefel). Die Arbeit an dem Album sei ihm viel schwerer gefallen, erzählt der Musiker im Interview.

Woodkid feiert auf seinem zweiten Album den Selbstzweifel

Lisa Marks

Nachdenklichere Töne

“The album is essentially about doubt.”, sagt Woodkid. “And the beauty that there is in asking for help – when you feel like you’re not able to do everything on your own. It’s a celebration of fragility and the power in admitting that there is fragility behind the processes of love and creation.” Am Beginn seiner Karriere als Musiker sei Woodkid überwältigt gewesen vom frühen Erfolg, den er damit hatte. Für Reflexion sei da keine Zeit gewesen. Auf dem Nachfolger „S16“ ist das anders, exemplarisch sind dafür Songs wie „In Your Likeness“ - eine ehrliche Ballade über die eigenen Schwächen. Woodkid: “It is a song that talks about the incapacity of sustaining a love relationship when you don’t love yourself – and it’s about the different speeds and time scales at which people are going.”

Kalter Sound, warme Stimme

Woodkid kann Gefühle wie Wehmut, Sehnsucht und Pathos sehr gut in Musik übersetzen. Er ist ein Meister der Inszenierung, egal ob auf visueller oder auditiver Ebene. Nicht nur einmal fühlt man sich deshalb beim Hören des Albums in einen bombastischen Film-Soundtrack versetzt. Besonders spannend wird es, wenn der fette, maschinelle und kalte Sound in Kontrast zu Woodkids warmer, zebrechlicher Stimme steht. Etwa in „Pale Yellow“. Für das Lied hat Woodkid alte Maschinen aus einem Amsterdamer Museum aufgenommen. “They create sounds because they move, they are kinetic machines with a system of gears, chains and transmissions. Somehow they create this insane industrial beat – and I thought that would be really material for sampling.”

Bisweilen kann die opulente, dramatische, filmmusikhafte Orchestrierung auch zu viel werden. Gut, dass Woodkid auf dem neuen Album auch reduzierte, minimalistische Lieder hat, die ohne viel Tamtam auskommen. „Horizons Into Battlegrounds" ist so ein Song. “The Song has the lyrics I’m the most proud of”, sagt Woodkid selbst darüber. Besonders eine Stelle hebt er hervor:

“Why do I love you more when I’m wasted? / I only welcome care when I’m wounded”

Woodkid: “These two lines really sum up the record: Sometimes you have to reach an extreme state of vulnerability to be able to open up to love, attention and care.”

Woodkid feiert auf seinem zweiten Album den Selbstzweifel

Universal Music

„S16“ von Woodkid ist am 16.10 bei Universal Music erschienen.

Intim, gleichezitig politisch

Die meisten Songs auf dem Album beziehen sich auf die eigene Gefühlswelt von Woodkid. Gescheiterte Beziehungen, die seelische Gesundheit, Schaffensdruck - kommt alles vor. Trotz der Innen-Schau, habe „S 16“ auch eine politische Ebene, erklärt der Musiker. „When we talk about the personal and intimate inventory, we also talk about the big inventory of the world: The big questions of gender, of climate change, or topics like the rise of the far right and how we deal with them – all these questions are somehow floating above the album.” Und das Multi-Talent Woodkid schafft es irgendwie, diese riesigen Themenfelder einzufangen und sie in ein episches, fett-produziertes, audio-visuelles Gesamtkunstwerk zu gießen.

„S16“ ist was für alle, die kein Problem mit der großen Geste haben. Und auch wenn Woodkid für die nächsten Jahre wahrscheinlich schon ausgebucht ist mit Auftragswerken - man würde sich wünschen, dass es nicht wieder sieben Jahre dauert bis zum nächsten eigenen Release. Denn hier hat ein Künstler seine ganz eigene, außergewöhnliche Gefühls-Welt geschaffen.

mehr Musik:

Aktuell: